Eine methodologische Diskussion über den Faschismus

EINLEITUNG

In zahlreichen Dokumentationen und Büchern über den deutschen Faschismus liegt der Fokus auf den Gründern der NSDAP, ihren Ideen und insbesondere ihren Taten nach der Machtergreifung, die anhand von Dokumenten und Zeugenaussagen geschildert werden. Tatsächlich waren die meisten Nazis rassistisch und antisemitisch eingestellt. Sie glaubten an die Überlegenheit der „deutschen Rasse” und daran, dass Juden eine „giftige Rasse” seien, die Deutschland schwäche. Sie waren der Meinung, dass die Deutschen durch den Versailler Vertrag gedemütigt und ihre nationale Ehre mit Füßen getreten worden seien. Laut dieser Darstellung haben die Nazis mit ihren rassistischen, antiliberalen, staatsorientierten und militaristischen Ideologien den bereits in der Bevölkerung vorhandenen latenten Antisemitismus offenbart und sich dessen Unterstützung gesichert, um so die Macht zu erlangen. Die Krise von 1929, die Rekordinflation und die Arbeitslosigkeit werden in dieser Darstellung lediglich als Elemente des gesellschaftlichen Hintergrunds erwähnt. Die Unterstützung einiger Kapitalisten für die Nazis unterschied sich nicht wesentlich von der Unterstützung durch das Volk. Schließlich war auch der Kapitalist ein Individuum. Der an die Macht gekommene Faschismus war bestenfalls eine Krankheit, die ihren Ausdruck in Hitlers perverser Persönlichkeit, seinem Narzissmus, seiner Machtgier, der Vernichtung seiner politischen Gegner, den Massakern und dem Völkermord fand.

Wilhelm Reich, einer der ersten Schüler Freuds, definierte den Faschismus in seinem berühmten Buch „Die Massenpsychologie des Faschismus” als „die politische Ausdrucksform des durchschnittlichen Menschencharakters”, wie er durch die autoritäre Gesellschaft geformt wird. Dieser Charakter zeige sich in der „Summe aller reaktionären, autoritären, irrationalen Einstellungen des ‚kleinen Mannes‘“, die sich unter sozialem Druck zur Massenbewegung formten. [1] Reich betonte, dass rassistische Ideologien Ausdruck tief verwurzelter emotionaler Störungen seien, und sah in der Existenz rassistischer Vorurteile weltweit einen Beleg für die internationale Verbreitung des Phänomens des Faschismus. Die Quelle dieser universellen Verfügbarkeit liege im emotionalen Apparat des Menschen, insbesondere im durch Repression geprägten Charakter. In diesem Zusammenhang schrieb er: „Rassistische Ideologie ist eine lebensgefährliche Krankheit, die in der Struktur des Menschen ihren Ausdruck findet.“ [2]

Diese reduktionistische Darstellung der Verbindung zwischen faschistischer Ideologie und unterbewussten Ängsten und Trieben ist jedoch nicht nur ein Fehler, der sich in einer groben Übertragung der psychoanalytischen Methode auf die Sozialwissenschaften äußert. Was Reichs Methode wirklich problematisch macht, ist die Reduzierung des Faschismus auf eine Eigenschaft des Individuums. Mit dieser individualistischen Methodik wurde der Faschismus – auch wenn es nicht um unterbewusste Triebe ging – durch die Handlungen, die bösartige Natur, den Rassismus oder die Machtgier des Individuums in der Krise erklärt.

Auch die Erklärung des Faschismus durch Kultur, Ideologie, den nationalen Charakter oder die Massenpsychologie, derer sich die einzelnen Individuen „annehmen“, geht nicht über eine soziologischere Betrachtung hinaus. So wird der Faschismus etwa als Spiegelbild charakteristischer Merkmale der deutschen Nation wie blinde Loyalität gegenüber dem Staat, Grausamkeit und aggressiver Nationalismus angesehen. In Deutschland, wo die kapitalistische Transformation vor allem über staatliche Kanäle organisiert wurde und Feudalismus und Bürokratie ihren politischen und kulturellen Einfluss behielten, war demnach die wirksame Präsenz des „Staates” ein entscheidender Faktor für den Aufstieg des Faschismus, der als staatszentrierte Ideologie definiert wird.

So wurden Eigenschaften, die zuvor einzelnen Individuen zugeschrieben wurden, nun einer „Masse” oder einem „Volk” zugeschrieben, die als Summe aller Individuen angesehen wurden. Die Gedanken, Ideologien und Krisen dieser „Masse” wurden zu einem entscheidenden Faktor für die Erklärung des Faschismus. Der italienische Denker Benedetto Croce sah den Faschismus als „durch den Krieg hervorgerufenen Zerfall des Bewusstseins, eine Zivilisationskrise und das Ergebnis einer irrationalen Trunkenheit“. Als sich der Bewusstseinszerfall legte, die Krise endete und man mit Kopfschmerzen am Tag nach der Trunkenheit aufwachte, war auch die Phase des Faschismus zu Ende.

Thema dieses Artikels ist die Kritik an der originellen und weit verbreiteten Verwendung individualistischer Methodik in der Faschismustheorie. Mit dieser Methode wird der Faschismus mit dem wirksamen Handeln einzelner Personen, beispielsweise von Führern, die den Faschismus wollen, in Verbindung gebracht und die politische Landschaft auf den Kampf zwischen faschistischen Bewegungen und anderen Parteien reduziert. Hier existieren Kapitalisten nur als Individuen. Selbstverständlich erfordert eine historische Analyse faschistischer Bewegungen die Untersuchung der Rolle und des Einflusses von Individuen, jedoch muss diese in den Kontext der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und des Klassenkampfs gestellt werden. Geschieht dies nicht, wird der Faschismus unweigerlich auf die frei getroffenen Entscheidungen, die Wut, die Ambitionen, die Pläne oder die Abartigkeiten von Individuen reduziert. Weder der Faschismus als Staatsform noch die Gesellschaft sind jedoch eine arithmetische Summe von Individuen.

