Über die internationale Lage und unsere Aufgaben

Beschlossen auf dem Plenum der Internationalen Konferenz Marxistisch-Leninistischer Parteien und Organisationen im Dezember 2023.

1. Seit unserer letzten Konferenz ist die Weltwirtschaft mit schwerwiegenden Problemen konfrontiert, wie z.B. hohen Inflationsraten, insbesondere bei den Lebensmittelpreisen, und einem Rückgang der Wachstumsrate der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion sowie des Handelsvolumens, die das Wirtschaftswachstum insgesamt verlangsamt haben. Einige der Maßnahmen, die die Regierungen zur Bewältigung der Finanzprobleme ergriffen haben, wie zum Beispiel die Erhöhung der Zinssätze, haben die bestehenden Probleme verschlimmert beziehungsweise vertieft und neue geschaffen, während sich gleichzeitig die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und der Völker der Welt verschlechtert haben, deren Realeinkommen gesunken sind und Millionen an den Folgen von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung leiden.

Wir haben auch die politischen Ereignisse erlebt, die durch den Krieg in der Ukraine und andere, ihm vorausgehende Ereignisse ausgelöst wurden. Diese können in zwei Gruppen eingeteilt werden.

2. In allen kapitalistischen Ländern nehmen die Angriffe des Kapitals und der Regierungen auf die Arbeiterklasse und die arbeitenden Menschen im Allgemeinen zu und es werden, abgesehen von einzelnen Vorzeigebereichen in den europäischen Ländern, alle Risiken und Probleme in der Wirtschaft den Völkern aufgebürdet.Ein Beispiel dafür ist Frankreich, wo ein ernsthafter Angriff durch die Anhebung des Rentenalters und der erforderlichen Beitragsjahre unternommen wurde. Die Erwerbstätigen sind nun gezwungen, sich einen zweiten Job zu suchen und trotzdem weniger zu heizen, weniger zu essen und Nahrungsmittelhilfe in Anspruch zu nehmen.

Die Vorgehensweisen des Kapitals und der Regierungen zur Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter und Werktätigen sind in den abhängigen Ländern viel härter und erschweren das Leben in diesen Ländern immer drastischer.

Darüber hinaus hat die reaktionäre Bourgeoisie in fast allen Ländern unter dem Vorwand der „Inflationsbekämpfung“ zu einer restriktiven Geldpolitik gegriffen und die Ausgaben für alles gekürzt, mit Ausnahme der Rüstung und einiger „vorzeigbarer“ öffentlicher Unterstützungen im Energiebereich. Die Kürzungen haben ihren Höhepunkt in den kommunalen Diensten, im Gesundheits- und Bildungswesen sowie im Energiesektor in den europäischen Ländern erreicht, insbesondere in Deutschland, das seine Käufe von russischem Gas zunächst eingeschränkt und später ganz eingestellt hat. Die Heizungen in staatlichen Einrichtungen sind auf 19 Grad Celsius eingestellt und sollen nachts abgeschaltet werden. Im öffentlichen Sektor sind Lohnstopps oder, wenn nötig, geringfügige Lohnerhöhungen zur gängigen Praxis geworden. In Europa haben sich die Streikbewegungen ausgedehnt, weil den Forderungen nach Lohnerhöhungen nicht nachgekommen wurde und trotz längerer Streiks bestehen die Regierungen auf niedrigen Erhöhungen.

3. Die Demokratie und die Freiheiten werden in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, einschließlich der Länder, welche als „Wiege der Demokratie“ bezeichnet werden, immer mehr eingeschränkt. Diese reaktionäre Tendenz ist die allgemeine Tendenz der Monopole und des Imperialismus, aber heute, da es der herrschenden Bourgeoisie schwerfällt zu regieren, geschieht dies in einem bemerkenswerten Ausmaß. Im Jahr 2019 versuchte der damalige britische Premierminister Boris Johnson, das Parlament vor den Wahlen vorübergehend auszusetzen, was jedoch vom Obersten Gerichtshof gekippt wurde. Kürzlich hat Macron in Frankreich etwas Ähnliches getan, um das Rentengesetz unter Umgehung des Parlaments durchzusetzen. In den kapitalistischen Ländern besteht die Tendenz, dass sich die Macht der Regierungen, per Dekret zu regieren, die in Ländern wie der Türkei und Ungarn gesetzlich verankert ist und die in Ecuador noch umgesetzt werden soll, ausbreitet.

Die reaktionäre Tendenz spiegelt sich auch in der Art der verabschiedeten Gesetze wider. Rassistische Gesetze gegen Einwanderer werden immer häufiger. Das Gleiche gilt für Gesetze zur Ausweitung der polizeilichen Befugnisse in Bezug auf präventive Festnahmen und Eingriffe in Demonstrationen. Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben bereits Schritte in diese Richtung unternommen. Angesichts der weit verbreiteten Streiks in Großbritannien hat die Regierung der Gesetzgebung zur weiteren Einschränkung des ohnehin schon begrenzten Streikrechts Vorrang eingeräumt. Nationalistische, rassistische und faschistische Bewegungen erstarken überall auf der Welt.

4. Eine unmittelbare Folge der Verschlechterung der Wirtschaftslage und der Angriffe auf die Werktätigen war die Mobilisierung der Massen von Arbeitern und Werktätigen in fast allen Ländern, von denen einige die Tendenz hatten, in Aufstände überzugehen, und das Aufkommen und die Ausbreitung längerer Streiks und Demonstrationen, bei denen die Arbeiter der entwickelten Länder nach langer Zeit wieder in den Vordergrund traten.

Wir leben in einer Zeit, in der der Kampf zwischen Arbeit und Kapital auf der Seite der Arbeiterklasse noch unorganisiert ist und ein geringes Bewusstsein hat, während die voll organisierte Bourgeoisie ihre Ziele immer höhersteckt und danach strebt, sie zu erreichen.

VERSCHÄRFUNG DES ZWISCHENIMPERIALISTISCHEN KAMPFES

5. Unsere letzte Konferenz wurde nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und deren teilweiser Besetzung im Februar 2022 einberufen, auf die die Verhängung multilateraler Sanktionen gegen Russland durch die USA und ihre Verbündeten folgte. Der anhaltende Krieg in Europa ist eine Folge und ein deutlicher Hinweis auf die erhebliche Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche, aber auch ein Zeichen dafür, dass ein Abklingen dieser Widersprüche nicht zu erwarten ist. Auch die nach dem Krieg verhängten Sanktionen, welche die russische Wirtschaft erschütterten und das Land (in einem Maße, das die USA und die verbündeten Imperialisten eigentlich nicht wünschen) in Richtung China drängten und das Bündnis zwischen den beiden Ländern festigten, sowie die Festlegung der Ausrichtung auf China auf dem Madrider NATO-Gipfel haben gezeigt, dass eine Entspannung zwischen den rivalisierenden Bündnissen, die sich immer enger zusammenschließen, nicht zu erwarten ist.

Im letzten Jahr haben sich die zwischenimperialistischen Beziehungen noch weiter zugespitzt. Darüber hinaus verschärfen sich mit den Widersprüchen und Konflikten zwischen den Imperialisten, einschließlich der Beziehungen der abhängigen Länder zum Imperialismus, auch die Widersprüche und Konflikte zwischen den Imperialisten und den unterdrückten Völkern der Welt sowie zwischen der internationalen Bourgeoisie und dem Weltproletariat. Alles in allem sind dies Anzeichen dafür, dass sich die allgemeine Krise des Kapitalismus zuspitzt. Sie bringen die Destabilisierung der Welt durch den Kapitalismus zum Ausdruck.

6. Eine Folge des Krieges in der Ukraine war, dass die USA, die den Krieg zusammen mit dem Vereinigten Königreich angestiftet hatten, ihre Kontrolle über die EU ausbauen konnten, indem sie die europäischen Imperialisten auf ihre Seite zogen und sie stärker von der US-Energie abhängig machten, während sich auf der anderen Seite das chinesisch-russische Bündnis konsolidierte. In enger Zusammenarbeit mit der NATO und der EU-Militärunion bauen die USA ihre militärische Infrastruktur von der Arktis bis zum Schwarzen Meer aus, indem sie eigenständig oder vermittels der NATO neue Militärstützpunkte errichten. Die NATO expandiert durch neue Mitgliedstaaten in Europa weiter bis hin an die russische Grenze. Die jüngsten Beispiele sind Finnland und Schweden. Gleichzeitig erweitert sich die EU durch neue Mitgliedsstaaten, um ihre wirtschaftliche und militärische Macht und ihren Einfluss in der Region zu sichern. Die Ukraine ist sowohl für die NATO als auch für die EU ein Ziel.

Das bedeutet freilich nicht, dass es keine Widersprüche und Interessenkonflikte mehr zwischen den USA und den europäischen Imperialisten und der EU, unter europäischen Monopolgruppen und unter den EU-Ländern gibt. Solche Widersprüche und Konflikte bestehen auch zwischen China, Russland und den anderen Mitgliedsstaaten und Monopolgruppen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Doch trotz der Widersprüche zwischen ihnen bilden die Imperialisten Blöcke in zwei rivalisierenden Bündnissen.

7. Die NATO (und über sie die USA) versucht, ihre politische Rolle und ihren Einfluss in verschiedenen multilateralen Organisationen und in der EU sowohl auf regionaler als auch auf internationaler Ebene zu stärken. Sie verlangt von den Mitgliedstaaten zunehmend, ihre Außenpolitik zu koordinieren und eine globale Ausrichtung zu entwickeln, was sich im Krieg in der Ukraine bemerkbar macht. Als internationale Organisation möchte die NATO, dass ihre Mitglieder über wichtige strategische und politische Fragen diskutieren und sich zusammenschließen. Wenn die von den Mitgliedstaaten angestrebten politischen und technischen Lösungen und die importierten Handelswaren nicht von Verbündeten und „Freunden“ kommen oder von diesen nicht genutzt werden, sei das eine gemeinsame Bedrohung und Sicherheitsfrage.

Die Einschätzung Russlands und Chinas als „Bedrohung„, die im Strategischen Konzept der NATO für 2022 verankert und auf dem NATO-Gipfel in Vilnius im Juli 2023 bekräftigt wurde, wurde als ideologischer Kampf zwischen der „freien westlichen“ Welt und autoritären Regimen, die als Rivalen bezeichnet werden, verkleidet. Auf dem letzten G7-Gipfel in Hiroshima wurde dasselbe Problem angesprochen und beschlossen, die internationalen Beziehungen von Risiken zu „befreien„. Dieses „De-Risking“ bedeutet, dass die G7 ihre Diplomatie verschärfen, ihre Handelspartner diversifizieren und ihren Handel und ihre Technologie schützen werden. Es bedeutet auch, dass das US-Verbot für Chips und Chiptechnologie, das auf China abzielt, auch auf die Ausfuhr von jeglicher Technologie ausgedehnt werden könnte, die für militärische Zwecke nutzbar ist.

8. Auf der anderen Seite haben die europäischen Imperialisten begonnen, ihre Länder und die EU zu militarisieren und aufzurüsten, wobei sie den Krieg ausnutzen. Die europäischen Imperialisten haben die Strategie und Handlungsfähigkeit der EU durch die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik – den „strategischen Kompass“ und die „strategische Autonomie“ – ehrgeizig und begierig neu definiert und bauen die EU-Militärunion rasch aus. Die EU will ihre Fähigkeit zur militärischen Zusammenarbeit mit anderen Mächten stärken, um ihre strategische Unabhängigkeit und die Interessen der europäischen Monopole zu schützen. Der Krieg in der Ukraine wurde als Vorwand für die Militarisierung und Aufrüstung einzelner Länder und der EU genutzt. Die Militärbudgets aller EU- und NATO-Länder, insbesondere Deutschlands und Frankreichs, verdoppeln und verdreifachen sich sogar, um den Anforderungen der NATO und der EU gerecht zu werden. Begleitet wird dies von einer massiven Kriegspropaganda, die auf Angst, Antikommunismus und Unsicherheit bezüglich der Zukunft basiert. Unter demselben Deckmantel werden in fast allen europäischen Ländern der Polizeistaat und der Faschismus gestärkt.

Trotz dieser politischen und ideologischen Offensive lehnt die Arbeiterklasse in den europäischen Ländern in größerer Zahl die Kriegspolitik und die Militarisierung ab, die ihre Lebensbedingungen ernsthaft verschlechtern.

Die Durchsetzung imperialistischer Bestrebungen mithilfe militärischer Mittel ist dabei keineswegs auf den europäischen Kontinent beschränkt und zeigt sich vor allem im Falle Frankreichs langjähriger Aggression in Afrika. Da China auf dem afrikanischen Kontinent keine koloniale Vergangenheit besitzt, schafft es zum einen China, den Hass der afrikanischen Völker auf den Kolonialismus geschickt auszunutzen, um eine rasche wirtschaftliche Expansion zu betreiben. Zum anderen befindet sich Russland in einer politisch-militärischen Offensive, wie sich im Juli zeigte, als es in St. Petersburg ein Treffen mit den führenden Politikern des afrikanischen Kontinents veranstaltete und den Ländern mit Nahrungsmittelknappheit Getreidehilfen versprach. Gleichzeitig sieht sich Frankreich in Afrika mit Problemen konfrontiert und war unter anderem dazu gezwungen, seine Truppen mit der europäischen „Task Force Takuba“ im Juli 2022 aus Mali, im Dezember 2022 aus der Zentralafrikanischen Republik, Anfang dieses Jahres aus Burkina Faso und nach dem Militärputsch im Juli 2023 auch aus Niger abzuziehen. Ein weiterer Putsch fand in der ehemaligen französischen Kolonie Gabun statt. Diese Putsche haben enge Verbindungen zu Russland, das in vielen Ländern Wagner-Söldner einsetzt. Trotz seiner Vertreibung aus diesen Ländern hat Frankreich seine Plünderungen und Aggressionen auf diesem Kontinent nicht aufgegeben. Es hat zum Beispiel immer noch Truppen im Tschad stationiert und ist unter dem Vorwand der Bekämpfung des islamistischen „Boko-Haram-Terrors“ in der gesamten Sahelzone aktiv.

9. Die Position des US-Imperialismus in der Welt ist durch seine Kriegshetze mit der Propaganda „Russland steht kurz vor einem Angriff„, die er Monate vor der Invasion begann, sowie durch die Provokation der NATO-Osterweiterung und die Ermutigung der Ukraine, Mitglied zu werden, obwohl Russland erklärt hat, dass dies seine „rote Linie“ sei, deutlich genug. Der US-Imperialismus ist, auch wenn er immer noch einen „Stellvertreter“ (die Ukraine) einsetzt, eine aggressive Macht, die ihre Rivalen durch Kriege in die Enge treiben will und dabei nicht gezögert hat, diese Kriege auch in Europa zu provozieren. Das bedeutet nicht, dass seine Rivalen nicht aggressiv sind, wie zum Beispiel Russland, das seine Aggressivität mit seiner Invasion in der Ukraine bewiesen hat.

10. Während es Russland ist, das zum Krieg gegriffen hat, ist der Hauptgegner der USA China, dessen Industrie sich in den letzten Jahren auf der Grundlage einer neuen, fortgeschrittenen technischen Basis rasch entwickelt hat. China, das in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt fast mit den USA gleichgezogen hat, liegt in Bezug auf seinen militärisch-industriellen Komplex und seine Rüstungskapazität noch weit hinter dem US-Imperialismus zurück. China versucht dieses Defizit zu überwinden, indem es vorübergehend sein Bündnis mit Russland stärkt. Die USA sind sich bewusst, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr in der Lage sein werden, mit China fertig zu werden. Darum versuchen sie, China ohne jegliche Unterstützung zu lassen, indem sie mittels des Krieges in der Ukraine Druck auf Russland ausüben, um es zu Fall zu bringen oder zumindest zu schwächen und in der Zwischenzeit Chinas wirtschaftliche Entwicklung durch Handels- und Wirtschaftskriege zu behindern. Dies scheint völlig erfolglos zu sein.

11. Der Krieg in der Ukraine war ein Wendepunkt und ein Mittel zur Neuordnung der Beziehungen zwischen den Imperialisten, was so weit ging, dass zum ersten Mal seit vielen Jahren vom Einsatz von Atomwaffen – wenn auch nur als Bluff – die Rede war. In diesem Zusammenhang kann Folgendes gesagt werden:

1) Offensichtlich kämpft Russland gegen die Ukraine, nicht gegen die NATO, jedoch ist die Situation anders als es zum Beispiel in Syrien der Fall war. Russland hat sich eindeutig gegen die NATO – die USA und ihre Verbündeten – gewandt und die NATO beteiligt sich praktisch, in Form von Technologie, Informationen aus dem Weltraum, Lasersteuerung, modernen Waffen und Ausbildung, an dem Kampf. Dieser Krieg findet mitten in Europa statt.

2) Ein Symptom für die vielschichtige Verschärfung der zwischenimperialistischen Rivalität – wirtschaftlich, politisch, militärisch usw. – durch den Ukraine-Krieg ist, dass die USA und ihre Verbündeten die bisher härtesten Wirtschafts- und Finanzsanktionen verhängt haben, welche darauf abzielen die russische Wirtschaft zu lähmen, während die europäischen Länder, insbesondere Deutschland, das gezwungen war, seine Energiequellen zu wechseln, schweren Schaden nehmen.

3) Der Krieg in der Ukraine führte zu einer Neupositionierung der europäischen Bourgeoisie, insbesondere Deutschlands. Während die USA die europäischen Imperialisten um sich scharten, wurde die bisherige Tendenz des deutschen Imperialismus zu einer Politik der engeren Beziehungen zu Russland (vertreten durch Schröder) ernsthaft geschwächt und die Beziehungen zwischen den beiden Ländern wurden abrupt abgebrochen.

4) Mit dem Krieg in der Ukraine sind die Veränderungen in den internationalen Transportwegen und Versorgungsketten deutlicher geworden. Diese Veränderungen wurden insbesondere von den USA initiiert und in Folge dessen investierte die EU 300 Milliarden Euro. Die amerikanische Bourgeoisie, welche versucht die Bourgeoisien der europäischen Länder hinter sich zu bringen, hat ihre Position gegenüber China verhärtet. In diesem Zusammenhang wurde begonnen, bestimmte amerikanische Investitionen aus China zurückzuziehen, während die Europäer ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu China, einschließlich ihrer Investitionen, aufrechterhalten.

5) Indien steht zwar den USA nahe, unterhält aber enge wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Russland, weshalb es sich weigert, die Sanktionen zu unterstützen und seine Beziehungen zur Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit ausbaut, nachdem es Schwierigkeiten hatte, sich an die Neupositionierung anzupassen. Dies ist ein wichtiges Element der Auswirkungen des Krieges, der zu einer Neuordnung der Beziehungen zwischen den Imperialisten geführt hat. Indien befindet sich heute in einer anderen Lage als noch vor zwei Jahren.

12. Kein imperialistisches Land hat so viele, über die ganze Welt verteilte Militärbasen oder so viele Überwachungs- und Interventionskapazitäten wie die USA. Sie allein geben mehr für Rüstung aus als die nächsten zehn Länder zusammen. Die gesamten weltweiten Rüstungsausgaben sind alarmierend: Sie stiegen im Jahr 2022 um 13% auf insgesamt 2,240 Billionen Dollar. Im Vergleich zu vor zehn Jahren sind die Verteidigungsausgaben in China (63%) und Indien (47%) stark gestiegen, wodurch diese Länder ihren Rückstand aufholen. Die vier Länder mit den höchsten Rüstungsausgaben im Jahr 2022 sind die Vereinigten Staaten mit 877 Mrd. USD (+0,7% gegenüber dem Vorjahr), China mit 292 Mrd. USD (+4,2%), Russland mit 86,4 Mrd. USD (+9,2%) und Indien mit 81,4 Mrd. USD (+6%). Während die USA in der Lage zu sein scheinen, ihre Rüstungsausgaben, die 3,4% ihres BIP ausmachen, aufrechtzuerhalten und sogar zu erhöhen, könnte es für Russland, das fast 5% seines BIP für Rüstung ausgibt und eine Kriegswirtschaft betreibt, obwohl es durch Sanktionen bedroht ist, schwierig werden, dieses Niveau der Aufrüstung aufrechtzuerhalten.

13. DerUS-Imperialismus verfolgt seine Strategie, seine Konkurrenten zu einem frühzeitigen Showdown zu zwingen oder sie in die Knie zu zwingen, nicht nur indem er Russland zu einem Krieg provozierte, Europa zum Schlachtfeld macht und die europäischen Imperialisten zwingt, sich mit ihm zu vereinigen. Er weitet auch seinen Handelskrieg mit China, den er seit mehreren Jahren führt – in erster Linie durch Trump, wobei Europa das sekundäre Ziel darstellte – auf den Industriesektor aus. Die Politik der Schwächung der chinesischen Industrie, insbesondere durch den Ausschluss von der Chipproduktion, hat sich in gewisser Weise auf die chinesische Wirtschaft ausgewirkt, ebenso wie die Veränderung der Transport- und Lieferwege. Bei dem Besuch der damaligen US-Kongresspräsidentin Pelosi in Taiwan ging es nicht nur um die Chipproduktion, sondern auch darum, die Verbündeten in den asiatisch-pazifischen Ländern sowie Taiwan, dem der US-Imperialismus auf die Schulter geklopft hatte, zu ermutigen und diejenigen, die eine unentschiedene beziehungsweise neutrale Position eingenommen haben, in den Windschatten des US-Imperialismus zu bringen.

Durch die Abkehr von seiner Abrüstungspolitik und die Hinwendung zu einer raschen Aufrüstung nimmt Japan nun eine fortgeschrittenere Rolle als Verbündeter und Stütze des amerikanischen Imperialismus in der Region ein. Australien befindet sich in einer ähnlichen Lage, da es sich von seinem Vertrag mit Frankreich abgewandt hat und seine Rüstung, einschließlich der nuklearen, durch das AUKUS-Abkommen mit den USA und Großbritannien ausbaut. Was seine Rolle in der Allianz angeht, ist auch Südkorea, das mehr in Rüstung investiert hat als Italien, ein nicht zu vernachlässigender Verbündeter der USA. In jüngster Zeit waren die USA damit beschäftigt, ihre Beziehungen zu den Philippinen zu erneuern, wo sie seit 30 Jahren keine Truppen mehr stationiert hatten und errichten im Rahmen des 2014 unterzeichneten Abkommens über die verstärkte Verteidigungszusammenarbeit (EDCA) vier neue Militärstützpunkte in dem Land.

Der Nahe Osten, der sich in Richtung Kaukasus, Afrika und Asien ausgedehnt hat, hat für die Imperialisten nichts von seiner Bedeutung verloren. Er befindet sich in einer strategischen Position in Bezug auf Energiereserven und Transportwege. In den letzten Jahren haben sich in dieser Region, die Schauplatz zahlreicher regionaler und nationaler Kriege war, Veränderungen angebahnt. Vor allem die USA haben versucht, ihre Rivalen aus dem Nahen Osten zu verdrängen, was ihnen jedoch nicht gelungen ist und sowohl die USA als auch Russland haben Truppen in der Region stationiert. Auch der Iran, Saudi-Arabien und die Türkei haben in einigen Ländern der Region Truppen stationiert und führen dort militärische Operationen durch. Der Iran ist im Irak, in Syrien, im Libanon und im Jemen aktiv. Die Türkei ist im Irak, in Syrien, Libyen und Aserbaidschan aktiv. Die Saudis, die sich in enger Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten als Führer der Araber ausgeben, als auch gewisse regionale Spannungsfelder nähren und reaktionäre Regime und Kräfte im Nahen Osten unterstützen – von Libyen bis zum Sudan, vom Irak bis zum Jemen – zum Teil auch mithilfe bewaffneter Interventionen.

Dank seiner besonderen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und mithilfe dessen Unterstützung hat der rassistische Zionismus Israels wichtige Schritte unternommen, um die Anerkennung fast aller reaktionären Staaten der Region zu erreichen, mit denen er seine Beziehungen „normalisieren“ wollte. Dies geschah trotz der Besetzung Palästinas und des unaufhörlichen Vergießens palästinensischen Blutes, trotz des Terrors in Jerusalem, das Israel zu seiner Hauptstadt erklärt hat, trotz der fast regelmäßigen Bombardierung des Gazastreifens und im Juli des Westjordanlandes, trotz des Einmarschs von Panzern in Jenin und der Dutzenden von palästinensischen Todesopfern bei jedem Angriff. Mit seinen brutalen Angriffen nach dem 7. Oktober ist dieser „Normalisierungsprozess“ ins Stocken geraten und die Saudis haben ihn ausgesetzt. Keines der Länder der Region hat jedoch die diplomatischen und kommerziellen Beziehungen zu Israel abgebrochen, im Gegenteil, sie haben dem Land weiterhin logistische Hilfe geleistet.

Die offene, genozidale Aggression des israelischen Zionismus gegen Gaza, welche offen von den USA, Großbritannien, den europäischen Imperialisten und fast allen europäischen Ländern, Japan, Australien usw. unterstützt wird, zielt darauf ab, alles Palästinensische aus dieser Region zu tilgen. Diese Aggression macht keinen Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten, erkennt Schulen, Krankenhäuser und heilige Stätten nicht an und hat die Völker der Welt, einschließlich der Völker der imperialistischen Zentren, dazu veranlasst, zu reagieren und riesige Demonstrationen in fast allen Städten zu organisieren. Einer der Hauptgründe, warum die USA und ihre Verbündeten diese unmenschliche Aggression unterstützen (auch auf die Gefahr hin, dass es für sie schwieriger wird, ihre früheren guten Beziehungen zu den arabischen Ländern der Region aufrechtzuerhalten), ist die wachsende Bedeutung eines Verbündeten wie Israel unter den Bedingungen der sich verschärfenden Widersprüche zwischen den Imperialisten, sowie die Tatsache, dass der neue „Wirtschaftskorridor“ von Indien nach Europa durch die zionistisch besetzten palästinensischen Gebiete führen soll. Nach einigem Zögern rufen sowohl der russische als auch der chinesische Imperialismus, mit Hinblick auf die Neuordnung ihrer Beziehungen zu den „islamischen“ Ländern der Region, zu einem „Waffenstillstand“ auf, entwickeln aber keine konkrete Position über diese Worte hinaus, um die israelische Aggression zu stoppen.

14. Während Russland auf das Vorgehen der USA mit einem Angriff auf die Ukraine reagierte, ließ China nicht lange auf sich warten und reagierte auf Pelosis Besuch in Taiwan mit einer massiven Militärübung in der Region. China setzt seine Expansionspolitik mit einem Projekt um, das es vor Jahren ins Leben gerufen hat und das es, in Anlehnung an die „Seidenstraße“, Belt and Road Initiative“ nennt. Das chinesische Projekt sieht vor die ganze Welt um China herum miteinander zu verbinden. Der Putsch in Myanmar ist mit diesem Projekt verbunden. Bangladesch und Pakistan liegen auf der Route der „Straße„, mit großen gemeinsamen Investitionen, Darlehen und Krediten. Das Gleiche gilt für den Iran mit seinem 400-Milliarden-Dollar-Geschäft mit China. Außerdem hat China seine Finanz- und Wirtschaftsbeziehungen zur Türkei verbessert und auch den Frieden zwischen dem Iran und Saudi-Arabien vermittelt, um die „NATO des Nahen Ostens“ zu untergraben, die die USA zur Sicherung der Energieressourcen in der Region zu bilden versuchen.

Die Beziehungen Chinas zu Saudi-Arabien sind ein gutes Beispiel für Chinas effektive Expansion. Xi besuchte Riad zweimal, 2016 und 2022, und empfing den Kronprinzen in Peking. Auf seiner zweiten Reise nahm er an zwei Gipfeltreffen, zum einen mit zehn arabischen Staaten und zum anderen mit dem Golf-Kooperationsrat, teil und unterzeichnete mehrere Abkommen. China bezieht derzeit nicht nur einen großen Teil seines Energiebedarfs aus diesem Land, auch wird ein erheblicher Teil des saudischen Erdöls in China raffiniert und das saudische Energieunternehmen „Saudi Aramco“, welches gemessen an seinen Vermögenswerten die Nummer eins in der Welt ist, hat Milliarden von Dollar in China investiert. Dieser Monopolist hat ein Energieinvestment im Nordosten Chinas abgeschlossen und eine bedeutende Beteiligung an einem privaten petrochemischen Konzern erworben. Eine der Folgen der sich entwickelnden Beziehungen zwischen den beiden Ländern war, dass die saudische Regierung der Aufforderung Bidens, in der Zeit des Ukraine-Krieges die Ölförderung zu erhöhen, nicht nachkam, sondern die Produktion im Einvernehmen mit Russland drosselte. Zweitens hat die saudische Annäherung an den Iran das Potenzial, die amerikanischen Pläne für den Nahen Osten zu sabotieren. Und drittens ist Saudi-Arabien im März dieses Jahres der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) als „Dialogpartner“ beigetreten.

Das Beispiel Saudi-Arabiens, das mit seinen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten eine der wichtigsten Stützen dieses Landes in der Region ist, zeigt den Niedergang der USA sowie die Methode Chinas, seinen Einfluss in der Welt zu vergrößern und seine hegemonialen Sphären zum Nachteil der USA schrittweise auszuweiten, indem es seine finanzielle und wirtschaftliche Macht, die so genannte „Soft Power„, in politische Macht umwandelt, ohne auf militärische Interventionen und Kriege zurückzugreifen.

15. Dennoch wäre es übertrieben zu sagen, dass die Saudis das Lager gewechselt und sich dem Bündnis zwischen China und Russland angeschlossen hätten. Vielmehr versuchen die mehr oder weniger großen bis mittelgroßen kapitalistischen Länder wie Saudi-Arabien, die Türkei, Südafrika, Indien und Brasilien, welche ihrerseits „Regionalmächte“ mit bedeutender Kapitalakkumulation oder Militär usw. darstellen, diese verschärften Widersprüche und Reibungen zwischen den Imperialisten auszunutzen, um ihre eigenen „Sonderinteressen“ in den sich erweiternden Handlungsspielräumen zu verfolgen. In diesem Zusammenhang unternehmen die Saudis nicht nur die notwendigen Schritte im Hinblick auf ihre Interessen in der Welt und der Region, indem sie ihre Beziehungen zu China und Russland verbessern und Frieden mit dem Iran schließen, sondern sie gehören auch zu den Hauptbeteiligten und Investoren des „Neuen Wirtschaftskorridors“, der von Indien ausgehen und über Israel, Zypern und Griechenland nach Deutschland führen soll. Es ist ein Projekt der US-amerikanischen und europäischen Imperialisten, um China und seine „Belt and Road Initiative“ zu blockieren. Ebenso versucht die Türkei in Syrien, im Irak und in Libyen zu expandieren, indem sie die Widersprüche zwischen Russland und den USA ausnutzt. Mit der Verschärfung der Widersprüche zwischen den großen Imperialisten konnten sich bestimmte Länder „freier“ oder „unabhängiger“ als zuvor bewegen, um „ihre eigenen Interessen zu verwirklichen„, was eher als eine Flexibilisierung der Lagerzugehörigkeit für diese Länder als ein Lagerwechsel betrachtet werden kann.

16. Zurück zu China: Im September 2021 schlug Xi Jinping in seiner Rede bei den Vereinten Nationen die Einrichtung einer „Globalen Entwicklungsinitiative“ (GDI) vor und versuchte Chinas Image als „Freund der Welt“ zu festigen. Die Initiative soll Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit und Entwicklungsfinanzierung auf die Tagesordnung setzen und als Vehikel für die Verwirklichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 dienen. Die chinesische Propaganda verbreitet, dass es im Interesse der Völker sei, dass die Unterstützung für die Entwicklungsländer aus China und nicht von Institutionen wie dem IWF kommt! Diese Initiative ist nicht wirkungslos geblieben. Neben dem UN-Generalsekretär haben mehr als 100 Länder und internationale Organisationen ihre Unterstützung bekundet und 68 Länder sind der Gruppe der Freunde der GDI bei der UNO im Oktober 2022 beigetreten.

Ein weiterer Modus Operandi Chinas ist die Vergabe von Krediten und Investitionen an mehrere Länder im Rahmen der „Belt and Road Initiative„. In den ersten Jahren gab China 200 Milliarden Dollar für die Infrastruktur des Projekts aus. Bis 2027 werden die Kosten für das Projekt auf über 1,3 Billionen Dollar geschätzt. China will seine „guten Absichten“ unter Beweis stellen und den Eindruck erwecken, dass es die Darlehen und Kredite als „Hand der Freundschaft“ und „Hilfe“ angesichts des finanziellen und wirtschaftlichen Drucks durch die USA und den IWF verteilt. Zu diesem Zweck verlängerte Peking die Rückzahlung eines Kredits in Höhe von 2 Mrd. USD an Pakistan, dessen Gespräche mit dem IWF gescheitert waren und verhinderte so, dass das Land in Zahlungsverzug geriet.

In den letzten 20 Jahren hat China 22 relativ rückständigen und abhängigen Ländern Darlehen im Wert von 240 Milliarden Dollar gewährt.

Obwohl China behauptet, dass seine Darlehen und Kredite an keine politischen Bedingungen geknüpft und nicht politisch motiviert sind, widerspricht dies der Natur der Sache. Natürlich werden die kreditnehmenden Länder gegenüber China verpflichtet. Während IWF-Darlehen in der Regel zu Zinssätzen von 1,5-2,5% vergeben werden, liegt der durchschnittliche Zinssatz für chinesische Darlehen bei 3-5%.

Im Jahr 2018 lag China mit 1.252 Mrd. USD bei den Kapitalexporten mit großem Abstand an erster Stelle in Asien. Seit 2012 hat es die USA bei den Kapitalexporten nach Afrika überholt und liegt seit 2008 bei den Rohstoffexporten vorn. Auf diesem Kontinent hat China durch die Verschuldung von Regierungen in Höhe von 200 Mrd. USD eine Abhängigkeit geschaffen. Der Anteil Lateinamerikas an den gesamten chinesischen Auslandsinvestitionen und -exporten beträgt rund 20%. Einer IWF-Studie zufolge steht China, wenn man die Offshore-Investments mit einbezieht, bei der Zusammensetzung der ausländischen Kapitalbestände auf dem Kontinent an erster Stelle.

Während China einerseits „Soft Power“ einsetzt und seine wirtschaftliche und politische Expansion beschleunigt, weil es weiß, dass die Rückzahlung der Schulden unausweichlich ist, erhöht es andererseits seinen Verteidigungshaushalt und rüstet stärker auf.

17. Obwohl die USA in der Offensive und dazu in der Lage sind, ihre Rivalen in einen Konflikt zu zwingen, befinden sie sich gegenüber ihrem Hauptkonkurrenten, dem jungen chinesischen Imperialismus, in einem Prozess des Niedergangs. China ist auf dem Vormarsch und beansprucht nicht nur neue Einfluss- und Hegemonialsphären, sondern erobert sie auch. Neben ihrem Atomwaffenarsenal und ihrer weltweiten Militärpräsenz haben die USA noch einige Vorteile, z. B. bei der Herstellung von Chips, aber die Uhr tickt gegen sie.

18. Die Auffassung, dass wir in einer „unipolaren Welt“ leben, in der die USA als Macht, welche in der Lage ist, jeden Aspekt ihrer Politik durchzusetzen, immer noch der alleinige „Boss“ der Welt sind und in der sich alle anderen imperialistischen Länder, welche ihrerseits nicht in der Lage sind, sie zu bekämpfen, dieser Bevormundung unterwerfen, entspricht nicht der Wahrheit. Die Welt ist seit Jahren „multipolar“, und das zeigt sich daran, dass die USA zwar in vielen Fragen immer noch durchsetzungsfähig sind, aber nicht immer bekommen, was sie wollen und dass sie in fast allen Fragen mit Konkurrenten konfrontiert sind. Im Moment suchen die USA nach einem Weg, ihre Hegemonialstellung, die sie mit normalen Mitteln nicht halten können, in einem Krieg mit Russland aufrechtzuerhalten. Trotz aller Bemühungen dies zu verhindern, weitet China seine hegemonialen Einflusszonen gegenüber den USA auf allen Kontinenten, einschließlich Lateinamerika, aus und Russland schreckt vor keinem Krieg zurück, um das, was es besitzt, zu schützen und auszubauen. Die europäischen Imperialisten, die sich in der Vergangenheit mit dem NATO-Schirm begnügten, arbeiten einerseits als NATO-Partner eng mit den USA zusammen, verfolgen aber andererseits ihre eigenen unabhängigen Interessen und bauen ihre eigenen, separaten, europäischen Armeen als militärische Basis ihrer wirtschaftlichen und politischen Einheit auf.

19. In diesem Rahmen sind auch die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) zu berücksichtigen, die von einigen reformistischen Ansätzen als „aufstrebende Staaten “ oder „autonome Entwicklungsalternative“ eingestuft werden, weil sie China und Russland mit einbeziehen.

Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass imperialistische Länder wie Russland, China, Frankreich und Deutschland, die ihren Anteil an der Welt fordern und entsprechend expandieren, die Welt schon lange nicht mehr als „unipolare Welt“ mit dem US-Imperialismus als alleinigem Herrscher betrachten. Sogar mehr oder weniger große bis mittelgroße nicht-imperialistische Länder haben die Möglichkeit, sich in der „multipolaren“ Welt Raum zu verschaffen. Die Existenz und die Expansion der BRICS-Staaten sind ebenso ein Beweis dafür wie die Tendenz Chinas, die übrigen BRICS-Staaten als „Sprungbrett“ für seinen Kapitalexport und seine wirtschaftliche Expansion im Allgemeinen zu nutzen.

Der Zusammenschluss, der mit dem Beitritt Südafrikas im Jahr 2010 in BRICS umbenannt wurde, wurde 2006 von Brasilien, Russland, Indien und China als Teil eines Kampfes gegen die Hegemonie des Westens und insbesondere der USA gegründet. Dieser Zusammenschluss stärkt vor allem die großen und mittelgroßen Länder, welche versuchen, die zusätzlichen Manövriermöglichkeiten zu nutzen, die sich aus den zunehmenden Spannungen zwischen den Imperialisten ergeben. In Wirklichkeit wird er allerdings von China und Russland gelenkt und von diesen hauptsächlich als Basis genutzt. Im Jahr 2014 hat die „Union“ mit einer Wirtschaftsgröße von 26 Billionen Dollar, die etwa die Hälfte der Weltbevölkerung und 26% des gesamten Welt-BIPs repräsentiert, eine „Entwicklungsbank“ mit einem Kapital von 250 Milliarden Dollar gegründet, der sich später die VAE anschlossen, um ihre Expansion durch die Vergabe von Krediten für „Entwicklungs„-Projekte zu erleichtern. Die Möglichkeiten, die diese Bank mittelgroßen Ländern bietet, haben mehr als 30 Länder dazu veranlasst, eine Mitgliedschaft zu beantragen.

Auf dem BRICS-Gipfel in Südafrika Ende letzten Sommers wurden Argentinien, Ägypten, Iran, Äthiopien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zur Mitgliedschaft eingeladen. Die neuen Mitgliedschaften werden am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Die Union wird es den mittelgroßen abhängigen Ländern zwar ermöglichen, ihre „eigenen“ Interessen zu verfolgen, in Wirklichkeit wird sie jedoch die Position Russlands und insbesondere Chinas gegenüber den USA stärken und neue Abhängigkeitsverhältnisse für die Länder schaffen, die nach neuen Möglichkeiten suchen.

20. In der jüngsten Konfrontation zwischen den Imperialisten hat nicht nur Russland aufgrund der Auswirkungen der Sanktionen und der Anti-Kriegs-Opposition im Inland Schwierigkeiten, den Krieg fortzusetzen. Auch die USA, der Hauptakteur hinter der Provokation, dem Anheizen und der Fortführung des Krieges in der Ukraine, haben gewisse Probleme. Auch wenn sie sich noch nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, ist es für sie schwierig, die europäischen Imperialisten für lange Zeit hinter sich zu bringen. Ein weiterer Grund, welcher es den USA und ihren Partnern schwer macht, den Krieg in der Ukraine fortzusetzen, ist der gegenseitige Verlust von Menschenleben. Russland hat bisher mehr als 10 Generäle und etwa ebenso viele Kriegsschiffe verloren und sah sich mit dem Aufstand der Söldnergruppe Wagner konfrontiert. In einer seiner jüngsten Reden sagte Putin, dass er 617.000 Soldaten in der Ukraine kämpfen lässt und dass im vergangenen Jahr 300.000 Rekruten einberufen wurden. Tatsächlich hat Russland zu Beginn seiner Besatzung rund 350.000 Soldaten in das Land entsandt. In einem geheimen US-Geheimdienstbericht wurden die neuen Rekrutierungen Russlands mit Verlusten begründet, die auf 315.000 geschätzt werden, also 90% der ursprünglichen entsendeten Truppenstärke. Natürlich übertreiben die USA, das Vereinigte Königreich und die europäischen Rivalen die russischen Truppenverluste, während sie die Tatsache verschweigen, dass die Ukraine Truppen verliert und Schwierigkeiten hat, den Krieg fortzusetzen. Tatsächlich verliert die Ukraine jeden Tag mehr als 100 Soldaten. Die ukrainische Regierung hat große Schwierigkeiten, Truppen an die Front zu bringen und sie versucht mit der großen Zahl von Desertationen und den weit verbreiteten Demonstrationen von Familien gegen die Entsendung ihrer Söhne zur Armee fertig zu werden.

21. Für den US-Imperialismus und seine westlichen Verbündeten ist der Ukraine-Krieg zu einem zweischneidigen Schwert geworden. Es stimmt, dass der Krieg Russland schwächt. Aber gleichzeitig haben chinesische Unternehmen all die Unternehmen ersetzt, die ihre Tätigkeit in Russland eingestellt haben und Indien und China haben Europa als Energiemärkte abgelöst. Der Außenhandel Russlands mit China hat einen Rekordwert von 190 Milliarden Dollar erreicht und 16% dieses Handels – gegenüber 0,5% vor dem Krieg – wird in Yuan abgewickelt. Dies zwingt Russland zu einer immer stärkeren Annäherung an China. Der Krieg stellt jedoch eine extreme Belastung für die europäischen Imperialisten dar, denen die billige Energie, die ihre Industrie benötigt, vorenthalten wird, vor allem da ihre Bevölkerung zu weit verbreiteten Streiks und Demonstrationen für Lohnerhöhungen und gegen die steigenden Lebenshaltungskosten übergegangen ist. Und auch auf der Ukraine, die unter Zerstörungen und einem Mangel an Soldaten zur Fortsetzung des Krieges leidet, lastet der Krieg schwer. Erst letztes Jahr forderte H. Kissinger, auch wenn er seine Position später änderte, dass der Krieg nicht verlängert werden sollte und dass er mit der Aufgabe von Gebieten durch die Ukraine enden sollte.

Zu diesem Zeitpunkt rief China, das Russland nicht offen unterstützt und sich bei der UN-Abstimmung der Stimme enthalten hat, zu einem Waffenstillstand auf und kündigte im Februar einen Friedensplan an. Während Selenskyj erklärte, er werde sich mit seinem chinesischen Amtskollegen zu diesem Thema treffen, erklärten die USA, der Plan komme einer „De-facto-Ratifizierung der territorialen Eroberung durch Russland“ gleich, verzichteten aber auf laute Gegenpropaganda. Im April unterstützte der brasilianische Präsident Lula nach seiner Reise nach China den chinesischen Friedensplan mit den Worten, dass „die USA aufhören sollten, den Krieg zu fördern und bereit sein sollten, über den Frieden zu sprechen„. Auch wenn die Sanktionen gegen Russland nicht sofort aufgehoben werden, wäre es angesichts der abnehmenden Hilfe und der zunehmenden Schwierigkeiten in der Ukraine, trotz der Hilfe in Form von Flugzeugen und Panzern, nicht überraschend, wenn noch in diesem Jahr Gespräche über die Beendigung des Krieges aufgenommen würden. Dies wird jedoch sicherlich nicht zu einer Beruhigung der sich verschärfenden Widersprüche und Kämpfe zwischen den Imperialisten führen und eine neue Konfrontation zwischen den Rivalen im Rahmen eines anderen Themas an einem anderen Ort ist wahrscheinlich.

Die „große Sommeroffensive“ der Ukraine, die stark propagiert und durch umfangreiche Waffenlieferungen unterstützt wurde, endete in einem Fiasko und konnte Russland nicht zum Einlenken zwingen. Auf der Tagung der NATO-Außenminister Ende November in Brüssel waren die häufigsten Worte „Stillstand“ und „Kampfmüdigkeit„. Dann sprach der NATO-Generalsekretär auf einer Pressekonferenz vom „Sieg der Ukraine“ und führte als Beweis an, dass „die Besatzer Opfer zu beklagen haben, einige besetzte Gebiete befreit wurden und die Ukraine in der Lage ist, ein unabhängiges Land zu bleiben„. Das überzeugt die Ukraine natürlich nicht, die durch den Krieg verwüstet wurde, deren wichtigste Industriegebiete im Osten unter russische Kontrolle geraten sind, deren Wirtschaft zusammengebrochen ist, die mehr als 300.000 Tote und die Auswanderung von Millionen ihrer Bürger zu beklagen hat und die noch abhängiger von den USA und der EU geworden ist als zuvor. Allerdings werden die USA und ihre Verbündeten und sicherlich nicht die Ukraine über ihre Zukunft entscheiden und die Ukraine wird sich möglicherweise mit der NATO- und EU-Mitgliedschaft begnügen müssen, während sie gleichzeitig zerstört wird. Denn das Ende der schwindenden Unterstützung ist in Sicht: Biden ist es nicht gelungen, 60 Milliarden Dollar an Hilfe durch den Senat zu bringen, Deutschland signalisiert, dass die versprochenen 8 Milliarden Euro die letzten sind und das Vereinigte Königreich hat die Hilfe bereits gebremst.

DIE ENTWICKLUNG DER WELTWIRTSCHAFT

22. Die Weltwirtschaft begann sich 2021 von der Krise zu erholen, in die sie Ende 2019 und Anfang 2020 nach der Stagnation in Europa und den Auswirkungen der Pandemie geraten war. Fast alle Indikatoren waren positiv, allerdings dauerte dieser Zustand nicht lange an. Das Jahr 2022 war ein Jahr, in dem sich das Wachstum der Weltwirtschaft mit Ausnahme einiger weniger Länder verlangsamte und viele Volkswirtschaften, insbesondere in der Eurozone und in Japan, in die Stagnation gerieten.

23. Der“World Economic Outlook“ des IWF für April 2023 stellt fest (in Prozentpunkten), dass mit Ausnahme der Ukraine (-3), Chile (-1), Schweden und Jemen (-0,5), dem Vereinigten Königreich (-0,3) und Deutschland (-0,1) die Volkswirtschaften aller Länder wachsen. Der IWF räumt jedoch auch ein, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft im Vergleich zum Vorjahr von 6,3% im Jahr 2021 auf 3,4% im Jahr 2022 verlangsamt hat. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist der Rückgang sogar noch ausgeprägter und das Wachstum verlangsamte sich auf 2,7% im Jahr 2022. Im April 2023 war die Lage sogar noch düsterer, da das Wachstum in den Industrieländern auf 1,3% zurückgegangen war, obwohl es weltweit leicht auf 2,8% anstieg.

Die Zahlen der Weltbank sind nicht viel anders. Die Bank berichtet, dass das Wirtschaftswachstum in den USA von 5,9% im Jahr 2021 auf 1,9% im Jahr 2022 und auf schätzungsweise 0,5% im Jahr 2023 gesunken ist. Die Eurozone hingegen ist von 5,3% auf 3,3% zurückgegangen, und für 2023 wird ein Wachstum von 0,0% erwartet.

Das Bild wird noch düsterer, wenn das Wachstum des Handelsvolumens und der Industrieproduktion als qualitative Indikatoren anstelle von Wirtschaftswachstumsraten verwendet werden, die die tatsächliche Größe der Wirtschaft nicht vollständig widerspiegeln, da sie die Aktivitäten des Finanz- und Dienstleistungssektors – einschließlich spekulativer Transaktionen, welche Blasen verursachen – einschließen.

Industrie und Handel

24. Nach den Daten des Niederländischen Büros für Politische Wirtschaftsanalyse verlangsamte sich die Wachstumsrate der weltweiten Industrieproduktion von 7,8% im Jahr 2021 auf 3,1% im Jahr 2022, wenngleich die Produktion weiterhin zunahm. Der gleiche Rückgang ist bei der Wachstumsrate des Welthandelsvolumens zu beobachten, die von 10,4% im Jahr 2021 auf 3,2% im Jahr 2022 sank und damit zwar weiterhin wuchs, allerdings langsamer. Abgesehen von Russland, den osteuropäischen Ländern und dem Vereinigten Königreich, welche negative Wachstumsraten aufweisen, wächst die Industrieproduktion in den wichtigsten Ländern und Regionen wie den Vereinigten Staaten (3,4%), China (3,7%), der Eurozone (1,4%), Japan (0,2%) und Lateinamerika (2,6%), auch wenn sie rückläufig ist.

25. Die Daten desselben Büros zeigen, dass der Rückgang der Wachstumsraten, der 2022 im Vergleich zu 2021 sowohl bei der weltweiten Industrieproduktion als auch beim Handelsvolumen zu verzeichnen war, in einen Rückgang mit negativem Wachstum umgeschlagen ist, wenn man die letzten beiden Quartale des Jahres 2022 vergleicht.

Im letzten Quartal 2022, als die jährlichen Wachstumsraten noch positiv waren, setzte sich das negative Wachstum bzw. der Rückgang der Industrieproduktion und des Handelsvolumens – im Vergleich zum Vorquartal – nicht fort. In den ersten Monaten des Jahres 2023 gab es eine leichte Erholung und einen gewissen Anstieg der weltweiten Industrieproduktion. Es kann jedoch gesagt werden, dass die Industrieproduktion weiterhin mit niedrigen Raten zunehmen wird und die Wachstumsrate eher ab- als zunehmen wird, was auch der IWF vorhersagt.

26. Andererseits hat sich die leichte Erholung der Industrieproduktion Anfang 2023 sowohl in der Welt als auch in den großen Volkswirtschaften nicht auf das Handelsvolumen ausgewirkt. Das Welthandelsvolumen, das im letzten Quartal 2022 ein negatives Wachstum aufwies, setzt diesen Trend fort. Dies deutet auch darauf hin, dass sich ab dem letzten Quartal 2022 die Kluft zwischen der weltweiten Industrieproduktion und der Entwicklung des Handelsvolumens vergrößert. Zu den Faktoren, die zur Vergrößerung der Kluft beitragen, gehören der Krieg in der Ukraine, der den Handel mit Erdgas und Getreide durch Störungen und Unterbrechungen der Versorgungskette negativ beeinflusst hat, Veränderungen der internationalen Transportwege und steigende Rohstoffpreise. Die Tatsache, dass der kapitalistische Weltmarkt nicht proportional zur Produktion wächst, sondern hinterherhinkt, und dass sich die Kluft zwischen den Wachstumsraten der Industrieproduktion und des Handelsvolumens vergrößert, ist ein Zeichen dafür, dass sich die auf Überproduktion beruhenden Krisenelemente in der Weltwirtschaft häufen.

Landwirtschaft

27. Vergleicht man die Weltagrarproduktion im vergangenen und im laufenden Jahr, so zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Steigerungsraten der Industrieproduktion. In den letzten Jahren haben der Klimawandel und die damit verbundenen Naturkatastrophen und Dürren, sowie der 2022 begonnene Krieg zwischen Russland und der Ukraine, nicht nur die landwirtschaftliche Produktion, sondern auch den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen beeinträchtigt. Gemessen an der Produktion der drei wichtigsten Grundnahrungsmittel, das heißt Weizen, Mais und Reis, ist die Produktion der beiden letztgenannten zurückgegangen, während die Weizenproduktion gestiegen ist.

Bei Weizen konnte die Erzeugung von 780,3 Mio. Tonnen im Jahr 2021/22 den Weltverbrauch von rund 794 Mio. Tonnen in diesem Jahr nicht decken, so dass auf die Vorräte zurückgegriffen wurde. 2022/23 wurde die Erzeugung von 788,3 Mio. Tonnen erreicht, was einem Anstieg von 8 Mio. Tonnen entspricht und der Fehlbetrag wurde erneut aus den Vorräten gedeckt. Die Maiserzeugung hingegen war stark rückläufig: Sie sank von 1.217,3 Millionen Tonnen im Jahr 2021/22 auf 1.150,2 Millionen Tonnen im Jahr 2022/23 und konnte den Verbrauch nicht mehr decken. Die weltweite Reiserzeugung folgte einem ähnlichen Muster: Sie sank von 513,9 Millionen Tonnen im Jahr 2021/22 auf 508,4 Millionen Tonnen im Jahr 2022/23 und reichte damit nicht für den Verbrauch aus. Während die Produktion von Butter, Käse, Milch, Rinder- und Geflügelfleisch in diesen Jahren mit sehr geringen Steigerungen nahezu gleichblieb, stieg der Gesamtverbrauch in all diesen Bereichen entsprechend dem Bevölkerungswachstum von 80 Millionen Menschen.[1]

28. Von 2021/22 bis 2022/23 stieg das Welthandelsvolumen für Weizen, sank aber für Mais um 20 Millionen Tonnen und für Reis um 1,9 Millionen Tonnen. Die gesamten Weltvorräte, von denen China in den letzten fünf Jahren 110 Millionen Tonnen Reis und etwa die Hälfte der übrigen Vorräte gehalten hat, belaufen sich jedoch auf 260 Millionen Tonnen Weizen, 140 Millionen Tonnen Reis und 313 Millionen Tonnen Mais. Die Weltmarktpreise für Reis stiegen ab September 2022 tendenziell an, wenn auch nicht schnell, während die Preise für Weizen und Mais mit geringen Schwankungen fielen. Vorläufig können einige Millionen Tonnen für den Verbrauch der drei Grundnahrungsmittel, von denen zwei ebenfalls im Preis sinken, aus den Vorräten gedeckt werden, sodass die „Nahrungsmittelkrise„, vor der manche gewarnt haben, noch nicht eingetreten ist.

29. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass von einem Aufschwung und einer Wiederbelebung der kapitalistischen Weltwirtschaft, die kein gutes Jahr 2022 hinter sich hat, keine Rede sein kann. Die Welt erlebt weiterhin einen stockenden Prozess in der Entwicklung von Industrie, Landwirtschaft und Handel.

Hohe Inflationsraten

30. Die Welt hat in den letzten Jahren mit hohen Inflationsraten zu kämpfen. Seit dem Sommer 2022 sind die Raten stetig gestiegen und haben in vielen Ländern zweistellige Werte erreicht. Die steigende Inflation, beziehungsweise die Abwertung der Währung, wird von den Kapitalisten oft auf den Krieg in der Ukraine zurückgeführt, doch wurde sie gleichzeitig durch den exzessiven Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise und durch den „Überschuss“ an im Umlauf befindlichem Geld angeheizt. Die Politik des billigen Geldes beziehungsweise der Nullzinsen, die am Anfang der Pandemie durch die rasche Zunahme der staatlichen Kreditaufnahme in den kapitalistischen Ländern, einschließlich der am weitesten entwickelten, und im weiteren Verlauf durch das Drucken von Geld ermöglicht wurde, mit dem Ziel die Monopole zu stützen, wurde mittlerweile untragbar. Auf den Märkten fast aller kapitalistischen Länder zirkulieren noch immer neu gedruckte, frische Banknoten. Die Inflationsraten, die durch die Wiederbelebung der Wirtschaft in den kapitalistischen Ländern im Jahr 2021 nach der Pandemie unterdrückt wurden, haben alle Länder nach der Stagnation in der Wirtschaft erfasst und vervielfachen und verstärken sie. Neben Ländern wie Argentinien und der Türkei, die seit langem hohe Inflationsraten aufweisen, erlebten auch die relativ stabilen Staaten wie die USA und die Staaten der Eurozone eine hohe Inflation.

31. Im März 2023 ist die Inflation im Vergleich zum Ende des letzten Jahres leicht zurückgegangen, aber die relativ hohen Raten bleiben bestehen. Im Moment hat sich die Inflation verlangsamt. Ein Blick auf die G20-Länder zeigt Folgendes: Die niedrigste Jahresrate ist in China zu verzeichnen, sie sank von 1% im Februar auf 0,7% im März. In fast allen Ländern ging die Rate um einige Prozentpunkte zurück und liegt nun bei folgenden Werten: 3,2% in Japan; 4,6% in Brasilien; 5% in den USA; 5% in Indien; 5,6% in Indien; 5,7% in Frankreich; 7,4% in Deutschland; 6,9% in der Eurozone und 10,1% im Vereinigten Königreich.

32. Während ein Teil der Last der hohen Inflation von den fortgeschrittenen kapitalistischen imperialistischen Staaten auf dem Rücken ihrer eigenen Arbeiterklasse abgewälzt wird, wird ein erheblicher Teil auf die abhängigen Länder – in Form von ausländischen Investitionen, „Know-how„, ausländischen Krediten, Kredit- und Handelsdefiziten – übertragen, die von den Völkern der Welt zu tragen sind. Dieser Lastentransfer hat seit 1971 zugenommen, als die USA aus dem Bretton-Woods-Abkommen ausstiegen und der Goldgegenwert des Dollars, der als internationale Währung vorgeschrieben war, abgeschafft wurde, sein Preis frei schwanken konnte und in dessen Folge auch alle übrigen Industrieländer ihre Währungen freigaben.

Die Räder drehen sich durch Schulden weiter

33. Es stimmt, dass die Pandemie die Tendenz zur Verschuldung angeheizt hat, auch wenn die Verschuldung, insbesondere die häufige Ausgabe von Staatsanleihen und Schatzwechseln durch die Staaten, eine normale Tendenz und ein normales Mittel des Kapitalismus ist, um die Last durch Vermögensübertragung auf den Rücken der Arbeiterklasse zu verlagern. Es ist jedoch eine Tatsache, dass die staatliche (und private) Verschuldung in den letzten Jahren zugenommen hat.

Die kapitalistischen Staaten haben nicht darauf verzichtet, Kredite aufzunehmen – insbesondere in den Zeiten der Zunahme wirtschaftlicher und finanzieller Schwierigkeiten -, um das Kapital – insbesondere die Monopole – durch verschiedene Arten von Anreizen und Steuersenkungen zu unterstützen und um staatliche Investitionen und Ausgaben zu finanzieren, auch wenn sie diese insgesamt reduziert haben. Bestimmte Engpässe im Getriebe des Kapitalismus sowie die neuen Belastungen durch den Anstieg der Inflation haben zu einer Zunahme der staatlichen Kreditaufnahme sowie zu anderen „Maßnahmen“ wie Zinserhöhungen geführt.

Relativ rückständige und abhängige Staaten nahmen auch Kredite auf, um Handels- und Primärüberschussdefizite zu decken, die Abwertung ihrer Währungen auszugleichen und vor allem um Infrastrukturinvestitionen zu finanzieren, die für ihre eigenen Kapitalisten zu groß waren. Das Hauptproblem für die abhängigen Länder mit der relativen Rückständigkeit der Wirtschaft und der tiefgreifenden Korruption und dem daraus resultierenden erhöhten Bedarf an Krediten besteht darin, dass sie, wie im Falle Argentiniens und Pakistans, Kredite nur zu bestimmten wirtschaftlichen und politischen Bedingungen aufnehmen können, die von den imperialistischen Staaten und Finanzinstitutionen wie dem IWF sowie von Banken und Finanzinvestitionsgesellschaften wie den „Londoner Geldverleihern“ auferlegt werden und dass die Zinssätze für die Schulden mit den wachsenden Schwierigkeiten des Landes steigen.

Im letzten Jahr haben wir einen massiven Anstieg der Staatsverschuldung erlebt. Heute sind viele kapitalistische Länder in einem Maße verschuldet, das ihr BIP übersteigt und die höchste Verschuldung weisen die imperialistischen Länder mit starken Volkswirtschaften auf.

Hier eine Liste einiger verschuldeter Länder, ausgedrückt in Prozent des BIP (Stand: 2022 Dezember): Japan (258%), Griechenland (166%), Sudan (151%), Italien (140%), USA (122%), Portugal (112%), Frankreich (111%), Spanien (110,5%), Belgien (106%), Großbritannien (106%), Indien (93%), Brasilien (88%), Ägypten (87%), China (82,4%), Bolivien (82%), Tunesien (80%), Argentinien (76%), Ungarn (73%), Deutschland (67%), Malaysia (67%), Kenia (67%), Mexiko (55%), Russland (24,9%).[2]  Die Rangfolge der am höchsten verschuldeten Länder, gemessen an den Schuldenbeträgen in Billionen Dollar ab 2022, lautet wie folgt: USA (24,5), UK (8,7), Frankreich (7), Deutschland (6,5), Japan (4,4), China (2,6).

Es ist unbestreitbar, dass die Kreditaufnahme ein wesentlicher Bestandteil des Kapitalismus ist, sei es durch Staaten, Unternehmen oder Einzelpersonen und der weltweite Schuldenstand steigt. Nach Angaben des „Institute of Foreign Finance“ stieg der weltweite Schuldenbestand im ersten Quartal 2023 um 8,3 Billionen Dollar auf 305 Billionen Dollar. Davon werden 161,7 Billionen von Unternehmen (53 Prozent), 85,7 Billionen von Regierungen (28 Prozent) und 57,6 Billionen von Privatpersonen (19 Prozent) gehalten. Die Gesamtverschuldung ist im Vergleich zur Zeit vor der Covid-Pandemie um 45 Billionen Dollar gestiegen.[3]

Zinserhöhungen und straffe Geldpolitik

34. Es ist jetzt eine Routinemaßnahme: Angesichts der Inflation erhöhen die Zentralbanken die Zinssätze, während die Regierungen ihre Geldpolitik straffen und die Staatsausgaben kürzen. Das ist das Rezept des IWF für alle Länder, die mit Inflation zu kämpfen haben.

Ende 2021 begannen die Zentralbanken, die Zinssätze zu erhöhen und sie taten dies häufig bis 2023. Der höchste Zinssatz lag im September 2022 in Argentinien bei 75% und wurde auf 81% angehoben, nachdem die Inflation im März dieses Jahres 100% überschritten hat und eine neue 2.000-Peso-Note auf der Tagesordnung steht. Die höchsten Zinssätze im März waren in Brasilien (13,75%) und Mexiko (11,25%) zu verzeichnen.

Die „Bank of England“ erhöhte die Zinssätze schrittweise von 3,5% im Dezember 2022 auf 5,25% im Dezember 2023. Die US-Notenbank (FED) erhöhte die Zinssätze im letzten Jahr um 4,75%, die dadurch im Mai 2023 5-5,25% erreichten und im Dezember bei 5,25-5,50% lagen. Im Mai betrugen die Zinssätze in Russland 7,5%, in Indien 6,5% und in China 3,65%. In China wurde der Satz zunächst auf 3,55% und im August auf 3,45% gesenkt und lag im Dezember bei 3,45%. In Russland liegt die Rate nun bei 16% und damit mehr als doppelt so hoch wie im Mai (7,5%), während sie in Indien von Mai bis Dezember unverändert bei 6,5% liegt. In der Eurozone hat die Europäische Zentralbank den Zinssatz von 3% zu Beginn des Jahres schrittweise auf 3,75% angehoben und seit September liegt er bei 4,5%.[4]

Die Zinserhöhungen gehen mit einer Verschärfung der Geldpolitik und Kürzungen bei den öffentlichen Dienstleistungen einher.

35. Alle Banken folgten den Zinserhöhungen der Zentralbanken und erhöhten die Kreditzinsen. Eine unmittelbare Folge war ein Anstieg der Hypothekenzinsen. Die Hauspreise stiegen zunächst stark an, dann verlangsamte sich der Anstieg, die Preise erreichten Ende 2022 ihren Höchststand und fielen dann. Die hohen Hypothekenzinsen haben zu einem Rückgang der Hauskäufe geführt, während die Mieten stark angestiegen sind. Die Zinserhöhungen hatten eine stagnierende Wirkung auf die Märkte.

36. Nicht nur dieZinserhöhungen wirkten sich negativ auf die Banken aus, indem sie die Kreditvergabe reduzierten und ihre Gewinne schmälerten, sondern ein weiterer wichtiger negativer Effekt war, dass die Staatsanleihen, mit denen sie ihre Kassen gefüllt hatten, insbesondere US-Staatsanleihen, mit dem Anstieg der Zinssätze an Wert verloren.

Die Zentralbanken haben die Zinssätze vor allem deshalb angehoben, um die hohe Inflation zu bekämpfen und den Kapitalzufluss in ihre Länder zu erhöhen, aber gleichzeitig haben die Kapitalisten, die über große Mengen an Bargeld verfügen, den periodischen Anstieg und Fall der Zinssätze als Methode für Wachstum und Vermögenszuwachs genutzt. Wenn große Geldsummen gehandelt werden, bringen selbst kleine Zinsschwankungen enorme Gewinne. So hat Warren Buffet, CEO von Berkshire Hathaway, der als „erfolgreichster Investor aller Zeiten“ gilt, im Zeitraum 2020-2023 allein durch das „Spielen“ mit den Zinssätzen 157 Milliarden Dollar „verdient“.

Zinserhöhungen betreffen die Banken

37. Das erste Problem im Finanzsektor trat an der Kryptowährungsbörse im November 2022 auf. Als der Wert der FTX-Kryptomünzen, der zweitgrößten Börse des Sektors mit einem Wert von 32 Mrd. USD, einbrach, begannen die Kunden ihr Geld abzuziehen. Das Zahlungsproblem konnte nicht durch die Beschaffung von Krediten gelöst werden und da der Verkauf an der Börse ausblieb, war ein Konkursantrag unvermeidlich. Der Konkurs, der einmal mehr die völlig unsichere Profitmacherei durch Kryptowährungen aufzeigt, ist das Ergebnis der unverantwortlichen Profitmacherei von FTX und der Zinserhöhungen der FED.

Im Dezember 2022 kündigte die britische Regierung an, dass sie große Veränderungen im Bankensektor vorbereite, da London nach dem Brexit seine Position als „Finanzzentrum Europas“ verlieren könnte. Auf der anderen Seite bereitet auch die EU eine ähnliche „Reform“ vor.

38. Anfang März dieses Jahres musste die „Silicon Valley Bank“ (SVB), Rang 16 in den USA, Konkurs anmelden, was schockierende Auswirkungen auf das internationale Bankensystem hatte. Bei einer Bilanzsumme von 209 Mrd. USD und Gesamteinlagen von 175,4 Mrd. USD (Stand: Dezember 2022) wurde der Zusammenbruch der SVB durch Zinserhöhungen der Zentralbanken verursacht. Die Zinserhöhungen verringerten den Marktwert der von der Bank gehaltenen Anleihen, die in großem Umfang US-Staatsanleihen zu niedrigen Zinssätzen gekauft hatte. Als die Zinsen stiegen, fielen die Erlöse aus „festverzinslichen“ und langfristigen Staatsanleihen unter die Erlöse aus kurzfristigeren spekulativen Anlagen. Die Geldbesitzer gingen dazu über, sich Geld für kurzfristige, aber höher verzinste Kredite zu leihen und die Anleger/Einleger begannen, ihre Einlagen bei der SVB abzuziehen. Die Bank war nicht in der Lage, den Fehlbetrag von 2.250 Millionen Dollar aus dem Verkauf von Anleihen zu decken, deren Wert sank. Sie war gezwungen zu verkaufen, um ihren Bargeldbedarf zu decken, und ging in Konkurs.

Die Zinserhöhungen, die zu einem Rückgang der Erträge aus langfristigen Staatsanleihen führten, hatten die gleichen Auswirkungen auf andere „festverzinsliche“ Anleihen. Sinkende Marktwerte von Anleihen im Gesamtwert von etwa 2,2 Billionen Dollar destabilisierten die Wirtschaft und viele Banken. Die Märkte für festverzinsliche hypothekarisch gesicherte Wertpapiere im Wert von 12 Billionen Dollar und für Unternehmensanleihen im Wert von 10 Billionen Dollar erlitten ebenfalls große Wertverluste, was für die Banken, die festverzinsliche Wertpapiere in ihren Tresoren hielten, ein entscheidender destabilisierender Faktor war.

Zwei Tage später wurde die „Signature Bank“, die sich mehr auf Kryptowährungen konzentrierte, auf ähnliche Weise in den Konkurs getrieben und von der „Federal Deposit Insurance Corporation“ (FDIC) geschlossen. Kurz darauf stellten elf US-Banken eine Finanzspritze in Höhe von 30 Mrd. USD zur Verfügung, um „First Republic“ zu retten, eine in Kalifornien ansässige Bank, deren Aktien innerhalb einer Woche um 70% einbrachen und deren Konkurs befürchtet wurde. Anfang April erklärte „JPMorgan Chase“, einer der „Retter„, dass man nicht mit einer Krise wie 2008 rechne, dass aber „die Bankenkrise noch nicht vorbei ist„. In Wirklichkeit befürchtete man, dass das Bankensystem durch den Zusammenbruch der dritten Bank schwer erschüttert werden würde und die amerikanischen Banken eilten ihr mit Unterstützung der Regierung zu Hilfe. (Als dies nicht ausreichte, wurde die Bank im Mai von „JPMorgan Chase“ übernommen).

Zu diesem Zweck wurden zunächst die Vermögenswerte der SVP in Höhe von 88,5 Mrd. USD, einschließlich Rabatten, zu günstigen Bedingungen von der ebenfalls in Kalifornien ansässigen „First Citizens Bank“ erworben.

39. Dennoch konnten weltweite Auswirkungen der Insolvenzen nicht vermieden werden. Zunächst wurde die britische Tochtergesellschaft der SVB von der HSBC gerettet, die sie für 1 Pfund aufkaufte. Noch wichtiger war, dass die Aktien des Schweizer Bankriesen „Credit Suisse“, der als „schwaches Glied des Bankensystems“ galt, in kurzer Zeit um 24% einbrachen und sich trotz der 54 Mrd. Dollar Unterstützung durch die Schweizer Zentralbank nicht erholen konnten. Schließlich wurde die Bank von ihrem Konkurrenten UBS, mit Risikohilfe der Regierung und dem Versprechen von 110 Milliarden Dollar Liquidität von der Zentralbank, aufgekauft. Dies verhinderte jedoch nicht, dass die Aktien der „Credit Suisse“, die im ersten Quartal des Jahres einen Abfluss von 69 Mrd. USD zu verzeichnen hatten, um 62% unter den Verkaufspreis fielen und auch nicht, dass die UBS-Aktien nach der Übernahme um 8,8% fielen. Und nicht nur das: Der Bankenindex des „Stoxx 600“, der 600 der größten europäischen Unternehmen umfasst, fiel um 3,4% und machte damit die gesamten Gewinne des Jahres zunichte.

Die Aktienindizes der USA und des Vereinigten Königreichs sowie die europäischen Aktienmärkte erlitten aufgrund der Auswirkungen der Rettungsmaßnahmen durch Konkurse und Übernahmen erhebliche Einbußen. Die französische Bank „Societe Generale SA“ verlor 12%, „BNP Paribas“ 10%, die „Deutsche Bank“ 8% und die britische „Barclays“ 8%. Die Aktien der spanischen „Santander“ und der deutschen „Commerzbank“ fielen um 10%.

40. Als Reaktion auf den Schock im Bankensystem und die Verluste bei den Aktienwerten beschlossen die US-Notenbank und die Zentralbanken des Vereinigten Königreichs, Japans, Kanadas, Europas und der Schweiz in Abstimmung mit der US-Notenbank, den Umlauf des US-Dollars zu erhöhen, um das Vertrauen in die Finanzmärkte zu stärken. Trotz aller Maßnahmen ist jedoch klar, dass sich der Rückgang der Wachstumsraten in der Industrie- und Agrarproduktion und des Handelsvolumens auch im Finanzsektor niederschlägt und in Verbindung mit den Problemen dieses Sektors einige negative Auswirkungen auf den Weltkapitalismus hatte.

41. Die kapitalistische Welt sieht sich mit den Folgen der Zeit konfrontiert, in der ihre Regierungen eine Nullzinspolitik verfolgten. In der Ära der Nullzinsen und des billigen Geldes kauften viele Banken und Unternehmen Staatsanleihen oder emittierten ihre eigenen Unternehmensanleihen. Selbst Unternehmen wie „Apple“, die nicht in Geldnöten steckten, liehen sich billiges Geld. Jetzt sehen sich viele Unternehmen und Banken mit der Wertminderung dieser Anleihen konfrontiert, die damals leicht erschwinglich waren und mit steigenden Zinssätzen für ihre Schulden. Während das Missverhältnis zwischen dem produktiven und dem Finanzsektor, die zweifellos miteinander verflochten sind, früher überschaubar war, ist es nun zu einem Problem geworden.

Das Jahr 2022 und die ersten drei Monate des Jahres 2023 zeigen, dass der internationale Kapitalismus, der immer mehr ins Straucheln gerät, die arbeitenden Menschen verarmt und ihr Leben durch eine außer Kontrolle geratene Inflation, Preissteigerungen und sinkende Reallöhne, auch in den größten Städten, unerträglich macht. Der Kapitalismus, der auf der Ausbeutung des Mehrwerts beruht und Konkurrenz und Profit als Gesetz anerkennt, kann auch trotz des Zusammenbruchs und des Konkurses bestimmter Finanzkapitalgruppen und Banken in den USA und der Schweiz fortbestehen.

42. Die Anhebung der Zinssätze, um die Inflation einzudämmen, mehr Kapital ins Land zu holen usw., verteuert die Kredite und wirkt sich negativ auf das Wachstum der Investitionen, der Produktion und der Wirtschaft im Allgemeinen aus. Sie verursacht neue Probleme und Dilemmas und verschärft die bestehenden. Infolge dieser negativen Entwicklungen hat in kapitalistischen Kreisen eine Debatte darüber begonnen, wie lange die Anhebung der Zinssätze noch andauern wird und es gibt sogar Vorschläge, dass die Zinssätze gesenkt werden sollten, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Bourgeoisie versucht die Sackgasse des Systems zu überwinden, indem sie die Geldpolitik und die Zinssätze als ein Element davon manipuliert, aber das ist weder einfach noch wird dies reibungslos vonstattengehen.

Hohe Rohstoffpreise und hohe Lebenshaltungskosten

43. Mit dem Anstieg der Inflationsrate haben sich die Rohstoffpreise, die aufgrund der Ungleichgewichte zwischen den Produktionssektoren, der Monopole und der Schwankungen zwischen Angebot und Nachfrage relativ stark schwankten, deutlich erhöht. Darüber hinaus haben die Preiserhöhungen bei Rohstoffen und insbesondere im Bereich Energie im vergangenen Jahr zu einem Anstieg der Preise für alle Produkte der Leichtindustrie, der Hochtechnologie, der Schwerindustrie und der Landwirtschaft geführt, was wiederum einen Anstieg der Inflationsrate zur Folge hatte. Für den Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise gibt es eine Reihe von Ursachen, unter anderem Änderungen der internationalen Schifffahrtsrouten – aufgrund des Handelskrieges zwischen den USA und China, der die Kosten erhöht und zu Engpässen in den Lieferketten geführt hat -, der erhöhte Energiebedarf der Lebensmittelbranche in allen Ländern im Jahr 2021 direkt nach der Pandemie und die Tendenz der energieproduzierenden Länder, von den steigenden Preisen zu profitieren, indem sie ihre Produktion nicht erhöhen, sowie der Krieg in der Ukraine, der sich direkt auf den Anstieg der Agrar- und Energiepreise ausgewirkt hat, indem er den Zugang zu russischem Gas unterbrach und Änderungen der Schifffahrtsrouten erzwang.

44. Das hat zur Folge, dass sich die Inflation eher in den Preisen für wichtige Konsumgüter und insbesondere für Lebensmittel niederschlägt. In ausnahmslos allen kapitalistischen Ländern sind die Lebensmittelpreise über die Inflationsrate hinausgestiegen. In China zum Beispiel stiegen die Lebensmittelpreise im März 2023 um 2,4% und damit deutlich über die monatliche Inflationsrate von 0,7%. In den USA lag die Inflationsrate im März 2023 bei 5% im Vergleich zum Vorjahresmonat, während der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln 8,5% betrug. In Deutschland ist der Abstand viel größer: Im März lag die Inflationsrate bei 7,4%, während der Preisaufschlag für Nahrungsmittel 21,2% betrug. Ähnlich ist die Situation in Frankreich: Im März lag die Inflationsrate bei 5,7%, der Preisanstieg bei Lebensmitteln betrug jedoch 15,9%. Das Vereinigte Königreich bildet hier keine Ausnahme. Die Inflationsrate lag im März bei 10,1%, während der Anstieg der Lebensmittelpreise mit 19,1% fast doppelt so hoch war.[5]

45. Abgesehen von den Schwankungen, die ein allgemeiner Trend sind, ist eine Verlangsamung des Preisanstiegs nicht nur bei Energie und Nahrungsmitteln, sondern bei den meisten Rohstoffen und Produkten zu beobachten, auch wenn einige von ihnen steigen. Im Bereich Energie ist die Verlangsamung erheblich. Der Nahrungsmittelpreisindex der UN-Ernährungsorganisation FAO zeigt, dass er im März 2023 seit einem Jahr rückläufig war. Die Weltgetreidepreise fielen im März dieses Jahres aufgrund des Wettbewerbs unter den Exporteuren um 5,6%, während der Preis für Weizen um 7,1% sank.[6]

Der durchschnittliche Barrelpreis für Rohöl der Sorte Brent, der ständigen Schwankungen unterworfen war (111,26$ im Jahr 2011, 43,67$ im Jahr 2016, 71,34$ im Jahr 2018), ist im Jahr 2020 auf 40$ gefallen. Der Barrelpreis für Rohöl, der im Jahr 2022 mit 100,93$ erneut einen Höchststand erreichte und Ende April 2023 auf 77,5$ fiel, ist um 24% billiger als im April des Vorjahres.[7]

Der Erdgaspreis, der im Dezember 2022 einen Höchststand erreicht hatte – da die neue NordStream-Pipeline sabotiert wurde, in dessen Folge Europa seine Käufe von russischem Gas deutlich reduzierte beziehungsweise ganz einstellte und der Gasmarkt schwankte, was die Preise stark in die Höhe trieb -, ging im April 2023 stark zurück. Auch die Strompreise sind im gleichen Zeitraum in Frankreich um 15,6%, in Italien um 40%, im Vereinigten Königreich um 41,4% und in Deutschland um 48% gesunken. Dennoch liegen die Energiepreise immer noch weit über den für 2020 und 2021 geplanten Werten.

Ein ähnlicher Rückgang ist bei vielen anderen Produkten zu beobachten.

46. Einige Produkte steigen jedoch weiter an und der Preisrückgang schlägt sich nicht direkt auf den Verbraucher nieder. Selbst der Rückgang der Getreidepreise spiegelt sich in den Preisen für Brot und andere Lebensmittel in abnehmendem Maße wider, was auf die Zinsen und Gewinne der Importeure, Industriellen, Gläubiger, Banken und Transportunternehmen zurückzuführen ist. Zweitens sind die Preise trotz des Rückgangs immer noch hoch, vor allem für Lebensmittel und sie steigen im Allgemeinen, aber nicht mehr in demselben Tempo wie früher. Von allgemeinen Preisminderungen in den Supermarktketten kann keine Rede sein. Drittens sind die Produktpreise, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, in absoluten Zahlen immer noch um ein Vielfaches höher als zum Beispiel in den Jahren 2020 und 2021. Dieser Punkt gilt auch für die sinkenden Energiepreise. Die Preise für Benzin und Diesel an den Tankstellen und die Kosten für Gas zum Heizen sind im Vergleich zum schwindelerregenden Anstieg der letzten beiden Jahre zwar gesunken, aber das Tanken von Autos ist immer noch viel teurer als in den „normalen Tagen“ vor dem Preisanstieg und das Heizen ist immer noch deutlich teurer. Vor allem aber ist die Kaufkraft der Arbeiter und der Bevölkerung im Allgemeinen aufgrund der niedrigen Löhne und sonstigen Einkommen sowie der hohen Inflation gering.

Wesentliche Charakteristika des Wachstums

47. Seit unserer letzten Konferenz sind mit Ausnahme einiger weniger Länder fast alle Volkswirtschaften der Welt gewachsen, auch wenn sich das Wachstumstempo der Industrie und der Wirtschaft im Allgemeinen verlangsamt hat. Doch mit der Kluft zwischen den Einkommen von Kapital und Arbeit hat auch die Ungerechtigkeit der Einkommensverteilung zugenommen. Ein beträchtlicher Teil der arbeitenden Menschen in der Welt, vor allem in den abhängigen Ländern, kann lediglich ein Einkommen unterhalb oder knapp oberhalb der Armutsgrenze erzielen. Die einkommensschwachen Schichten müssen hungern und diejenigen, die von ihrer Arbeit leben, werden immer ärmer. Der Anteil der Löhne am BIP ist rückläufig. Insbesondere inflationsbereinigt ist der Rückgang im Vergleich zum September 2021, als die Inflation zu steigen begann, gravierend. Während die Reallöhne sinken, ist im gleichen Zeitraum der Anteil des Kapitals am BIP gestiegen. Die Gewinne der Monopole, zum Beispiel der Banken, sind in die Höhe geschnellt.

Weder die Verlangsamung der Inflationsrate, die in absoluten Zahlen weiter ansteigt, noch der Rückgang der Preise für Energie, verschiedene Rohstoffe und Produkte oder das Wirtschaftswachstum haben die Lebensbedingungen der Arbeiter und Angestellten in der Welt verbessert.

Im Vereinigten Königreich sind die Reallöhne Ende 2022 auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gefallen und zwar um 2,6% allein im letzten Quartal dieses Jahres, so die Zahlen des „Office for National Statistics“ (ONS). Der „Trade Union Congress“ (TUC) erklärte, der Rückgang der Reallöhne sei der stärkste seit 1977, der zweitschlimmste seit 1945 und der längste Druck auf die Löhne seit zwei Jahrhunderten. Die Zahlen des TUC zeigen, dass die Reallöhne für Beschäftigte in Schlüsselpositionen des öffentlichen Sektors um 180 Pfund pro Monat gesunken sind. Krankenpfleger beispielsweise verdienen real 5000 Pfund weniger im Jahr als noch 2010.

Nach Angaben des „Statistischen Bundesamtes“ sanken die Reallöhne in Deutschland im Dezember 2022 um 3,7% gegenüber dem Vorjahresmonat.

Die Rückgänge der Reallöhne in den wichtigsten Industrieländern im 3. Quartal 2022, im Vergleich zum gleichen Quartal 2021, lassen sich nach den Zahlen von „Statista“, die auf der OECD basieren, wie folgt beziffern: Frankreich 0,8%, Japan 1,5%, USA 2,2%, Großbritannien 2,7%, Deutschland 4,3%, Spanien 5,4%.

48. In diesen Ländern, in denen die Reallöhne gesunken sind, ist der Anstieg der Nettogewinne der Monopole erheblich. Es ist bekannt, dass die Energiekonzerne dabei exorbitante Gewinne in Milliardenhöhe machen, zumal die Strom- und Gasrechnungen in die Höhe schnellen und die Menschen mit Problemen beim Heizen zu kämpfen haben. Laut „Statista“ gehören die höchsten Gewinne (in Milliarden Dollar) zu den folgenden Sektoren und Monopolen: Energie (Saudi Aramco 303; Exxon Mobil 70,6; Shell 64,6; Petrobras 53,5; Pampa Energia 52,8: Chevron 47,4; Total Energies 45,5); Hightech (Apple 122; Microsoft 84,8; Alphabet 79) und Banken (ICBC 65; China Construction Bank 57; JP Morgan Chase 45,6; Agricultural Bank of China 45,2; Bank of China 43,1). Im ersten Quartal 2023 steigerten die Monopole ihre jährlichen Nettogewinne um 47,8% in den Konsumgüter-produzierenden Sektoren, um 18,5% in der Industrie im Allgemeinen, um 12% im Energiesektor und um 5,3% im Finanz- und Bankwesen.[8]

49. Der Rückgang der Reallöhne bei gleichzeitiger Verteuerung von Grundbedarfsgütern, insbesondere von Lebensmitteln, trifft in erster Linie Frauen, vor allem alleinerziehende Mütter, Kinder und Jugendliche, wie die Zahlen aus dem Vereinigten Königreich über die Einkommensverluste von Krankenpflegern und Hebammen, die in ihrer großen Mehrheit Frauen sind, zeigen. Die Schulmahlzeiten, insbesondere für Kinder aus einkommensschwachen Familien, werden immer problematischer und selbst in vielen entwickelten Ländern wurden viele Jugendzentren aufgrund von Kürzungen geschlossen. Der Drogenkonsum ist auf dem Vormarsch. Es sind die Frauen, die den Druck der wachsenden Probleme in der Familie am stärksten spüren und als erste versuchen, Maßnahmen zu ergreifen.

50. Es sind nicht nur wirtschaftliche Faktoren wie die Inflation und die Lebenshaltungskosten, die die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und der Völker unerträglich machen. Auch der Abbau der Ozonschicht, das Abschmelzen der Gletscher, Erdbeben, Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände, die abnehmende Fruchtbarkeit der Böden, Stürme, Wirbelstürme und Tornados usw., welche die natürlichen Umweltbedingungen der Werktätigen immer mehr zerstören, haben begonnen, die Grenzen des Erträglichen zu verschieben.

Die Ausplünderung der natürlichen Ressourcen aus Profitgier, das Ausstoßen giftiger Gase durch Industrieanlagen aus demselben Grund, die Verschmutzung der Meere und Flüsse mit ihren Abfällen, das Auslösen von Dürren durch Staudämme und Bergbau, die Abholzung von Wäldern wie in den Amazonasgebieten usw., sind alle Ausdruck der Zerstörung der Natur durch kapitalistische Staaten und Monopole. