Am 25. Januar brachte eine Londoner Boulevardzeitung die Schlagzeile „Das Land braucht dich, um gegen Putin zu kämpfen“. Der Artikel berichtete über den als „Warnung“ genannten Aufruf des britischen Generalstabschefs, General Patrick Sanders, der mit „Sir“ betitelt wird. Der Generalstabschef stand zweifellos im Mittelpunkt aller Medien. Der Chef der britischen Armee forderte die Gründung einer „freiwilligen Bürgerarmee“ unter Verweis auf den Aufruf „Das Land braucht dich“ von Lord Kitchener. Dieser verlor als britischer Kriegsminister im ersten imperialistischen Krieg auf dem Weg nach Russland zum Gespräch mit Zar Nikolaus II. sein Leben, nachdem sein Kriegsschiff vor der Küste Schottlands auf eine deutsche Mine traf und sank.
Der General erklärte, dass „in den nächsten drei Jahren über einen Zuwachs von 120.000 Soldaten in der Reserve und in den strategischen Reserven der britischen Armee gesprochen werden wird“ und dass „eine Initiative, die die gesamte Nation umfasst, notwendig ist“. Er betonte, dass „die Ukraine deutlich gezeigt hat, dass Kriege von regulären Armeen begonnen, aber von Bürgerarmeen gewonnen werden“ und dass Schritte in diese Richtung dringend erforderlich seien.
Das ist auch nicht ganz grundlos: Die Stärke der britischen Armee, die im Jahr 2010 noch 100.000 betrug, liegt heute bei 73.000. Dabei wurde die Stärke der Armee mit der Einführung der Wehrpflicht in Großbritannien im Januar 1916 und mit der Verabschiedung eines Gesetzes im September 1939, das die Einberufung aller Männer im Alter von 18 bis 41 Jahren, die keine kriegswichtigen Berufe ausübten, vorsah, erhöht und erreichte mit der Einberufung von Frauen in die Kriegsindustrie und in Nebenzweige im Jahr 1941 ihren Höhepunkt. Nach dem Sieg wurde die Wehrpflicht 1949 auf 18 Monate für Männer im Alter von 18 bis 26 Jahren beschränkt, und 1963 wurde die „Wehrpflicht“ abgeschafft, um zu einer Berufsarmee überzugehen. Nun aber, so der General, ist diese Organisation und Stärke der Armee wieder unzureichend.
Der „Sir“ Generalstabschef ist nicht allein. Im Februar erklärte der ehemalige Verteidigungsminister Ben Wallace, dass „die Welt aufgrund des Ukrainekriegs definitiv gefährlicher, instabiler und unsicherer geworden“ sei und dass „unabhängig davon, ob kalt oder heiß, der Krieg innerhalb der nächsten zehn Jahre vor unserer Tür stehen wird. Wir müssen vorbereitet und ausgerüstet sein.“ Der neue Verteidigungsminister Grant Shapps warnte kurz vor dem Generalstabschef, dass „die Welt an der Schwelle zu einer neuen Vorkriegszeit steht und die westlichen Länder in den nächsten fünf Jahren mit neuen Konflikten mit China, Russland, Iran und Nordkorea rechnen müssen.“ Daraufhin mahnte der Verteidigungsausschuss des Unterhauses im Februar, „dass mehr Soldaten die Armee verlassen, als aufgenommen werden, und dringend gehandelt werden muss.“
Seit über zwei Jahren findet das Säbelrasseln in Europa kein Ende. Großbritannien ist nicht der einzige große imperialistische Staat, der den Krieg durch Waffen- und Munitionslieferungen an die ukrainische Reaktion anheizt. Wie China und Russland ignorieren auch ihre imperialistischen Rivalen in ihren Ländern die Forderungen der streikenden Arbeiter angesichts steigender Arbeitslosigkeit und Inflation, unterstützen die Ukraine durch die Finanzierung ihrer Aufrüstung und geben darüber hinaus weitere Milliarden für die eigene Aufrüstung aus.
Deutschland beispielsweise weicht in seinen Erklärungen nicht von dieser Linie ab. Verteidigungsminister Pistorius warnte zeitgleich mit dem britischen Verteidigungsminister im Januar, dass Russland in fünf bis acht Jahren die NATO angreifen könnte und dass sich die Europäische Union auf den Krieg vorbereiten müsse. Er betonte, dass die Bedrohungen durch Russland in den nächsten zehn Jahren zunehmen werden, rief die europäischen Länder dazu auf, ihre Verteidigungsindustrie zu stärken und betonte auch die Notwendigkeit, die „Drohungen [Russlands] gegen die baltischen Staaten, Georgien und Moldau sehr ernst [zu] nehmen.“ Zudem erhöhte Deutschland nicht nur das Kriegsbudget unter dem Vorwand der „Kriegstüchtigkeit“, sondern plant auch die Stationierung einer neuen Panzerbrigade in Litauen. Pistorius kündigte an, dass Deutschland ein Abkommen unterzeichnen werde, um 4.800 deutsche Soldaten in Litauen zu stationieren, und erklärte, dass Deutschland „mit dieser kriegstüchtigen Brigade eine Führungsverantwortung im Bündnis an der NATO-Ostflanke“ übernehmen werde.
Die USA stehen keinem Land nach. Gemeinsam mit Großbritannien bombardierten amerikanische Flugzeuge wiederholt den Jemen. Und wieder gemeinsam mit diesem Land sind sie die eigentliche Macht hinter Israel, das einen Völkermord am palästinensischen Volk verübt. In Afghanistan und dem Irak, das sie „nach Gottes Willen angegriffen“ haben, haben sie das Blut von mindestens einer Million Menschen vergossen. Sie bombardierten Libyen und stürzten Gaddafi, was das Land in Stammeskriege versinken ließ. Jahrelang bombardierten sie Syrien, in das es unter dem Vorwand des „Giftgaseinsatzes“ Truppen geschickt hatte. Und es ist zusammen mit Russland der eigentliche Schuldige der mittlerweile zweijährigen russischen Invasion und des anhaltenden Krieges auf ukrainischem Boden.
Die unter der Schirmherrschaft der USA stehende NATO führt in diesem Jahr das größte Manöver seit dem großen Manöver im Jahr 1988 durch, an dem 90.000 Soldaten teilnehmen. Falls Schweden hinzukommt, werden 32 Länder an der Übung „Steadfast Defender 2024“ teilnehmen, die hauptsächlich in Deutschland, Polen und den baltischen Staaten abgehalten wird und die Fähigkeit zur Truppenverlegungsfähigkeit von Nordamerika nach Europa und die Kriegspläne gegen Russland auf die Probe stellen soll. Es besteht kein Zweifel daran, dass die NATO auch den laufenden Krieg in der Ukraine als eine reale Übung für einen zukünftigen Krieg gegen Russland betrachtet, bei der Kommando- und Kontrollstrukturen, Satelliten- und lasergelenkte Raketen, Panzer, Artillerie und Manöver getestet werden.
Andererseits haben die USA, die bereits ein Embargo gegen den Handel mit China insbesondere bei Chips und Halbleitern sowie anderen hochtechnologischen Produkten mit militärischem Wert verhängt haben, den „Handelskrieg“ ausgeweitet, indem sie die EU zwangen, sich ihnen anzuschließen.
Länder wie Israel, der Iran, Indien und die Türkei versuchen, die zunehmenden Spannungen als Gelegenheit für die eigene Expansion zu nutzen, und tragen so zur Steigerung der Kriegsfaktoren bei. Israel stützt sich auf den USA-Großbritannien-EU-Block, während Iran sich auf den China-Russland-Block verlässt. Indien, Saudi-Arabien und die Türkei stehen zwar eher einem Block nahe, versuchen aber, die durch die Blockbildung in zwei Lagern entstehenden Widersprüche zwischen den Imperialisten auszunutzen, um ihre eigenen „nationalen“ Interessen zu verwirklichen.
Kurz gesagt, wir erleben eine Zeit, in der der imperialistische Wettbewerb und die Konflikte um die Aufteilung der Welt zunehmen, was die politische Reaktion, sowie Militarismus und Nationalismus verstärkt. Diese Bedingungen sind nicht nur auf eine bestimmte Region der Welt beschränkt, sondern umfassen den gesamten Planeten und haben sich international aufgezwungen.
Während es früher in Afrika immer wieder zu großen ethnischen Konflikten kam oder im Nahen Osten blutiges Chaos herrschte, konnten beispielsweise Nordamerika, Europa und Japan von den Entwicklungen, die Millionen von Menschen das Leben kosteten, unbekümmert ihr „normales“ Leben führen. Heute haben sich die Widersprüche und Konflikte zwischen den großen imperialistischen Mächten verschärft, und die Welt steuert auf eine Auseinandersetzung zu, in der die neue Aufteilung ausgefochten wird. Und alles geschieht so offen, dass es des Beispiels der Zahlen über die steigenden Militärausgaben der großen imperialistischen Staaten nicht mehr als Beweis für die Richtung der Entwicklung bedarf.
Der Militarismus zeigt sich nicht nur in der weltweiten Expansion des militärisch-industriellen Komplexes, der auf Hochtouren produziert und ausgeweitet wurde, sondern wird auch von den imperialistischen und den kollaborierenden Bourgeoisien bis in jede Pore der Gesellschaft hinein organisiert. Es geht nicht nur darum, die Bevölkerungen an den Lärm von Kriegen wie in der Ukraine zu gewöhnen; sondern, im Zusammenhang mit dem Aufstieg der politischen Reaktion und des Nationalismus, im Anstieg von Jugendcamps mit offen oder verdeckter militärischer Ausrichtung; in der Zunahme von Organisationen wie Polizeieinheiten, Gendarmerie, Wachdiensten und Dorfwachen, in der Ausweitung der Befugnisse der Polizei und in der allmählichen Umwandlung von vermeintlich „demokratischen“ Ländern wie Deutschland und Großbritannien in Polizeistaaten; in der Zunahme der Befugnisse, Anzahl und „Mitarbeiterzahl“ privater Sicherheitsdienste nebst dem Berufssoldatentum; in der außerordentlichen Entwicklung der Mafia, die eng mit dem Staat verflochten ist; in der Verbreitung von Gewalt durch Filme und Serien, die eine allgemeine Tendenz zur Gewalt befördern, wobei Frauen, Gesundheits- und Bildungsberufe direkt betroffen sind und die Polizeigewalt gegen die gesamte Bevölkerung zunimmt. Durch all dies werden der offen zutage tretende Militarismus und die reaktionäre Neigung zur Gewalt organisiert. Fremden- und Migrantenfeindlichkeit nehmen in Verbindung mit der Verherrlichung des Nationalismus in allen staatlichen Institutionen, von Schulen, Behörden und Stadtteilen, bei der Polizei, in den Gerichten und zunehmend sogar bei den Sozialdiensten, als auch bei den staatlichen Maßnahmen in ihrer Diskriminierung aufgrund von Ethnie, Hautfarbe, Sprache usw. zu.
Während der Aufstieg von Militarismus und Nationalismus beschleunigt wird, nehmenauch die Schaffung reaktionärer Gesetze und, wie in vielen Ländern bereits üblich, Dekrete zu. Als Beispiel reicht es aus, an das jüngste Antistreikgesetz in Großbritannien, der „Wiege der Demokratie“, zu erinnern, das darauf abzielt, Streiks zu verunmöglichen. Nachdem streikenden Arbeitern halbjährliche Streikabstimmungen auferlegt wurden, verabschiedete die britische Bourgeoisie ein Gesetz, das eine so große Anzahl von Arbeitern während eines Streiks zur Arbeit zwingt, dass Streiks praktisch bedeutungslos werden und Produktion und Dienstleistungen fast ungestört fortgesetzt werden können. Solche Gesetze reaktionärer bürgerlicher Regierungen wirken nicht nur der Entwicklung gesellschaftlicher Opposition entgegen, sondern stärken die politische Reaktion und ebnen den Weg für den Faschismus, wie wir es im vergangenen Jahrhundert in Ländern wie Deutschland gesehen haben.
Imperialismus, Reaktion, Militarismus und das Schüren von Nationalismus
Lenin sagte einmal: „Politisch ist Imperialismus überhaupt Drang nach Gewalt und Reaktion.“[1]
Auch ist bekannt, was Lenin über den Imperialismus sagte, nämlich dass dieser, unabhängig davon, ob die politischen Systeme der Länder demokratisch sind oder nicht, in allen Bereichen eine reaktionäre und freiheitsfeindliche Bewegung darstellt, die unversöhnliche Gegensätze, Klassen- und nationale Unterdrückung sowie Tyrannei verstärkt:
„Der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überallhin den Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen. Reaktion auf der ganzen Linie, gleichviel unter welchem politischen System, äußerste Zuspitzung der Gegensätze auch auf diesem Gebiet – das ist das Ergebnis dieser Tendenzen. Insbesondere verschärfen sich auch die nationale Unterdrückung und der Drang nach Annexionen, d.h. nach Verletzung der nationalen Unabhängigkeit.“[2]
Der Imperialismus, der dadurch gekennzeichnet ist, dass das Finanzkapital, das Industriekapital und die Monopole den freien Wettbewerb ersetzt haben, führt dazu, dass neue unversöhnliche Widersprüche, auf denen der Kapitalismus beruht, hinzukommen und diese verschärft werden. In der Politik äußert sich dies einerseits in einer Zentralisierung und andererseits in monopolistischem Zwang und Diktatur, wodurch reaktionäre Tendenzen eine dominierende Stellung einnehmen. Andererseits führt der Kapitalexport als eine der ergänzenden Charakteristika des Imperialismus, zusammen mit der Notwendigkeit, die wirtschaftlich und territorial aufgeteilte Welt neu aufzuteilen, dazu, dass sich diese Tendenzen über den ganzen Planeten ausbreiten und universal werden. Daher ist es nicht überraschend, dass sich die Widersprüche zwischen den Imperialisten verschärfen, Kriege und Kriegsvorbereitungen zunehmen und der Militarismus sowie die politische Reaktion, Gewalt und faschistische Tendenzen weltweit zunehmen.
Imperialismus als nationale Gewalt, Unterdrückung, Abhängigkeit und Annexionstendenz ist zugleich die Aufteilung der Welt in unterdrückende und unterdrückte Nationen, und der Widerspruch zwischen dem Imperialismus und den unterdrückten Völkern der Welt führt zum Aufstieg von nationalem Erwachen und Befreiungsbewegungen.
Der Imperialismus, die Herrschaft des Finanzkapitals und der Monopole, verschärft den Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital, indem er den Rückgang der Profitraten durch zusätzliche Monopolgewinne ausgleicht, die auf Kosten der Arbeiterklasse und aller Werktätigen der Welt erzwungen werden. Diese Erzwingung erfolgt durch Methoden wie die Verlängerung des Arbeitstages, die Übertragung der Arbeit mehrerer Personen auf eine einzige, die Auferlegung von Unsicherheit bei Arbeitszeiten und -tagen, genannt „flexible Arbeit“, niedrige Löhne, die Erhöhung indirekter Steuern und die Abwälzung der Inflationslast, was letztlich zu einem Rückgang der Reallöhne führt. Wir wurden vor der Pandemie Zeugen von dieser Verschärfung in Form der Zunahme der Aggressivität des Kapitals gegenüber der Arbeit und des Aufschwungs der Arbeiterbewegung weltweit.
Während weltweit die monopolistische Ausbeutung, Plünderung und Tyrannei durch neoliberale Maßnahmen immer rücksichtsloser wird, kam es in Indien zu einem Generalstreik mit 250 Millionen Teilnehmern, in Sudan wurde der religiös-faschistische Al-Bashir durch einen Volksaufstand gestürzt, in Frankreich setzte sich der Kampf der „Gelbwesten“ das ganze Jahr über fort, die Proteste in Ecuador zwangen die Regierung, aus der Hauptstadt zu fliehen, und in Algerien verhinderten weit verbreitete Proteste die erneute Kandidatur und Wahl von Bouteflika; im Irak, Chile, Libanon, Aserbaidschan, Guinea, Katalonien … gab es Massenproteste mit teilweise Millionen von Teilnehmern. Die Proteste, die vor der Pandemie abgeflaut waren, einige von ihnen hatten sich zu Aufständen entwickelt, nahmen nach der Pandemie wieder zu. Während in Indien der Generalstreik wiederholt wurde, hatten Millionen von Bauern in der Hauptstadt, die sie beinahe besetzt hatten, ein Lager errichtet und protestierten monatelang gegen die Agrarpolitik der Regierung. In den USA kam es zu Streiks bei Amazon, Whole Foods und General Electric. Die Streikwelle, die 2022 begann, setzte sich 2023 fort und erfasste England und viele andere europäische Länder, während in den USA ein lang andauernder Automobilstreik stattfand. In Frankreich dauerten die Streiks und Proteste gegen die Anhebung des Rentenalters monatelang an. Solche Ereignisse waren in den imperialistischen Zentren seit Jahrzehnten nicht mehr zu beobachten.
Aber das war nicht alles. Ein Aufstand in Kasachstan scheiterte, einer in Sri Lanka verjagte den Präsidenten aus dem Land. In Chile führten die Proteste zur Bildung einer linksliberalen Regierung, während die Massenproteste in Ecuador 18 Tage andauerten. In Burkina Faso kam es im September 2022 zu einem zweiten Putsch, nachdem es Massenproteste gegen den ersten Putsch zu Beginn des Jahres gegeben hatte. In Brasilien musste der faschistische Präsident Bolsonaro nach seiner Wahlniederlage in die USA fliehen, im Iran dauerten die landesweiten Proteste nach der Ermordung von Mahsa Amini das ganze Jahr über an und konnten nur durch Hinrichtungen unterdrückt werden.
In einigen Ländern führte die unverhohlene neoliberale Aggressivität des Kapitalismus, die durch Arbeitslosigkeit, neben weltweit hoher Inflation steigenden Wohn-, Heiz- und Transportkosten sowie erheblichen Preissteigerungen bei Energie und Grundnahrungsmitteln, intensive Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen sowie den anhaltenden Rückgang der Reallöhne verschärft wurde, zu einem Aufschwung der Arbeiter- und Volksbewegungen.
Es ist bekannt, dass der Imperialismus versucht, den Klassenkampf zu beruhigen, indem er Krümel aus der Plünderung der neokolonial abhängigen Länder verteilt und sich auf die Arbeiteraristokratie und Gewerkschaftsbürokratie stützt, die er vor allem in den imperialistischen „Mutterländern“ als kleinbürgerliche Schicht der Arbeiterklasse geschaffen hat. Allerdings machen 1) die Abkehr von den nach der Aufhebung des Widerspruchs zwischen sozialistischen und kapitalistischen Ländern nach der Wende insbesondere in der UdSSR und dem Zurückfallen des Sozialismus überflüssig gewordenen, besänftigenden „Sozialstaats“-Maßnahmen 2) die im Zusammenhang mit diesen beiden Punkten allgemeine Einführung verschiedener flexibler Arbeitsmethoden im Rahmen der neoliberalen Aggressivität 3) die Verschärfung der Widersprüche im Kampf zwischen den Imperialisten um die Neuaufteilung der Welt, die die Beutegebiete einzelner imperialistischer Länder begrenzt, während die zunehmenden Ausgaben für Rüstung und Kriegsvorbereitungen immer mehr Mittel verschlingen und 4) die zunehmend schwerwiegenderen Lasten und Zerstörungen der Krisen des Kapitalismus, denen sich die Imperialisten nicht entreißen können, aber auf die die Maßnahmen, die die Monopole und monopolistischen Staaten mit zunehmenden Einflussmöglichkeiten auf die Wirtschaft zur Abmilderung vorheriger Probleme ergreifen – deren Kern die Abwälzung der Lasten auf die arbeitenden Massen bilden –, aufgrund dessen, dass sie neue zerstörerische Potenziale vermehren und die Krisenfrequenz erhöhen, eine verstetigende Wirkung haben; 5) die seit 2022 anhaltenden Preissteigerungen, die Last der Inflation, niedrige Löhne und lange, schlechte Arbeitsbedingungen es äußerst schwierig, die Kämpfe der Werktätigen zu beruhigen.
Je unaufhaltsamer der Aufstieg der Arbeiter- und Volksbewegung wird, desto mehr wird das „Vakuum“, das durch die abnehmende versöhnliche/beruhigende Wirkung der Arbeiteraristokratie und der Gewerkschaftsbürokratie, die weiterhin eine gewisse beschwichtigende Rolle einzunehmen schafft, entsteht, aufgefüllt durch die zunehmende direkte Positionierung der Gewerkschaftsbürokratie auf Seiten der Kapitalisten, beispielsweise bei der Entlassung kämpferischer Arbeiter, sowie durch die verstärkte Verabschiedung reaktionärer Gesetze, die Zunahme der Befugnisse, Eingriffe oder Aggressionen der „Sicherheits“kräfte, die wachsende Bedeutung der „Terror“– und „Terrorismus“-Rhetorik, die Verleumdung kämpfender Arbeiter und Werktätiger als „Terroristen“, die zunehmende Förderung und Unterstützung reaktionärer faschistischer Organisationen, an denen in normalen Zeiten kein Bedarf besteht, kurz gesagt, durch den Einsatz der „Knute“, die Ausbreitung von offizieller und inoffizieller Gewalt und Macht.
Der Bedarf an Nationalismus als Realität und Täuschung
Die Beruhigung der Arbeiter- und Volksbewegung kann jedoch nicht nur durch den Einsatz von Gewalt oder reaktionärer Brutalität erreicht werden, wie Napoleon sagte: „Mit Bajonetten kann man alles erreichen, aber nicht darauf sitzen.“ Neben dem „Einsatz der Knute“ und politischer Reaktion erfordert auch Militarismus und die Erhöhung der Rüstungsausgaben die Schaffung eines bestimmten gesellschaftlichen Bedürfnisses sowie die Gewährleistung zumindest einer gewissen Zustimmung der Gesellschaft. In einer Zeit, in der die Verarmung immer weiter um sich greift, einschließlich der mittleren Schichten, deren Einkommen sinkt, und in der die Arbeiter aufgrund steigender Inflation, Steuern und Preise, niedriger Löhne und insbesondere Arbeitslosigkeit noch mehr gebückt werden, was zu neuem Suchen und Kampftendenzen führt, ist es nicht einmal leicht, unbewusste Arbeiter von Maßnahmen wie Anti-Streik-Gesetzen oder erhöhten Rüstungsausgaben zu überzeugen. An diesem Punkt tritt der Nationalismus als ein wichtiger Hebel hervor.
Die wahre Grundlage für den Bedarf der Monopole nach dem Nationalismus sind die zunehmenden Kriegsvorbereitungen und Aufrüstungsbedürfnisse der imperialistischen Staaten aufgrund zwischen ihnen entstehender Widersprüche und der Intensivierung der Kämpfe um die Neuaufteilung der Welt. Auch wenn ihre Herrschenden längst internationalisiert sind, besteht die Rivalität und der Konflikt hauptsächlich zwischen den noch immer konkurrierenden Nationalitäten USA und Russland sowie USA und China.
Doch um die von immer schlechteren Arbeits- und Lebensbedingungen sowie ständig steigenden Energie- und Lebensmittelkosten betroffenen, ausgebeuteten Massen, während beispielsweise ihren Forderungen nach Lohnerhöhungen nicht entsprochen wird, für die Erhöhung der Rüstungs- und Kriegsausgaben zu gewinnen, erfordert es nebst anderen Dingen und allen voran, eine ständige Steigerung der nationalistischen Propaganda, um diese Massen zu vergiften und zu täuschen. Ja, es geht um Vergiftung und Täuschung, denn die ausgebeuteten Massen haben kein Interesse daran, dass ihre „eigenen“ monopolistischen Kapitalisten mit den konkurrierenden Monopolen abrechnen und ihren Anteil an der Plünderung der Welt ausbauen.
Der Nationalismus ist, wenn wir von unterdrückten Nationen und im Falle einer gewissen revolutionären Haltung ihrer Bourgeoisien gegen den Imperialismus sprechen, täuschenden Inhaltes, denn trotz einer Reihe gemeinsamer Interessen, hat die Bourgeoisie den Bedarf, ihre eigenen Völker in die Irre zu führen.
Die AfD als Beispiel für den Aufstieg der extremen Rechten und des Nationalismus
Der Aufstieg der AfD in Deutschland ist ein ernstes Beispiel und ein Anzeichen für das wachsende Bedürfnis nach politischer Reaktion, Militarismus und Nationalismus unter den Bedingungen des monopolistischen Kapitalismus. Der Aufstieg der extremen Rechten und des Faschismus, der Nationalismus und insbesondere Fremdenfeindlichkeit nutzt, findet in dem Aufstieg dieser Partei in Deutschland eines seiner deutlichsten Beispiele.
Die AfD ist noch keine Partei, um die sich die deutschen Monopole versammeln, oder die von einigen dieser Monopole unterstützt wird. Sie besteht außerdem aus verschiedenen Gruppen und ihre Ansichten sind weder flexibel noch vollständig ausgereift. Aber Tatsache ist, dass sie jene Ansichten, deren Ecken und Kanten klar erkennbar sind, als auch ihre allgemeine Herangehensweise bereits jetzt als Programm den Monopolen anbietet. Die Entstehung radikaler Programme, die zunächst nicht von den Monopolen akzeptiert werden, weil sie noch nicht benötigte Ansichten und Herangehensweisen zusammentragen, ist einem Land wie Deutschland nicht fremd. Auch Hitlers Ansichten und seine Partei fanden nicht sofort die Unterstützung der Monopole, sondern wurden eine Zeit lang lediglich als „Rammbock“ gegen die aufstrebende Arbeiterbewegung genutzt, und wurden sogar, als der Kapitalismus einigermaßen stabil wurde, „in Reserve“ gehalten. Nach und nach wurde sie zuerst von bestimmten Monopolen unterstützt, woraufhin sich die Monopole um das faschistische Programm vereinigten. Auch die AfD ist eine Partei, die unter den im Vergleich zur Vergangenheit relativ „milden“ Bedingungen des Klassenkampfes wächst, indem sie sich mit rechtsextremen Ansätzen organisiert, die die Interessen der Monopole verteidigen, damit sich diese in Zukunft um sie vereinen, und dessen Massenunterstützung zunimmt.
Die Massenreaktionen auf den Aufstieg dieser Partei, deren im Hintergrund und einige im Vordergrund befindlichen Organisatoren Faschisten sind, trotz ihrer Bemühungen, offiziell keine offen faschistischen Botschaften zu senden, um nicht abschreckend zu wirken und keine Gegenreaktion und Ausgrenzung hervorzurufen, sind sowohl ein Beweis für den Aufstieg der extremen Rechten als auch dafür, dass die Gefahr, die dieser Aufstieg darstellt, trotz unterschiedlicher Herangehensweisen und Haltungen weder unterschätzt wurde noch wird.
Abgesehen von den kleinen und großen Demonstrationen der letzten Jahre begannen die ersten Massenproteste gegen die von der AfD ausgehende Gefahr Mitte Januar mit denen in Duisburg und Potsdam. Danach folgte die eigentliche Welle: Eine Woche später überstieg die Teilnehmerzahl der Demonstrationen in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Köln, Hannover, Bremen und vielen anderen Städten drei Millionen. Angesichts des relativ ruhigen politischen Umfelds in Deutschland wird die Größe dieser Aktionen allen voran gegen die AfD als auch gegen den Rechtsextremismus und den Faschismus deutlich.
Die Deutlichkeit und Verbreitung des Vergleichs mit dem Hitler-Faschismus, die Bezugnahme auf die massenvernichtende/genozidale Natur des Faschismus, die die vergangene Diktatur gezeigt hat, das Tragen von Plakaten und das Skandieren von Slogans wie „Nie wieder ist jetzt“ auf den Demonstrationen zeigen, dass das Volk in Deutschland nicht nur die Gefahr erkannt hat, sondern auch dabei ist, eine massenhafte antifaschistische Haltung zu entwickeln.
Rechtsextreme, faschistische Organisationen gab es in diesem Land schon zuvor. Die NPD wurde von Personen wie Nazi-Offizieren gegründet und machte fast offen Nazi-Propaganda, sehnte sich nach der NSDAP Hitlers. Der NSU organisierte sich als eine geheime und bewaffnete Gruppe im Wissen und unter der Leitung des deutschen Geheimdienstes und ermordete neun Migranten. Während nichts anderes möglich war, als den NSU und seine Mitglieder aufgrund ihrer Morde vor Gericht zu stellen, musste Anfang dieses Jahres auch das Bundesverfassungsgericht die staatliche Unterstützung der NPD aufgrund ihres Extremismus einstellen. Auch gibt es hierzulande rechtsextreme rassistische Organisationen wie die in Frankreich gegründete und sich über Europa ausbreitende Identitäre Bewegung, die in den USA und Großbritannien gegründeten und auch in Deutschland organisierten AWD und Combat18. Weil sie es als problematisch empfanden, sich diesen bereits stigmatisierten und isolierten Organisationen anzuschließen, haben sich viele ihrer Anhänger und Sympathisanten, mit ihren Organisationen im Gepäck, gemeinsam mit zuvor in einflussreichen staatlichen Positionen tätigen Personen mit faschistischer Neigung der AfD angeschlossen.[3]
Die AfD ist eine neue Partei. Das bedeutet, dass sie eine Partei ist, die sich in normalen Zeiten nicht im bürgerlichen parlamentarischen System etablieren konnte, aber auf die politische Bühne getreten ist und wächst, seitdem das Regime mit seinen „Mitte-Rechts“ und „Mitte-Links“ Vertretern, die seit langer Zeit die eigentlichen Organisationen der Monopole sind, auf gewisse Engpässe trifft. Ähnlich wie die NSDAP wächst sie, indem sie das „System“, die „Systemparteien“ und die Mängel des Systems kritisiert/enthüllt. Sie wurde 2013 mit den Euro ablehnenden, liberal-nationalistischen Ansichten gegründet; insbesondere durch ihre radikale, mit Islamophobie gegen die absolute Mehrheit der Migranten gerichtete Ablehnung des als „Flüchtlingskrise“ betitelten Migrationsstromes, der im Jahr ihrer Gründung begann und 2015 mit 1,8 Millionen Menschen ihren Höhepunkt erreichte, stieg sie auf und erreichte Massenunterstützung. 2014 zog sie ins EU-Parlament und 2017 nach Überwindung der Fünf-Prozent-Hürde (mit 12,6 %) in den Deutschen Bundestag ein. Bei den Wahlen 2019 wurde sie in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen mit 27,5 %, Sachsen-Anhalt mit 24,3 %, Brandenburg mit 23,5 % und Thüringen mit 23,4 % zur zweitstärksten Partei. Wenn auch nicht rasant, setzte die AfD ihren Aufstieg auch bei den Wahlen 2021 fort, und ihre Stimmen liegen nun in Umfragen bundesweit zwischen 18-20 %, während sie in Ostdeutschland bei 30-32 % liegen.
Die Nazis begannen ihren Aufstieg bekanntermaßen in einem Deutschland, dem nach seiner Niederlage im ersten großen Krieg, den es angezettelt hatte, um mit Waffengewalt einen Anteil am imperialistischen Beutetisch, an dem es spät teilnahm, zu erhalten, durch den Versailler „Friedensvertrag“ schwere Sanktionen wie der Konfiszierung nicht nur ihrer Kolonien sondern auch ihres eigenen Bodens wie dem Ruhrgebiet, Lothringen und Oberschlesien, sowie massive Reparationszahlungen und Abrüstung aufgezwungen waren. Sie nahmen, nachdem ihr Zuwachs in den Zeiten, als die Wirtschaft halbwegs stabil war, stagnierte, nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 an Fahrt auf und kamen an die Macht. Die Zerstörung durch den Krieg und später durch die Wirtschaftskrise machte sich vor allem im Zusammenbruch der Wirtschaft und in der Verschlechterung der Lebensbedingungen bemerkbar. Eines der ziehenden Hauptargumente der demagogischen Propaganda der Nazis war – ohne ihre Fundamente, die Herrschaft des Kapitals und die Mehrwertproduktion zu erwähnen – die Anklage des Kapitalismus, während das zweite die Behauptung war, die eigentlichen Schuldigen lägen „im Ausland“ und seien der „internationale“ Kapitalismus und die Geldsäcke, die Deutschland den Versailler Vertrag aufgezwungen hätten (dieses Argument wurde zunehmend mit dem Antisemitismus verschmolzen, der das „jüdische Kapital“ ins Visier nahm). Arbeitslosigkeit und Armut, die Notwendigkeit, für ein Stück Brot einen Koffer voller Geld aufzubringen, und insbesondere der Besitzverlust der Mittelschicht infolge des Krieges, wurden dem „kapitalistischen System“, insbesondere dem „ausländischen“ Kapitalismus und den „kapitalistischen Systemparteien“ angelastet. An seine Stelle sollte der „Nationalsozialismus“ treten!
Das durch die Niederlage verursachte Gefühl nationaler Erniedrigung wurde durch die demütigenden Bestimmungen des Versailler Vertrags verstärkt. Der bereits vor und während des Krieges, auch mit Beteiligung der Opportunisten der Zweiten Internationale, lautstark verbreitet – von der bürgerlichen Herrschaft und politischen Macht losgelösten – nationalistischen Propaganda hatten sich das Volk und insbesondere die Mittelschicht nach dem Krieg auch geöffnet.
Darüber hinaus führte der Aufstand von 1918, auch wenn er letztlich zur Rückkehr zum Parlamentarismus führte, zu Errungenschaften wie dem Acht-Stunden-Tag, der Abschaffung von Eigentums- und Geschlechterprivilegien durch das allgemeine Wahlrecht, der Verbreitung des Tarifvertragssystems, der Einführung von Arbeitslosenversicherungen und der Schaffung von Betriebsräten. Dies und die Organisiertheit und Stärke der Arbeiterklasse behinderten die Stabilisierung des Kapitalismus und steigerten den Bedarf des Kapitals am Faschismus. Die Propaganda, dass „das kapitalistische System Deutschlands Probleme nicht lösen könne“ und eine „Erneuerung“ notwendig sei, stellte den Faschismus, ohne ihn zu benennen, als dieses „Neue“ dar. Hitlers Lösung war der „Nationalsozialismus“. Obwohl noch nicht gesagt werden kann, dass sie vollständig der NSDAP ähnelt und ihren Platz eingenommen hat, und obwohl sie noch immer verschiedene mehr oder weniger unterschiedliche Gruppen in sich vereint und Anzeichen zeigt, dass sie durch die Bourgeoisie und die staatlichen Zähmungsmaßnahmen in die Grenzen des Systems eingezogen werden könnte, ist die AfD-Lösung ähnlich, wird jedoch bisher nicht explizit formuliert und lediglich als „AfD-Herrschaft“ bezeichnet. Der Hauptunterschied zu Hitlers Partei liegt im Entwicklungsprozess der beiden Parteien. So steht die AfD noch keiner massiven Arbeiterbewegung gegenüber, deren Kraft bis zur Schaffung von Arbeiterräten reicht.
Andererseits sind die Migranten und die Migrantenfeindlichkeit die heutigen „Juden“ der AfD, die mit ihrer „Systemkritik“,die charakteristisch nicht nur für den Nazismus/Faschismus sondern auch den Rechtspopulismus ist, von den anderen Systemparteien abweicht. Die Migrantenfeindlichkeit ist einer der Hauptantriebskräfte der AfD. Alle bürgerlichen Parteien in Deutschland sind migrantenfeindlich, und migrantenfeindliche Gesetze werden mit überwältigender Mehrheit im Bundestag verabschiedet. Aber die AfD ist allen anderen voraus.
Beispielsweise hat das britische „Unter“haus, nachdem das EGMR ein Flugzeug, in das die Regierung der Konservativen Partei „illegale Einwanderer“ mit laufendem Asylantrag gesetzt hatte, um sie, unter dem Vorwand, sie bis zur Bearbeitung ihrer Anträge in Ruanda zu „beherbergen“, abzuschieben, am Start hinderte und ein Urteil des Obergerichts von England und Wales es für rechtswidrig erklärte, Asylbewerber in ein anderes Land zu deportieren, in dieser Angelegenheit die Erteilung von Befugnissen an Minister, die auch im Widerspruch zu internationalen und britischen Menschenrechtsnormen Handlungen umfasst, legalisiert. Die AfD übertrifft in ihrer Migrantenfeindlichkeit sogar die als eine der migrantenfeindlichsten Systemparteien geltende britische Konservative Partei.
Die Ursache für die Demonstrationen vergangenen Januars war die Beschließung eines „Masterplans zur Remigration“ durch hochrangige Mitglieder der AfD, der Werteunion angehörige CDU-Abgeordnete, führende Mitglieder der Identitären Bewegung und einige Kapitalisten während eines Treffens in einem Hotel bei Potsdam im November 2023. Dieser Plan handelt von der Zwangsrückführung von Migranten (und Personen mit Migrationshintergrund) in ihre Herkunftsländer, was auch im Ausland geborene deutsche Staatsbürger betrifft. Nachdem das Treffen aufgedeckt wurde, erklärte die AfD, dass sie keine organisatorische oder finanzielle Verbindung zu dem Treffen habe und dass die Teilnehmer als Einzelpersonen anwesend waren und die Co-Vorsitzende A. Weidel entließ ihren Berater, der an dem Treffen teilgenommen hatte. Dennoch zog selbst die nationale wie internationale bürgerliche Presse Parallelen zwischen diesem Treffen und der Wannsee-Konferenz der Nazis im Jahr 1942, bei der sie die Deportation und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas beschlossen hatten. Beispielsweise erklärte die amerikanische Zeitschrift Foreign Policy, dass die AfD noch radikaler sei als vergleichbare Parteien wie die Schwedendemokraten, Die Finnen und die niederländische Partei für die Freiheit und wies darauf hin, dass das BfV die Jugendorganisation der AfD, JA (Junge Alternative), sowie die AfD-Landesverbände der allesamt ostdeutschen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als „Gefahr für die demokratische Ordnung“ beobachtet.[4]
Das rassistische Ideal der „Reinheit“ der AfD, auf dem die Identitäre Bewegung aufbaut, ist der ideologische Motor ihrer Feindseligkeit gegenüber Migranten. Die Partei betreibt auf Grundlage der Glorifizierung des Deutschseins, dessen Grundlage der Nationalismus und die Verteidigung von Staatsstrukturen auf Basis von Nationen bilden, Fremdenfeindlichkeit und Migrationsgegnerschaft.
In Deutschland, wo Fremdenfeindlichkeit seit vielen Jahren vorhanden ist, hat die Migrantenfeindlichkeit unter dem Vorwand der Betonung des reinen Deutschseins wie zu erwarten mit der breiten Umsetzung neoliberaler Politik, die zur Schrumpfung des Brotes der Arbeiterklasse, dem Einkommen der Mittelschicht und der Verschlechterung der Lebensbedingungen beider geführt hat, an Fahrt aufgenommen. Mit der durch die Pandemie noch weiter verstärkten Krise des Kapitalismus und dem Ukraine-Krieg sowie dem Ende deutscher Gaskäufe aus Russland, die insbesondere die Energie- und Lebensmittelpreise durch die Decke schießen ließen, ist sie in einen regelrechten Aufstieg übergegangen. Daran, dass die AfD mit ihrer Migrantenfeindlichkeit und ihren fertigen, migrantenfeidlichen Lösungsansätzen bei den ausgebeuteten Massen, die mangels Aufklärung und Organisation den antikapitalistischen Kampf nicht aufnehmen können, und insbesondere bei den Mittelschichten, deren Nationalgefühl und -haltung nicht zu unterschätzen ist, Anklang findet, ist nichts verwunderlich.
Ohne bei der Frage der Migration und Migrationsfeindlichkeit ins Detail zu gehen und vom Thema abschweifen zu wollen, lässt sich Folgendes zusammenfassen: Abgesehen von denen, die als Fachkräfte ins Land geladen werden oder deren Einreise erleichtert wird, arbeiten die einwandernden Migranten, da sie Flüchtige „ohne Papiere“ sind, in den schlechtesten, härtesten und am schlechtesten bezahlten Jobs frei von Gewerkschaft und teilweise ohne Sozialversicherung, was der deutschen Bourgeoisie und seinem Staat zweifellos in die Karten spielt. Obwohl sie in Jobs arbeiten, von denen die einheimische Bevölkerung ohnehin abgeneigt ist, werden sie als Grund für das auch sie selbst betreffende Absenken des Lohnniveaus und damit alsdie Verantwortlichen für Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne propagiert. Zusammen mit der Propaganda, dass auch die fremden Fachkräfte der lokalen Bevölkerung die Arbeit wegnnehmen und lohnsenkend wirken, ist in Wirklichkeit die Schuld für die Folgen der Niedriglohnpolitik, die die deutsche Bourgeoisie mit den Hartz-Gesetzen verallgemeinert hat, fast gänzlich auf die Migranten abgewälzt. Es bleibt nicht nur dabei, dass die Arbeiter, um deren Einheit ungeachtet der Herkunft für den Kampf gegen die Bourgeoisie gearbeitet werden muss, durch nationalistische Propaganda in Deutsche und Nicht-Deutsche gespalten und gegeneinander aufgehetzt werden. Es wird die Schuld des nach billigen Arbeitskräften suchenden Kapitalismus mit seiner imperialistischen Angriffslustigkeit, die mit Kriegen die Menschen ihrer Heimat entreißt und in die Flucht zwingt, den Migranten in die Schuhe geschoben und der imperialistische Kapitalismus reingewaschen.
Migrantenfeindlichkeit ist ein direktes Resultat und eine normale Erscheinung des rassistischen Nationalismus der AfD. Allen voran beeinflusst sie die mit Nationalgefühl erfüllte Mittelschicht, die Kleinbourgeoisie. Allerdings tappen auch gewisse Teile der durch die SPD und Linkspartei enttäuschten, klassenunbewussten Arbeiter insbesondere in gewissen Regionen der Propaganda glaubend, dass die Migranten ihnen die Arbeit wegnehmen und sie zu Niedriglöhnen verdammt werden, in die Falle der AfD.
Der AfD-Nationalismus besteht zweifelsohne aus mehr als nur Migrantenfeindlichkeit. Bei den Wahlen 2017, 2019 und 2021 hat die AfD unverhohlen den „Dexit“, die deutsche Version des „Brexit“, also den EU-Austritt Deutschlands, vertreten.
Im vergangenen Sommer war der das von der AfD vorbereitete Europawahlprogramm der Presse durchgesickert, wo sich zeigte, dass sie sich diesmal ihre Massentauglichkeit berücksichtigend etwas gemäßigter für eine „geordnete Auflösung der EU“ ausspricht.
Beim AfD-Parteitag letztes Jahr behaupteten die Co-Vorsitzenden Chrupalla und Weidel als ein neues Beispiel für die Verschleierung der wahren Ansichten – ein Charakterzug rechtsextremer, faschistischer Parteien –, dass es sich bei der „geordneten Auflösung“ im Manifest nur um ein „redaktionelles Versehen“ handele.[5] Dabei lehnt das AfD-Wahlprogramm die Idee von einem „europäischen Bundesstaat“ glasklar ab. Im Wahlprogramm heißt es: „Ein solches Gebilde verfügt weder über ein Staatsvolk[6] noch über das erforderliche Mindestmaß an kultureller Identität, welche notwendige Voraussetzungen für gelingende […] Staaten sind.“ Co-Vorsitzender Chrupalla erwähnte, dass die EU die „Souveränität der Nationalstaaten aushöhlt“ und die Europäische Kommission, die ohne Rücksicht auf die Interessen und Bedürfnisse Deutschlands Sanktionen gegen Russland beschlossen hat, „nicht legitim“ sei und betonte: „Wir fordern eine Neustrukturierung Europas, um das Potenzial der Nationalstaaten zu nutzen und die Brücke nach Osten wiederaufzubauen“.[7] Kurzum sieht die AfD den „europäischen Bundesstaat“ bzw. die EU ungeeignet, um das Potenzial des deutschen Nationalstaates zu nutzen und vertritt die Notwendigkeit, „Europa neu zu gründen“, indem sie einen „Bund europäischer Nationen“ vorschlägt. Wie eine solche, dem „Potenzial“ Deutschlands, das mit Frankreich den Kern der EU ausmacht und unter ihren Führern an vorderster Stelle steht, gerecht werdende „Neugründung“ aussehen kann, ist die AfD, die sogar ihre Anti-EU-Position aus Sorge um ihre Massentauglichkeit verdeckt formuliert, noch immer eine Erklärung schuldig. Allerdings wäre es nicht falsch zu sagen, dass der AfD die Tatsache missfällt, dass ein bedeutendes EU-Mitgliedsland – wie ihr Beispiel des US-Einflusses in Polen zeigt – mehr unter amerikanischem Einfluss steht und dass sie sich Europa als eine noch unmittelbarere und im Einklang mit der Gesamtheit ihrer nationalen Interessen befindliche „Erweiterung“ Deutschlands vorsieht. Dies steht vollkommen im Einklang mit der Haltung der AfD, die durch ihren Co-Vorsitzenden auch ihre Ablehnung der Sanktionen gegen Russland zum Ausdruck bringt und generell Russland, den Ukraine-Krieg und den „Wiederaufbau der Brücke nach Osten“ (also nach Russland – Anm. d. Autors) als einen der Gründe für eine „Neustrukturierung Europas“ darstellt. Die Ansicht, dass Deutschlands „nationale“ imperialistische Interessen erfordern, sich von der Konfrontation zwischen den USA und Russland loszulösen und daher die „Ostöffnung“ Deutschlands keine falsche Politik sei, vertritt nicht nur die AfD; zum Beispiel ist auch Marine Le Pen und ihre Partei Rassemblement National für ihre Nähe zu Russland bekannt.[8]
Auch wenn der AfD-Nationalismus eine gewisse Unklarheit zeigt, die sowohl durch Deutschlands Schwäche gegenüber Konkurrenten wie den USA, China und Russland sowie die Unfähigkeit, eine unabhängige Macht zu bilden, als auch die Verschleierung bestimmter Ansichten, als auch Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Partei verursacht wird, spiegelt er sich auch in der Haltung der Partei gegenüber den USA und der NATO wider. Im Parteiprogramm von 2017 wird die Mitgliedschaft in der NATO kritisch akzeptiert, mit der Feststellung, dass diese „in deutschem Interesse“ sei,solange die „NATO […] wieder ein reines Verteidigungsbündnis“ wird. Dies stellt in Wirklichkeit eine Ablehnung der Mitgliedschaft dar, denn es ist allgemein bekannt, dass die NATO kein reines Verteidigungsbündnis ist.
Während der Co-Vorsitzende Chrupalla eine Haltung zeigt, die für einen Austritt aus der NATO spricht, obgleich er dies nicht eindeutig äußert, hieß es in einem Antrag von „Radikalen“ wie Höcke und sieben weitere Landesvorsitzenden für das Europawahlprogramm, dass „die Staaten Europas die Verantwortung für ihre Sicherheit endlich selbst in die Hand nehmen“ sollten „statt unter den vermeintlichen Schutzschirm eines fernen und eigennützigen Hegemons zu flüchten“ – womit die USA gemeint sind. Der Antrag stellt fest bzw. wirft vor, dass „die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU […] sich als unfähig erwiesen [hat], gegenüber der US-geführten Nato ein unabhängiges europäisches System kollektiver Sicherheit zu etablieren“ und die USA „mit der [NATO-]Osterweiterung […] einen noch tiefgreifenderen Einfluss auf die europäische Ordnung“ erlangt habe.
Von ihrer mindestens als kritisch anzusehenden Haltung gegenüber den USA und der NATO abgesehen, konzentriert sich die distinktive Sichtweise der AfD zur Verteidigung oder genauer gesagt zur Kriegsorganisation und Aufrüstung allerdings – natürlich ausgehend von den deutschen „nationalen Interessen“ – auf zwei Achsen: 1) Eine gewisse Allianz mit den USA im Wettbewerb und Kampf gegen China und Russland nicht vollständig abzulehnen, jedoch ein Hinterhertraben hinter den USA vermeiden, um Deutschlands „besondere“ Interessen zu wahren[9], 2) Priorisierung und Beschleunigung der Aufrüstung, indem die Bundeswehr reformiert und umstrukturiert sowie der Aufbau einer unabhängigen „Europaarmee“ als betont deutsche kollektive Sicherheits- bzw. Verteidigungsstruktur schnell vollendet wird. In diesem Kontext hat die AfD, insbesondere der „radikale“ Flügel, betont, dass die Unterstützung des SPD-Bundeskanzlers für die Bereitstellung von 100 Milliarden Euro für Aufrüstung nach dem Ukraine-Krieg und die Rede von der „Reformierung der Bundeswehr“ bedeuten müsse, „Verantwortung für Europas eigene Sicherheit zu übernehmen“.
Wieder muss erwähnt sein, dass Marine Le Pen und ihre Partei ähnliche Ansichten vertreten. Sie ging sogar noch weiter und hatte bei den Präsidentschaftswahlen 2022 erklärt, dass sie im Falle eines Wahlsiegs aus dem militärischen Flügel der NATO austreten würde.
Nicht nur in Deutschland steigt die nationalistische extreme Rechte auf
In Frankreich ist die Rassemblement National eine migrantenfeindliche rechtsextreme Partei. Marine Le Pen hat die extremen Ansichten ihres Vaters etwas abgeschwächt, um breitere Wählerschichten anzusprechen, bleibt aber dennoch ausreichend extrem. Le Pen, die die Parteiführung abgegeben hat, konnte bei den Präsidentschaftswahlen 2022 ihre Stimmen im Vergleich zur vorherigen Wahl um 8 Punkte auf 42 % steigern.
In den Niederlanden hat die Freiheitliche Partei unter Geert Wilders seit ihrer Gründung im Jahr 2006 – abgesehen von den Wahlen 2012, als sie Regierungskoalitionspartner war – stetig an Stimmen gewonnen und ging bei den Wahlen im November 2023 als stärkste Partei hervor. Die Partei ist knallhart migranten- und insbesondere islamfeindlich. In ihrem letzten Wahlprogramm befürwortete sie das Verbot von islamischen Schulen, dem Koran und Moscheen sowie Kopftüchern in Regierungsgebäuden. Sie möchte auch den EU-Austritt der Niederlande und wird dafür ein „Referendum“ abhalten.
In Ungarn ist die Fidesz die Regierungspartei. Die Partei, deren Führer Orbán die Auffassung vertritt, „keine Mischung mit Völkern außerhalb Europas zuzulassen“, die das Motto „Starke Nation, Starker Staat“ verinnerlicht und die letzten vier Wahlen gewonnen hat, ist extrem rechts und Migrationsfeindlichkeit in Ungarn Gesetz. Daher hat sogar der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Ungarn gegen EU-Recht verstößt. Orbán, der gute Beziehungen zu Putin und Erdoğan pflegt, ist der Ansicht, dass die USA, Russland, China und islamische Länder Europa umzingeln und dass man sich davon befreien müsse.
In Österreich vertritt die Freiheitliche Partei die Ansicht, dass die Politiker und Systemparteien korrupt sind, und übt „Systemkritik“, die ein Erkennungszeichen der nationalsozialistischen rassistischen Nationalisten ist. Offene und provokante Ablehnung von Migranten, Ausländern und insbesondere Muslimen ist ihr zentrales politisches Argument. Stimmen verliert sie nur, wenn sie Regierungskoalitionen eingeht.
Während in Italien die extrem rechte Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens, FdI) bei den Wahlen im September 2022 mit 26 % zur stärksten Partei wurde, erreichte ihr Rechtsbündnis die Mehrheit im Parlament; die extrem reaktionäre Meloni, die aus ihrer Bewunderung für Mussolini keinen Hehl macht und faschistische Symbole im Parteihauptquartier bereithält, wurde Premierministerin. Dass der Sprung, den die FdI, die 2018 nur 4 % der Stimmen erhielt, hingelegt hat, ein ernsthafter Aufschwung ist, ist offenkundig. Die Partei, deren Hauptslogan ähnlich dem Hitlers „Italien und Italiener zuerst“ lautet, ist kompromisslos migrantenfeindlich. Eines ihrer Ziele ist es, die Normen und Gesetze der EU zu ändern, um die EU „in ein loses Bündnis zu verwandeln“.
In Schweden konnte die 1988 von Nazi-Verehrern gegründete Partei Schwedendemokraten bis 2010 nicht in das Parlament einziehen; jedoch hat sie seitdem sowohl ihre Popularität sowie ihre Stimmen in drei Wahlen erhöht und wurde bei den Wahlen im September 2022, zu der sie mit radikal migrantenfeindlicher nationalistischer Linie antrat, mit 20,6 % zur zweitstärksten Partei des Landes. Sie unterstützt die rechtskonservative Regierung von außen.
In Dänemark hat die Volkspartei, die mit ihrem Slogan „Dänemark den Dänen“ einen migrationsfeindlichen und rechtsextremen Populismus betrieben hat, mit ihrer steigenden eigenen Beliebtheit die rechten Koalitionsregierungen von 2001 bis 2007 sowie 2015 bis 2019 von außen unterstützt. Als die Regierungsparteien jedoch gänzlich nach rechts rutschten und ihre Rhetorik übernahmen, konnte sich die Partei nicht „erneuern“ und verlor bei den Wahlen im Dezember 2022, bei der auch die Mitte-Links-Partei nach rechts gerückt war und eine große Koalitionsregierung bildete, ihre Stimmen an die in dem Jahr gegründeten Dänischen Demokraten, die mit radikaler Migrantenfeindlichkeit 8 % der Stimmen erhielten.
In Finnland ist die führende Partei des „systemkritischen“ Rechtspopulismus die mit der Krise 2008 erstarkte Partei Die Finnen. Bei den Wahlen 2011 erreichte sie 19 %, 2023 20,1 % und fordert insbesondere die Einstellung aller sozialen Hilfen für Migranten.
In Serbien stellt das Bündnis unter der Führung der von abtrünnigen Mitgliedern der rechtsextremen Serbischen Radikalen Partei gegründeten SNS des Präsidenten Vučić mit 46 % der Stimmen bei den Wahlen im Dezember 2023 weiterhin die Regierung.
In Spanien hat die 2013 gegründete rechtsextreme Partei VOX ihren Stimmenanteil von 0,2 % bei den Wahlen 2016 auf 15 % im Jahr 2019 gesteigert. VOX, die bei den Wahlen im Juli 2023 einen Teil ihrer Stimmen an die Volkspartei, mit der sie eine Koalition anstrebt, verlor, hegt offen Feindseligkeit gegenüber Migranten und Minderheiten wie den Katalanen.[10]
Der Aufstieg der extremen Rechten ist zweifellos nicht nur auf Europa beschränkt. In Eurasien ist die Türkei mit der Verschärfung der politischer Reaktion und des Faschismus sowie der Zunahme der Brutalität gegen die Kurden, die versucht werden mit Terroristen gleichzusetzen, ein deutliches Beispiel für ihren Aufstieg. Gleiches gilt für Putins Russland. Auch der rechtsextreme Hindu-Nationalist und Premierminister Modi, der zweimal in Folge die Wahlen in Indien gewonnen hat, dessen Aggressivität gegenüber dem Volke zunimmt und der Feindseligkeiten gegen die 200 Millionen große muslimische Minderheit Tür und Tor öffnet, und seine Partei BJP sind nicht außer Acht zu lassen.
Trump, der den Sturm aufs Kapitol anführte und sich nun erneut um die Kandidatur der Republikaner bemüht, nicht als rechtsextremen Populisten zu betrachten, wäre ungerecht. Der für seine strikte Ablehnung lateinamerikanischer Migranten bekannte Trump ist mit seinem etablierten „Antiestablishment“-Image eine schwer vorhersehbare Person.
Auch der Rechtsextremismus Mileis, der in Argentinien, sich von peronistischen und konservativen Kandidaten abhebend zum Präsidenten wurde und unter Unterstützung der traditionellen konservativen Partei Gesetze verabschieden kann, ist „gegen das System“. Unter den Bedingungen der seit 2018 chronisch werdenden Krise des Kapitalismus, hoher Inflation und Armut, die sowohl die peronistische und als auch die konservative Partei durchgeschüttelt hat, hat Milei sich mit seiner Privatisierungs- und Austeritätspolitik als eine kantige neoliberale „Alternative“ positioniert und setzt gegenüber Gegnern auf rücksichtslose politische Reaktion.
Volk, Nationalismus, Fortschrittlichkeit und Reaktion
Im Namen der „Nation“ und allen auf ihrer Überlegenheit basierenden Nationalismen, die das Fundament des Aufstiegs der extremen Rechten bilden, werden Migrantenfeindlichkeit betrieben und noch mehr Mittel für die Aufrüstung gefordert. Aber tragen sie damit tatsächlich den Nationen und der Sorge um nationale Interessen Rechnung?
Zunächst sollten wir uns an Lenins bekannte Unterscheidung erinnern:
„Der Kapitalismus kennt in seiner Entwicklung zwei historische Tendenzen in der nationalen Frage. Die erste Tendenz: Erwachen des nationalen Lebens und der nationalen Bewegungen, Kampf gegen jede nationale Unterdrückung, Herausbildung von Nationalstaaten. Die zweite Tendenz: Entwicklung und Vervielfachung der verschiedenartigen Beziehungen zwischen den Nationen, Niederreißung der nationalen Schranken, Herausbildung der internationalen Einheit des Kapitals, des Wirtschaftslebens überhaupt, der Politik, der Wissenschaft usw. Beide Tendenzen sind ein Weltgesetz des Kapitalismus. Die erste überwiegt im Anfangsstadium seiner Entwicklung, die zweite kennzeichnet den reifen, seiner Umwandlung in die sozialistische Gesellschaft entgegengehenden Kapitalismus.“[11]
Die Zeit, in der der Kapitalismus, der mit der vollständigen Übernahme des Binnenmarktes durch die Warenproduktion den endgültigen Sieg über den Feudalismus besiegelte, sich im Rahmen von Nationalstaaten organisierte und eine historisch progressive Rolle spielte, ist längst vorbei. Bereits vor dem Imperialismus war es entscheidend, zwischen der Zeit des Niedergangs des Feudalismus, in der „die nationalen Bewegungen […] zu Massenbewegungen werden und so oder anders […] alle Klassen der Bevölkerung […] in die Politik hineinziehen“ und „der Epoche der völlig herausgebildeten kapitalistischen Staaten mit einer seit langem eingebürgerten konstitutionellen Ordnung, mit stark entwickeltem Antagonismus von Proletariat und Bourgeoisie – einer Epoche, die man als den Vorabend des Zusammenbruchs des Kapitalismus bezeichnen kann“[12] zu unterscheiden.
Die Bourgeoisie führte, die im imperialistischen Stadium seiner Entwicklung mit der Oktoberrevolution auf die Tagesordnung getretenen nationalen Befreiungsbewegungen in den Kolonien und abhängigen Ländern außen vor gelassen, im Anfangsstadium des Kapitalismus die bürgerlich-demokratischen nationalen Bewegungen – zweifelsfrei ihre eigenen Interessen als die der gesamten Nation, einschließlich der Arbeiterklasse, darstellend und aufoktroyierend – an und wurde unter der Angst vor der erstarkenden Arbeiterbewegung reaktionärer. Als sie jedoch monopolistisch wurde und sich in die imperialistische Bourgeoisie verwandelte, wurde sie zur Bastion der Reaktion. Sie hatte nichts mehr mit Demokratie oder nationalen Bewegungen zu tun. Auch nicht mit der Nation.
Die Zunahme internationaler Verflechtung setzte sich unter der Herrschaft von Privateigentum und Kapital fort, aber nun geschah dies, während sich die nun durch ihren Drang, mit Kapitalexport und Investitionen in vielen Ländern die Welt aufzuteilen, selbst internationalisierte und völlig kosmopolitisch gewordene imperialistische Bourgeoisie von einer Vertreterin der Nation und der nationalen Bewegung zur treibenden Kraft nationaler Unterdrückung und Kolonialismus verwandelte.
„die Entwicklung des Imperialismus, der Kapitalexport und die Notwendigkeit, sich die großen Seewege und Eisenbahnlinien zu sichern, führten einerseits zur Annexion neuer Territorien durch die alten Nationalstaaten und zu ihrer Verwandlung in Nationalitäten(Kolonial)staaten mit der ihnen eigenen nationalen Unterdrückung und mit nationalen Konflikten (England, Frankreich, Deutschland, Italien); anderseits verstärkten sie unter den herrschenden Nationen der alten Nationalitätenstaaten das Streben nicht nur nach Aufrechterhaltung der alten Staatsgrenzen, sondern auch nach ihrer Ausdehnung, nach Unterwerfung neuer (schwacher) Nationalitäten auf Kosten der Nachbarstaaten. Dadurch wurde die nationale Frage erweitert und […] mit der allgemeinen Frage der Kolonien verschmolzen; die nationale Unterdrückung wurde aus einer innerstaatlichen zu einer zwischenstaatlichen Frage, zur Frage des Kampfes (und des Krieges) der imperialistischen ‚Großmächte um die Unterwerfung der schwachen, nicht vollberechtigten Nationalitäten.“[13]
Seitdem die Bourgeoisie begonnen hat, nicht mehr gegen Feudalismus, sondern 1) gegen ihre imperialistischen Konkurrenten mit dem Ziel der Weltaufteilung, 2) mit allen Mitteln, einschließlich des Faschismus, gegen die „eigene“ Arbeiterklasse und das arbeitende Volk und 3) gegen die unterdrückten Nationen, die sie durch nationale Gewalt unterwirft, Krieg zu führen, liegt das erneute Entfachen der Arbeiter- sowie bürgerlich-demokratischen Bewegung, deren unversöhnliche Gegnerschaft zunehmend bedeutender wird und die sich aus Angst vor der Arbeiterklasse und ihrer Bewegung in die Arme der Aristokratie geworfen hat und eingeschlafen ist, auch wenn sie sie nicht zum endgültigen Ergebnis führen kann, an den unterdrückten nationalen Bourgeoisien, die noch eine gewisse Sprengkraft besitzen, die sie gegen den Imperialismus einsetzen können, und insbesondere mit ihrer Fähigkeit, ebenjene Nationen im Kampf um Demokratie und Unabhängigkeit hinter sich zu versammeln, an der Arbeiterklasse.
Jede Handlung der imperialistischen Bourgeoisie im Zusammenhang mit nationalen Werten ist unecht. Was sie unter dem Vorwand des nationalen Interesses und der nationalen Identität verfolgt, sind lediglich ihre reaktionären, arbeiter- und volksfeindlichen Interessen. Sie repräsentiert keine Nation noch eine nationale Bewegung mehr, im Gegenteil, die Unabhängigkeits- und Freiheitsinteressen und -ziele aller Nationen und nationalen Bewegungen stehen im Widerspruch zu den Interessen und Zielen der imperialistischen Bourgeoisie. Wenn die deutschen Rechtsextremen Deutschland und das Deutschsein oder die französischen Rechtsextremen Frankreich und das Französischsein… verherrlichen, geschieht dies, obwohl die imperialistischen Bourgeoisien dieser Länder, mit der weltweiten Ausbreitung ihres Kapitals und ihrer Finanz- und Wirtschaftsaktivitäten längst international geworden sind, aus dem Interesse, sowohl Deutschland oder Frankreich…, die weiterhin die Reproduktionszentren ihrer Kapitale sind, zu ihrem „Hauptquartier“ zu machen, die deutschen und französischen… Staaten, auch wenn sie Teile internationaler Bündnisse wie der EU oder NATO sind, in ihre Hebel in ihrem Kampf um Hegemonie und die Aufteilung der Welt zu verwenden als auch die Völker dieser Länder unter Ausnutzung nationaler Werte zu täuschen und sie zu einem Werkzeug ihrer Konflikte zu verwandeln. Deshalb gibt es nur einen Weg: den unversöhnlichen Kampf gegen die rechtsextreme, nationalistische Heuchelei.
Nur für außerhalb der durch die Verschmelzung mit dem Imperialismus die Nation verratenen kollaborierenden Großbourgeoisie stehenden unteren Schichten, der mittleren und insbesondere der Kleinbourgeoisie, die ein gewisses Kampfpotenzial gegen den Imperialismus tragen, besteht die Möglichkeit, dass ihre Interessen mit den Interessen „ihrer“ Nation und nationalen Bewegung – die Pest und Gefahr des Nationalismus einschließend – resonieren.
Der bewusste Arbeiter weiß jedoch, dass der bürgerliche Nationalismus, mag er durch Verrat an der Nation und gänzlich auf Betrug fußend oder auch in einer Gegnerschaft zum Imperialismus die Priorität und Überlegenheit einer spezifischen Nation behauptend eine nationale Besserstellung verlangen, nicht nur den Weg des Befreiungskampfes, den einzigen Weg für die Befreiung der Arbeiterklasse und der Menschheit, verdunkelt, sondern auch ihm und seinen Interessen vollkommen entgegensteht.
„Der Grundsatz der Nationalität ist in der bürgerlichen Gesellschaft historisch unvermeidlich, und der Marxist, der mit dieser Gesellschaft rechnet, erkennt die geschichtliche Berechtigung nationaler Bewegungen durchaus an. Damit aber diese Anerkennung nicht zu einer Apologie des Nationalismus werde, muß sie sich strengstens auf das beschränken, was an diesen Bewegungen fortschrittlich ist, damit sie nicht zur Vernebelung des proletarischen Klassenbewußtseins durch die bürgerliche Ideologie führe.“[14]
Der Kampf gegen den Feudalismus in der Vergangenheit und gegen den Imperialismus heute, gegen alle Formen der nationalen Unterdrückung für die Souveränität der Nation, hat einen demokratischen Inhalt, ist fortschrittlich und muss unterstützt werden. Allerdings fügte Lenin an dieser Stelle noch Folgendes hinzu:
Diese Verfechtung „ist in der Hauptsache eine negative Aufgabe. Weiter aber darf das Proletariat in der Unterstützung des Nationalismus nicht gehen, denn dann beginnt die ‚positive‘ (bejahende) Tätigkeit der nach Stärkung des Nationalismus strebenden Bourgeoisie. […] Der Grundsatz des bürgerlichen Nationalismus ist die Entwicklung der Nationalität schlechthin, daher die Ausschließlichkeit des bürgerlichen Nationalismus, daher der ausweglose nationale Hader. […] Das Proletariat kann keinerlei Verankerung des Nationalismus unterstützen, im Gegenteil, es unterstützt alles, was dazu beiträgt, die nationalen Unterschiede zu verwischen, die Schranken zwischen den Nationen niederzureißen, alles, was den-Zusammenhalt zwischen den Nationalitäten immer enger gestaltet, alles, was zur Verschmelzung der Nationen führt.“[15]
[1] Lenin, W. I. (1971). Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Gemeinverständlicher Abriß. In Werke (Bd. 22). Dietz Verlag. S. 185 ff.
[2] Lenin, 1971, ebenda, S. 302
[3] Zum Beispiel wurde der Landesvorsitzende von Brandenburg Kalbitz aufgrund seiner Verbindungen zu faschistischen Organisationen 2020 vom AfD-Bundesvorstand abgesetzt. Dennoch wurde der Landesverband der Partei vom Verfassungsschutz (BfV) in die Überwachung aufgenommen. Siehe: https://www.avrupademokrat3.com/afdnin-brandenburg-orgutu-izlemeye-alindi/
[4] Hockenos, P. (2024, 1. Februar). Germany’s Far-Right AfD Is Worse Than the Rest of Europe’s Populists. Foreign Policy. https://foreignpolicy.com/2024/01/26/afd-germany-far-right-populism-radical-europe-remigration-immigrants/
[5] Zudem haben die Erklärungen der Co-Vorsitzenden, die darauf abzielten, die Öffentlichkeit zu beruhigen und den Vorfall als „Fehler“ darzustellen, innerhalb der Partei für Unruhe gesorgt. Einer der Anführer der „Radikalen“ der Partei, der Thüringen-Chef Höcke, widersetzte sich der „Korrektur des Fehlers“ mit der Androhung einer „Rebellion“. Andererseits unterstützt eine der „Gemäßigten“ der Partei, die EU-Parlamentskandidatin C. Anderson, weiterhin den sofortigen Austritt Deutschlands aus der EU.
[6] Der Begriff des „Staatsvolks“, den die AfD nutzt, ist eines der Begriffe, die mit der die Nazis die deutsche Sprache beglückt bzw. in sie hineingeprügelt haben. Das Beispiel von ein Staat, eine Nation; die Verschmelzung von Staat und Nation oder Volk.
[7] Çete, E. (2023, 8. August). What is the AfD to do about the EU and NATO? Harici. https://harici.com.tr/en/what-is-the-afd- to-do-about-the-eu-and-nato/
[8] 2022, vor der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen nach dem Ukraine-Krieg, erklärte Le Pen, dass sie „im Falle eines Wahlsiegs engere Beziehungen zu Russland aufbauen“ würde.
[9] Diese Haltung wurde während der Diskussionen über das Europawahlprogramm besonders prägnant im gemeinsamen Vorschlag der AfD-Abgeordneten aus Hamburg und NRW formuliert: „Wir halten es daher bei der sich abzeichnenden und wahrscheinlich nicht mehr aufzuhaltenden Blockbildung zwischen den zwei Rivalen USA und China für das Beste, dass Deutschland innerhalb seines bestehenden Bündnisses verbleibt und alle Möglichkeiten nutzt, um seine eigenen nationalen Interessen zu priorisieren.“
[10] Ihr Anführer Abascal drohte im vergangenen Dezember Premierminister Sánchez, den er aufgrund einer geplanten Amnestie für die Katalanen beschuldigte, die „nationale Einheit zu zerstören“, mit den Worten: „Es wird einen Moment geben, in dem das spanische Volk ihn an den Füßen aufhängen will.“
[11] Lenin, W. I. (1961). Kritische Bemerkungen zur nationalen Frage [PDF]. In Werke (1. Aufl., Bd. 20). Dietz Verlag. https://kommunistische-geschichte.de/LeninWerke/LW20.pdf (Ursprünglich veröffentlicht 1913). S. 12.
[12] Lenin, W. I. (1961). Über das Selbstbestimmungsrecht der Nationen [PDF]. In Werke (1. Aufl., Bd. 20). Dietz Verlag. https://kommunistische-geschichte.de/LeninWerke/LW20.pdf (Ursprünglich veröffentlicht 1914). S. 403.
[13] Stalin, J. W. (1952). Über die nächsten Aufgaben der Partei in der nationalen Frage: Thesen zum X. Parteitag der KPR(B) [PDF]. In Werke (Bd. 5). Dietz Verlag. https://kommunistische-geschichte.de/StalinWerke/stalin-band05.pdf (Ursprünglich veröffentlicht 1921). S. 16 f.
[14] Lenin, 1913/1961, S. 19
[15] Lenin, 1913/1961, S. 19 ff.