„DER ABSTRAKTE MENSCH“ UND DER FASCHISMUS

Die Institutionalisierung der wechselseitigen Beziehungen, die Menschen durch ihr Handeln miteinander eingehen, hat dazu geführt, dass Institutionen wie der Staat einen autonomen Charakter erlangen und den Anschein erwecken, als stünden sie außerhalb und über den Produktionsverhältnissen. Die Tatsache, dass der Staat ein einzigartiger und konzentrierter Schauplatz vielschichtiger sozialer Beziehungen ist und darüber hinaus in rechtlichen, militärischen, wirtschaftlichen und politischen Fragen als „Subjekt” Entscheidungsgewalt besitzt, hat ihn im Laufe der Geschichte zu einem besonderen Gegenstand der Aufmerksamkeit und Analyse gemacht.

In der Literatur wird dies als Diskussion über politische Herrschaft bezeichnet. Während des Mittelalters war die institutionelle Religion die Quelle der Legitimität der Herrschaft. Herrscher mit Namen wie König, Kaiser, Sultan, Padischah oder Khan galten als Stellvertreter Gottes auf Erden. Ab dem 15. Jahrhundert reichte die Definition der politischen Herrschaft unter religiösen Formen jedoch nicht mehr aus, um die tatsächliche Situation zu erklären. [3] Dies war eine Zeit, in der sich der „Handel” mit Kolonien und die Handelsbeziehungen innerhalb der Gesellschaft entwickelten und das „bürgerliche Individuum” auf die Bühne der Geschichte trat. Wie in der Renaissance zu sehen war, stellte die Kunst und wenig später auch die Philosophie den Menschen mit seinem „freien Willen” in den Mittelpunkt des Denkens. Dieser abstrakte Mensch war natürlich der besitzende „bürgerliche Mensch”. Damit verlor die Religion ihre Grundlage als Fundament des Staates und wurde durch den freien Menschen, seinen freien Willen und seine Entscheidungen ersetzt.

Die typische Form der Erklärung der Existenz und sogar der Form des Staates auf der Grundlage des „freien Willens” des Individuums finden wir in den Gesellschaftsvertragstheorien. Im 17. Jahrhundert entwickelte der englische Philosoph Thomas Hobbes (1588–1679) in einer Zeit großer innerer Unruhen und Kämpfe in England eine Herrschaftstheorie, die die absolute Monarchie auf säkularer Grundlage verteidigte. Dies war jedoch noch keine liberale Staatstheorie. Er stellte jedoch den abstrakten Menschen oder die bürgerlichen Individuen, die sich gegenseitig bekämpfen, in den Mittelpunkt seiner Theorie und machte damit den ersten Schritt. Um die Notwendigkeit des Staates zu beweisen, ging Hobbes von einem „Naturzustand” aus, in dem absolute Freiheit herrschte. [4] „Solange es keine übergeordnete Macht gibt, die alle in Schrecken hält, befinden sich die Menschen in jenem Zustand, den man Krieg nennt; und dieser Krieg ist ein Krieg eines jeden gegen jeden.” [5] Im „Naturzustand” befinden sich die Menschen im Krieg miteinander. Es gibt kein Eigentum, keine Gerechtigkeit und keine Lebenssicherheit. Um aus dieser Situation herauszukommen, schlossen die Menschen einen Vertrag, der ihr Leben und ihr Eigentum sicherte: den „Gesellschaftsvertrag“. Nach Hobbes‘ Denken ist Eigentum durch Gesetze gesichert und bildet die Grundlage der Gerechtigkeit. Der Staat bzw. die Herrschaft ermöglicht die Schaffung von Eigentum und Gerechtigkeit. [6] Mit diesem Vertrag haben die Menschen ihre absolute Freiheit aufgegeben und ihre Rechte an den Herrscher übertragen. [7]

Ein anderer englischer Philosoph, John Locke (1632–1704), entwickelte kurz nach Hobbes eine Theorie des Gesellschaftsvertrags, die die Interessen der Handelsbourgeoisie und der lokalen Feudalherren widerspiegelte. [8] Locke gilt als Begründer des philosophischen Liberalismus und trat als Verfechter des Eigentumsrechts hervor. In dem von Locke angenommenen „Naturzustand” gibt es Gesetze (Naturgesetze) und natürliche Rechte (z. B. das Eigentumsrecht). Arbeit ist die Grundlage des Eigentums. Wenn ein Bauer ein Stück Land bearbeitet, erlangt er das Eigentum an diesem Land. [9] Allerdings ist es notwendig, dass die Naturgesetze in bestimmten Situationen angewendet werden und ein gemeinsamer Wille zur Wahrung der natürlichen Rechte geschaffen wird. Auf diese Weise treten die Individuen durch einen Vertrag in eine rechtlich-politische Struktur ein, wodurch politische Macht entsteht. Im Gegensatz zu Hobbes übertragen die Individuen nicht alle ihre Rechte an den Staat, sondern nur einen Teil davon. Die grundlegende Aufgabe des Staates ist der Schutz des Eigentums. [10]

In all diesen Vertragstheorien haben Menschen mit einem festen „Wesen” Entscheidungen getroffen, um die Probleme, mit denen sie konfrontiert waren, zu überwinden. So sind sie freiwillig vom „Naturzustand” in den „Gesellschaftszustand” (oder die „politische Gesellschaft”) übergegangen und haben den Staat gegründet. Das Subjekt ist ein abstrakter Mensch mit freiem Willen. Dieser Mensch ist so abstrakt, dass er am Anfang, also im „Naturzustand”, allein außerhalb der Gesellschaft lebt. In dieser auf dem abstrakten Menschen basierenden Staats-/Herrschaftstheorie gibt es selbstverständlich keinen Platz für Klassen, also für konkrete Menschen. [11]

Um es gleich vorwegzunehmen: Der „abstrakte Mensch”, der im Zentrum der bürgerlichen Vertragstheorie steht, hat nie existiert.

Wie die politischen Anthropologie-Studien des 19. Jahrhunderts gezeigt haben, gab es weder einen „Naturzustand” noch atomare, abstrakte Individuen, die in einem solchen Zustand lebten, noch einen Staat als Produkt eines Vertrags. Selbst in primitiven, staatenlosen Gesellschaften lebten die Menschen nicht als reine „Individuen”, sondern in Verwandtschaftsbeziehungen, die auf Familie, Sippe oder Blutsverwandtschaft basierten. Sie gestalteten ihr Leben im Rahmen der wirtschaftlichen Beziehungen und kulturellen Werte dieser Gesellschaft. Sie waren Teil einer gemeinsamen Existenz. [12] Der Mensch war seit den ersten Stadien der Evolution seiner Spezies immer Teil der Gesellschaft mit ihren Beziehungen und Praktiken. Der vor-gesellschaftliche Mensch war bestenfalls ein „vor-vernünftiger” Mensch. [13]

In dieser Hinsicht existiert jeder Einzelne nur auf der Grundlage seiner praktischen Handlungen und Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft und verändert durch sein Handeln sowohl die Natur/Gesellschaft als auch sich selbst. Die Existenz des Menschen wird nicht durch die Entwicklung und Entfaltung seines inneren „Wesens” geprägt, sondern durch seine Interaktionen innerhalb der sozialen Beziehungen und die Einheit der Bedingungen und Zwänge, denen er unterliegt. Wie Marx in seiner sechsten These über Feuerbach sagte: „Das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“ [14]

Es gibt keine abstrakten Menschen oder eine feste menschliche Natur, sondern nur Menschen, die unter bestimmten objektiven Bedingungen handeln, das heißt als Teil einer sozialen Klasse, wie es in klassengesellschaftlichen Verhältnissen der Fall ist. Insbesondere der Faschismus, aber auch die Politik im Allgemeinen, sind nicht „abstrakt“, sondern nur auf der Grundlage konkreter Menschen und der von ihnen gebildeten historischen Klassen verständlich. Darüber hinaus gibt es historische Bedingungen, unter denen man sich bewegen muss und von denen man ausgehen kann. Denn: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ [15]

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Bis hierhin wurde die Entwicklung der kapitalistischen Handelsbeziehungen im Schoß der feudalen Gesellschaft sowie die Entstehung der Staatstheorie auf der Grundlage des „bürgerlichen Individuums“ bzw. des „abstrakten Menschen“ beleuchtet. Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Diskussion sind die grundlegenden Annahmen über den Staat selbst, die auch heute noch vorherrschend sind. Wenn die Individuen aus dem „Naturzustand” in den „Zustand der Gesellschaft” übergehen, erhalten Gesetze für alle verbindlichen Charakter. Die „natürlichen Rechte” des Volkes werden auf der Grundlage des Eigentumsrechts garantiert und all dies wird vom Staat als Vertreter des „allgemeinen Willens” festgelegt. Auf diese Weise wird der Staat einerseits auf das „abstrakte Individuum“ und dessen „freien Willen“ reduziert. Andererseits wird er in eine neutrale Position über die Widersprüche und Konflikte zwischen Klassen bzw. Individuen gestellt und somit aus der „bürgerlichen Gesellschaft“, dem Handlungsfeld der Individuen, herausgelöst.

In der politischen Ökonomie und Philosophie des 18. Jahrhunderts bezeichnet der Begriff „bürgerliche Gesellschaft“ den Bereich der Gesellschaft, der außerhalb des Staates liegt und sich meist durch wirtschaftliche Aktivitäten definiert. Er entstand mit der Entwicklung der kapitalistischen Verhältnisse. Sowohl in der vertragstheoretischen Tradition als auch in der liberalen politischen Ökonomie und in einem anderen Kontext bei Hegel steht der Staat über dem Wettbewerb, der Partikularität und den Widersprüchen der bürgerlichen Gesellschaft. Er repräsentiert die Universalität.

Marx hingegen verbindet den Staat direkt mit der „bürgerlichen Gesellschaft“, ihren Widersprüchen und Konflikten.

Er schreibt: „Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, dass Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der sogenannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel, nach dem Vorgang der Engländer und Franzosen des 18. Jahrhunderts, unter dem Namen „bürgerliche Gesellschaft“ zusammenfasst, dass aber die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen sei.“ [16]

Während der Staat bei Hegel die Verkörperung des moralischen Prinzips ist, das die Menschen und die „bürgerliche Gesellschaft” begründet, wird er bei Marx mit der „bürgerlichen Gesellschaft“ und den Produktionsverhältnissen in Verbindung gebracht. Der Staat entstand in einer bestimmten Entwicklungsphase der menschlichen Gesellschaft. Er ist jedoch nicht das Ergebnis einer Entscheidung oder Vereinbarung, die die Menschen aus freiem Willen getroffen haben. Vielmehr ist er als Element der wirtschaftlichen Herrschaft eines Teils der Gesellschaft über andere Teile der Gesellschaft auf die Bühne der Geschichte getreten, um diese Herrschaft zu schützen. Die Entstehung der Klassen und die Entstehung des Staates sind zwei Seiten derselben Medaille. Der Staat ist ein Mittel der Unterdrückung und Herrschaft einer Klasse über eine andere. Daher erhält er seine Bedeutung, seine Existenz und sein „Wesen” in diesem Zusammenhang und nicht außerhalb der Klassenwidersprüche und -konflikte.

„DER KONKRETE MENSCH” UND DER FASCHISMUS

Die Existenz des „konkreten Menschen” ist unter bestimmten historischen und sozialen Bedingungen natürlich nicht nur auf seine Position im Produktionsprozess beschränkt. Er hat ein soziales Geschlecht, eine nationale oder ethnische Identität, eine Weltanschauung, familiäre Beziehungen, einen Status usw. All diese „Identitäten” und Beziehungsformen beruhen jedoch auf den grundlegenden Produktionsverhältnissen.

„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse,

einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt.“[17]

Wenn es um eine methodologische Diskussion über die Theorie des Faschismus und dessen Behandlung geht, müssen aus den oben genannten Gründen die Klassenverhältnisse der erste konkrete Ansatzpunkt sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass andere Beziehungsformen in der faschistischen Bewegung und Herrschaft keine Rolle spielen.

Das grundlegende Problem bei der Analyse der Erfahrungen mit dem Faschismus unter individualistischer Methodik besteht jedoch nicht darin, sich mit der Nazi-Bewegung, gar mit Hitlers Weltanschauung, seinen psychologischen Problemen, Obsessionen, Unruhen, seiner Herkunftskultur und seiner persönlichen Lebensgeschichte oder Zufällen zu beschäftigen. Eine möglichst realitätsnahe gesellschaftliche Analyse muss neben den wirtschaftlichen Bedingungen und Prägungen, dem politischen Klima und den Machtverhältnissen, dem rechtlichen/gesetzlichen Rahmen, den vorherrschenden Ideologien, kulturellen Traditionen und Tendenzen auch die persönlichen Weltanschauungen und biografischen Geschichten der direkten Akteure berücksichtigen. Das Problem besteht darin, dass man nicht in der Lage ist, das Individuelle im sozialen und klassenbezogenen Kontext zu sehen. Dass dieser Kontext unter den Bedingungen der Herrschaft der Bourgeoisie übersehen wird, ist kein Zufall, sondern hängt mit der Verschleierung der tatsächlichen sozialen bzw. klassenbezogenen Grundlagen des Faschismus zusammen.

Ein Beispiel: Wirtschaftskrisen äußern sich in der Regel darin, dass Unternehmen aus verschiedenen Gründen ihre Produkte nicht mit ausreichendem Gewinn verkaufen können und pleitegehen. Arbeitgeber, die keine Gewinne erzielen, gehen unter und Verbraucher, die ihre Bedürfnisse nicht ausreichend decken können, geraten in Armut. Diese Beschreibung der „Handlungen” der Menschen sagt jedoch nichts über die strukturellen und konjunkturellen Ursachen der Krise aus. Die eigentliche Frage ist, warum die Menschen diese „Handlungen” ausführen und welche wirtschaftlichen Bedingungen und Klassenverhältnisse sie zu diesem Prozess treiben. Dies erfordert eine gesellschaftliche Analyse, die über die Handlungen dieser Individuen hinausgeht. Das bedeutet nicht, dass menschliches Handeln, wie es die strukturalistische Tradition tut, auf eine automatische Folge der Struktur reduziert wird. Vielmehr bedingen wirtschaftliche Abläufe und Gesetze, wie beispielsweise die Kapitalakkumulation, das Handeln der Kapitalisten und legen ihnen bestimmte Zwänge auf. Eine Analyse der Krise als gesellschaftliches Phänomen ist daher erforderlich.

Genauso wie die Faschismus-Theorie über die individuelle Akzeptanz des Faschismus hinausgeht und die Bedingungen untersucht, die die Menschen zum Faschismus treiben, und vor allem den Faschismus als Staatsform im Kontext der kapitalistischen Verhältnisse und Klassenkämpfe betrachtet. Versuchen wir, dies anhand einiger Beispiele zu verdeutlichen.

Aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Zerstörung, die der Erste Weltkrieg in Deutschland verursacht hatte, kam es zu einem massiven Aufschwung der Arbeiter- und Bauernbewegung. Im November 1918 brach das Deutsche Reich zusammen und überall im Land wurden Arbeiter- und Soldatenräte sowie von diesen gewählte lokale Regierungen gebildet. Der Versuch, eine Räterepublik im ganzen Land zu errichten, wurde jedoch niedergeschlagen. Die regierende Sozialdemokratische Partei setzte neben der Polizei auch Einheiten ein, die sich aus ehemaligen Soldaten und führerlosen Halbstarken zusammensetzten, die nach dem Krieg arbeitslos geworden waren. Ein Teil dieser Einheiten schloss sich später der NSDAP an. Im Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf Befehl der Sozialdemokraten hingerichtet. Es wurde eine bürgerlich-demokratische Republik gegründet. Dennoch erzielte die organisierte Arbeiterklasse sowohl während dieses Prozesses als auch danach große Erfolge: das Wahlrecht für Frauen, den 8-Stunden-Arbeitstag, die allgemeine Einführung von Tarifverträgen, die Arbeitslosenversicherung, die Wahl von „Betriebsräten” usw. Auch die Bauern erhielten das Recht, sich zu organisieren, und schlossen sich massenhaft Gewerkschaften an. So betrug die Mitgliederzahl des Bundes der Landarbeiter Mitte 1918 etwa 10.000, 1920 waren es bereits 700.000. Sie erlangten das Recht auf Tarifverträge, Arbeitslosenversicherung und die Wahl von „Betriebsräten”. [18]

In Deutschland begann die faschistische Bewegung unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg zu wachsen. Sie wurde von der Bourgeoisie gegen die Arbeiterbewegung unterstützt. Diese Unterstützung spiegelte die Klasseninteressen der deutschen Kapitalisten wider. Selbst Kapitalisten, die das Programm und die Parolen der Nazis für absurd und unrealistisch hielten, sahen keinen Grund, die Nazis nicht zu Hilfe zu rufen und zu unterstützen, wenn es um den Widerstand oder die Rechte der Arbeiter in ihren eigenen Betrieben ging. Diese Haltung der Kapitalisten war keine „individuelle“, sondern eine klassenbezogene Handlung des „Individuums“ als Mitglied einer Klasse.

Fritz Thyssen, einer der größten Kapitalisten Deutschlands, sagte 1924: „Die Demokratie hat bei uns keine Daseinsberechtigung.“ Der ehemalige Minister Dernburg sagte: „Der 8-Stunden-Tag ist der Sargnagel für Deutschland.“ Während faschistische Sturmtruppen Gewerkschaften, Kommunisten und demokratische Kräfte angriffen, waren die deutsche Bourgeoisie, die Junker, die Armee und die Bürokratie mit diesem braunen Terror sehr zufrieden. Allerdings sah die deutsche Bourgeoisie keine Notwendigkeit für die Errichtung einer faschistischen Diktatur und die Voraussetzungen dafür waren noch nicht reif. Deshalb stellte sie ihre Unterstützung für die faschistische Bewegung ein und unterstützte die bürgerlich-demokratischen Parteien. Dadurch verloren die Nazis einen Großteil ihrer Macht. Nach der kapitalistischen Krise von 1929 änderte sich die Lage. Die deutsche Bourgeoisie und die Junker erkannten aus eigener Erfahrung, dass die bürgerliche Demokratie nicht ausreichte, um die Arbeiterklasse zurückzudrängen, die Kommunistische Partei, die zu den wichtigsten politischen Kräften des Landes gehörte, zu zerschlagen, die Gewerkschaften zu entmachten und ihre durch die Errungenschaften der Arbeiterklasse stark gesunkenen Profite wieder zu steigern. Nach der Krise wandte sie sich der faschistischen Bewegung zu, die auch einen Teil der Bevölkerung hinter sich hatte, um diese wirksamer zu nutzen. Mit Unterstützung seines engsten Kreises aus Großgrundbesitzern und monopolistischen Kapitalisten ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler.[19]

Mit dem Versailler Vertrag wurden der deutschen Bourgeoisie Rohstoffquellen, wichtige Industriegebiete (Lothringen, Oberschlesien, das Saarland usw.) und Kolonien weggenommen, die im Vergleich zu ihren Konkurrenten spät in den Kampf um die Aufteilung der Welt eingetreten war. Sie wurde zur Abrüstung gezwungen und zu Entschädigungszahlungen in Höhe von 132 Milliarden Goldmark verurteilt. Das Finanzkapital wollte sowohl die verlorenen Märkte zurückerobern als auch die Entwaffnungsbedingungen loswerden, durch die es einer wichtigen Gewinnquelle beraubt worden war, sowie die Kriegsentschädigungen, durch die sich seine Kosten erhöhten und seine Gewinne schmälerten. Es trieb Deutschland in eine aggressive und nationalistische Außenpolitik. Die Faschisten waren dafür prädestiniert. [20]

Emil Kirdorf, seit 1927 ein Bewunderer Hitlers und Eigentümer des mächtigen Gelsenkirchener Metallkonzerns, erklärte am 1. Mai 1936: „Wenn ich mein ganzes Leben Revue passieren lasse, weiß ich nicht, wie ich Gott danken soll, dass er mir ein langes Leben geschenkt hat … und mir so die Möglichkeit gegeben hat, unserem geliebten Führer im richtigen Moment zu Hilfe zu eilen.” Am 8. April 1937 besuchte Hitler Kirdorf anlässlich dessen 90. Geburtstags in Duisburg und verlieh ihm den Reichsadler, die höchste Auszeichnung des Regimes. [21]

Mit der Machtübernahme der faschistischen Bewegung kam es zu einer raschen Verschmelzung zwischen den Führern der faschistischen Partei und den Monopolisten. Bis 1933 hatten sich die Großkapitalisten der Industrie, von einigen Ausnahmen abgesehen, von offiziellen Staatsämtern ferngehalten. Sie hatten durch Verwandte, Freunde oder von ihnen bezahlte Personen regiert, waren aber selbst weder Abgeordnete noch hohe Staatsbeamte. Nach 1933 nahmen sie jedoch Positionen im Staatsapparat ein. Auch die Nazi-Führer wurden zu Industriemanagern. Diese Koalition bereitete das Land auf den Krieg vor. In allen Industriezweigen, insbesondere in der Rüstungs-, Metall- und Bergbauindustrie, wurde die totale Mobilmachung ausgerufen. Die Gewinner dieser Mobilmachung waren die Monopolkapitalisten, die enorme Gewinne erzielten. [22]

Die Erfahrungen in Italien zeigen ebenfalls, dass die Monopole den Faschismus offen gegen die bürgerliche Demokratie unterstützten und der Faschismus mit dieser Unterstützung an die Macht kam. In Italien erlebte der revolutionäre Kampf der Arbeiterklasse und der arbeitenden Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg einen raschen Aufschwung. Die Löhne stiegen, der Achtstundentag wurde gesetzlich verankert und Tarifverträge wurden allgemein eingeführt. Im Jahr 1919 gab es 1.663 Streiks, im Jahr 1920 waren es 1.881.

Die organisierten Textilarbeiter in den großen Häfen setzten ihre Forderungen gegenüber den Reedern durch. Die Metallarbeiter befanden sich in einem harten Kampf. 600.000 von ihnen besetzten Fabriken und leiteten die Produktion mit selbst gewählten „Fabrikräten” selbst. Nach Abschluss der Vereinbarung erhielten sie das Versprechen, dass ihnen das Recht auf Kontrolle über den Betrieb eingeräumt werden würde. Auch die Bauern waren zu radikalen Kämpfen bereit. Als sie aus dem Krieg zurückkehrten und die versprochene Landreform nicht durchgeführt wurde, besetzten sie ihr Land. Die Regierung musste diese Besetzungen anerkennen. [23] Die Pächter konnten die Vertragsbedingungen zu ihren Gunsten ändern. Die Landarbeiter organisierten sich mit Unterstützung der ländlichen Kommunen in Gewerkschaften und „roten Brigaden”. Sie zwangen die Großgrundbesitzer zu Tarifverträgen. [24]

Die monopolistische Bourgeoisie, die während des Krieges große Gewinne erzielt hatte, verlor nun diese Gewinne. Die Kolonien, die ihr für ihre Teilnahme am Krieg versprochen worden waren, hatte sie nicht erhalten. Durch den Kampf der Arbeiterklasse und der Bauernschaft schrumpften ihre Gewinnspannen, und die schwere Wirtschaftskrise, die das ganze Jahr 1921 andauerte, brachte sie in eine schwierige Lage. Mit den Mitteln der bürgerlichen Demokratie war es unmöglich, die Arbeiterklasse zurückzudrängen, sie zu unterwerfen und die alten Profitraten sowie neue Kolonien für die Großproduktion wiederherzustellen. Unter diesen Bedingungen war die faschistische Bewegung in Italien mehr als nur ein von der Bourgeoisie gefördertes Instrument, um die Arbeiterorganisationen anzugreifen. Als die Faschisten im Oktober 1922 durch den Marsch auf Rom an die Macht kamen, spendeten die Kapitalisten, die Mitglieder des Industrieverbandes waren, Millionen. Die Führer des Industrie- und des Landwirtschaftsverbandes teilten in einem Telegramm an Rom mit, dass eine Regierung unter Mussolini der einzige Weg aus der Krise sei. Am 28. Oktober fanden intensive Gespräche zwischen Mussolini und den führenden Vertretern des Industrieverbandes, den Abgeordneten Stefano Benni und Gino Olivetti, statt. [25] Premierminister Luigi Facta wollte militärisch gegen den Marsch vorgehen, doch der König verweigerte ihm die Erlaubnis. Einen Tag später ernannte König Vittorio Emanuele III. Mussolini zum Premierminister. Die Faschisten kamen somit ohne jegliche Auseinandersetzungen an die Macht. [26]

Selbstverständlich bedeutete die direkte Unterstützung der Faschisten durch die monopolistische Bourgeoisie in Deutschland und Italien nicht, dass sie bloße Marionetten waren. Die Beziehungen zwischen den herrschenden Klassen und dem Staat, den politischen Parteien oder Führern sind keine einfachen Befehls- und Gehorsamsverhältnisse. Es handelt sich um eine Beziehung, die sich gegenseitig beeinflusst und auch den subjektiven Bereich einbezieht, jedoch stark von den wirtschaftlichen und anderen gesellschaftlichen Bedingungen bestimmt und begrenzt wird. Die hierin enthaltene „Subjektivität” bedeutet also nicht „freier Wille”. Sie bedeutet jedoch, dass es auch zu Handlungen kommen kann, die von Teilen der Bourgeoisie nicht gewünscht sind oder über ihre Forderungen hinausgehen. Trotz der engen Beziehung zwischen dem politischen Bereich (Partei, Regierung, Staat usw.) und dem wirtschaftlichen Bereich (wirtschaftliche Klassen, Produktionsverhältnisse, Kapitalakkumulation usw.) verfügt die Politik über eine relative Autonomie. Aus Sicht der Faschismusdiskussion ist es nicht entscheidend, ob alle Handlungen der Nationalsozialisten direkt von den Vertretern des monopolistischen Kapitals angeordnet wurden. Die Beziehung zwischen Kapital und Regierung ist – von einigen Ausnahmen abgesehen – ohnehin nicht so. Auch innerhalb der NSDAP kam es zu zahlreichen Konflikten und Säuberungen. Abgesehen von den Machtkämpfen innerhalb der NSDAP war es die Unterstützung durch das monopolistische Kapital, die es den Nazis ermöglichte, diese Massaker zu verüben.

Da das deutsche Monopolkapital seine Interessen innerhalb der Grenzen des bürgerlich-demokratischen Staates nicht durchsetzen konnte, bevorzugte es einen faschistischen Staatsapparat, unterstützte die Faschist*innen offen und ebnete ihnen den Weg zur Macht. Der faschistische Staat setzte die Interessen des Monopolkapitals mit Gewalt und Terror durch. Diese Staatsform wurde zum Ausdruck der Interessen des monopolistischen Kapitals, diente ihm und ebnete so den Weg für jede Art von „Extremismus”, Mord, Willkürherrschaft, Massaker und Völkermord.

Die faschistische Herrschaft in Deutschland und Italien lässt sich nicht verstehen, ohne den Kampf zwischen Kapitalisten und Arbeiterklasse zu berücksichtigen. Die monopolistischen Kapitalisten erkannten, dass die Bedingungen der bürgerlichen Demokratie nicht ausreichten, um ihre Profitraten zu steigern, die Errungenschaften der Arbeiterklasse zu beseitigen, ihre Bewegung zu unterdrücken und ihre verlorenen Kolonien zurückzugewinnen. Nur durch diese Unterstützung konnte der Faschismus relativ leicht die Macht ergreifen und die faschistische Umgestaltung des Staates in kurzer Zeit vollenden.

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Der Faschismus wird in jedem Land, in dem er auftritt, von kulturellen, religiösen, moralischen und anderen historischen Faktoren beeinflusst. Er enthält einige dieser Faktoren, bekämpft andere, ist aber immer Teil dieses Kontextes. All dies sind wichtige Fakten für die Analyse des Faschismus als historisches Phänomen. Die Theorie des Faschismus kann das Ergebnis einer solchen Bewertung sein. Die Vielschichtigkeit der historischen Analyse der Erfahrungen mit dem Faschismus, die von der Wirtschaft über die Kultur bis hin zu Klassen, Parteien und Individuen reicht, bedeutet jedoch nicht, dass der Faschismus eine zufällige Mischung all dieser Elemente ist. Als Produkt und Staatsform der Epoche des Imperialismus ist der Faschismus nur im Kontext der Herrschaft der Monopole, ihrer Interessen und des Klassenkampfs zu verstehen.

In dieser Hinsicht kann der Faschismus unterschiedliche kulturelle, symbolische und ethische Formen annehmen. Während religiöse Argumente in der faschistischen Bewegung in Deutschland eine untergeordnete Rolle spielten, waren sie in der faschistischen Bewegung in Österreich stark vertreten. Im deutschen Faschismus wird häufig eine antiliberale Rhetorik verwendet, die sogar im Programm der Nationalsozialisten zu finden ist. Der Putsch von Augusto Pinochet hat Chile – abgesehen von seiner Kritik an der sogenannten „liberalen“ parlamentarischen Demokratie – zu einem Laboratorium für neoliberale Politik gemacht. Ebenso ist das Wirtschaftsprogramm des türkischen Faschismus vom 12. September ein neoliberales Programm, das in den Beschlüssen vom 24. Januar seinen Ausdruck findet.

Natürlich haben die historischen Erfahrungen mit dem Faschismus zahlreiche gemeinsame Merkmale: nationale Führer, extremer Nationalismus, Erfindung einer historischen Herkunft, Expansionismus und Militarismus. Faschismus-Theorien, die auf diesen Merkmalen aufbauen, verschleiern jedoch das Klassenwesen des Faschismus und reduzieren ihn auf eine bestimmte Ideologie oder Politik.

Allerdings lassen sich einige Merkmale, die faschistischen Bewegungen gemeinsam sind, auch in anderen Kontexten und nicht-faschistischen Staatsformen und Regimes finden. So waren einige Regierungen, die in Afrika als Ergebnis antiimperialistischer Befreiungskämpfe entstanden sind, aufgrund der führenden Rolle der Militärbürokratie militärisch geprägt. In diesen Ländern wurden ebenfalls Einparteienregime errichtet. Diese waren jedoch nicht faschistisch, sondern entsprachen autoritären Staatsformen, die auf einer einzigen Partei basierten. Eine typische Form dieser formalen Betrachtung des Faschismus findet sich in der Literatur zum Totalitarismus.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Faschismus unterschiedliche nationale Formen und Ausprägungen annimmt. Was ihn jedoch zum Faschismus macht, was ihm sein „Wesen“ verleiht, ist die kapitalistische Produktionsweise, in der er sich herausgebildet hat: die extremste und terroristischste Form der Herrschaft der monopolistischen Bourgeoisie unter imperialistischen Bedingungen.

Die klassenbasierte Analyse des Faschismus bestimmt auch die grundlegenden Aspekte des Kampfes gegen ihn. Im Kampf gegen den Faschismus verteidigt die Arbeiterklasse gemeinsam mit ihrer Partei die demokratischen Rechte und Freiheiten bürgerlicher Art. Ihr Horizont und ihr Ziel sind jedoch nicht auf den bürgerlich-demokratischen Staat beschränkt. Das bedeutet nicht, dass Bündnisse mit bürgerlich-demokratischen Kräften oder Reformisten im Kampf gegen den Faschismus abgelehnt werden. Sie zeigen jedoch die Grenzen dieser Bündnisse auf und kritisieren deren bürgerlich-inkonsequente Linie. Unabhängig davon, um welche Bündnisse es sich handelt, organisieren und stärken sie ihre eigene unabhängige revolutionäre Linie. Die bürgerliche Opposition kann den Faschismus zwar zurückdrängen und auflösen, begnügt sich jedoch mit einem Kompromiss zwischen den verschiedenen bürgerlichen Fraktionen. Ein Kampf unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei bzw. ihres Programms betrachtet den Kampf gegen den Faschismus hingegen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Monopole. Er kann den Faschismus an der Wurzel ausrotten, die faschistischen Mörder vor Gericht stellen und demokratische Rechte und Freiheiten für die Werktätigen wirklich nutzbar machen. Dies erfordert, den Kampf gegen den Faschismus mit einer revolutionären Perspektive zu verbinden.

[1] Reich, W. (1979): Übersetzt aus dem Türkischen: Faşizmin Kitle Ruhu Anlayışı, 2. Auflage, Payel Verlag, İstanbul, S. 11-12.

[2]  Reich, W. (1979): Übersetzt aus dem Türkischen: Faşizmin Kitle Ruhu Anlayışı, 2. Auflage, Payel Verlag, İstanbul, S. 12.

[3] Im 15. Jahrhundert, insbesondere in Italien, hatten in den Stadtstaaten, deren Hauptwirtschaftszweig der Handel war, reiche Kaufmannsfamilien ohne jeglichen religiösen Bezug die politische Macht inne. Eine religiöse Erklärung für diese Art der Herrschaft war nicht möglich. Es ist daher kein Zufall, dass die ersten säkularen Analysen des Ursprungs von Herrschaft in Italien durchgeführt wurden. Mit seinen Warnungen über die Wege und Methoden der Herrschaft in seinem Buch „Der Fürst“ lieferte Niccolò Machiavelli die erste umfassende Analyse, die als Beginn der Politikwissenschaft gilt.

[4] Hobbes und andere Theoretiker des Gesellschaftsvertrags behaupteten nicht, dass es einen „Naturzustand” tatsächlich gibt. Dies war ein konzeptionelles Instrument, um die Grundlagen der Herrschaft zu erklären. Da diese Annahme jedoch auch den Rest der Theorie bestimmte, wurde sie von späteren Denkern kritisiert.

[5] Hobbes, T. (1993): Übersetzt aus dem Türkischen: Leviathan, Yapı Kredi Verlag, İstanbul, S. 94.

[6] Aydın, Bülent (2019): Übersetzt aus dem Türkischen: „Toplumsal Sözleşme Teorilerinin Marx ve Foucault Temelli Eleştirisi“, Liberal Düşünce Dergisi, 94. Ausgabe, S. 70.

[7] Hobbes, T. (1993): Übersetzt aus dem Türkischen: Leviathan, Yapı Kredi Verlag, İstanbul, S. 131-136.

[8] Tunçay, Mete (1969): Übersetzt aus dem Türkischen: Siyasal Düşünceler Tarihi–2, Ankara Universität, Fakultät für Politikwissenschaften, Ankara, S. 164.

[9]  [9] Locke, J. (2002) Two Trealises of Government, Cambridge University Press, Cambridge, S.288.

[10] Aydın, Bülent (2019): Übersetzt aus dem Türkischen: „Toplumsal Sözleşme Teorilerinin Marx ve Foucault Temelli Eleştirisi“, Liberal Düşünce Dergisi, 94. Ausgabe, S. 73.

[11] Die Vertrags-Theorie von Jean-Jacques Rousseau ist trotz ihrer Originalität, die der Ungleichheit der Menschen Rechnung trägt, Gegenstand ähnlicher Kritik.

[12] Abeles, M. (2012): Übersetzt aus dem Türkischen: Devletin Antropolojisi, Dipnot Verlag, Ankara, S.32.

[13]  Abeles, M. (2012): Übersetzt aus dem Türkischen: Devletin Antropolojisi, Dipnot Verlag, Ankara, S.34.

[14]  Marx, K. ve F. Engels (2008): Übersetzt aus dem Türkischen: Alman İdeolojisi, Sol Verlag, Ankara, S. 23. 

[15] Marx, K. (2016): Übersetzt aus dem Türkischen: Louis Bonaparte’nin On Sekiz Brumaire’i, İletişim Verlag, İstanbul, S. 145.

[16] Marx, K. (1979): Übersetzt aus dem Türkischen: Ekonomi Politiğin Eleştirisine Katkı, 4. Auflage, Sol Verlag, Ankara, S. 25.

[17]  Marx, K. (1979): Übersetzt aus dem Türkischen: Ekonomi Politiğin Eleştirisine Katkı, 4. Auflage, Sol Verlag, Ankara, S. 25.

[18]  Guerin, D. (2014): Übersetzt aus dem Türkischen: Faşizm ve Büyük Sermaye, Habitus Kitap, İstanbul, S.36.

[19] Bauer, O. (2018): übersetzt aus dem Türkischen: “Faşizm”,aus „Faşizm ve Kapitalizm“, Ayrıntı Verlag, İstanbul, S. 82 & 86-7.

[20]  Guerin, D. (2014): Übersetzt aus dem Türkischen: Faşizm ve Büyük Sermaye, Habitus Kitap, İstanbul, S.38.

[21]  Guerin, D. (2014): Übersetzt aus dem Türkischen: Faşizm ve Büyük Sermaye, Habitus Kitap, İstanbul, S.42.

[22] Kuczynski, J. (1979): Übersetzt aus dem Türkischen: Nazi Yönetimi Altında İşçi Sınıfı ve Çalışma Koşulları, Bilim Verlag, İstanbul, S. 49.

[23] Visocchi-Dekret vom 2. September 1919.

[24] Guerin, D. (2014): Übersetzt aus dem Türkischen: Faşizm ve Büyük Sermaye, Habitus Kitap, İstanbul, S.38.

[25]  Guerin, D. (2014): Übersetzt aus dem Türkischen: Faşizm ve Büyük Sermaye, Habitus Kitap, İstanbul, S.42.

[26] Lyttelton, Adrian (2008): The Seizure of Power: Fascism in Italy, 1919–1929, Routledge, New York, S. 75–77.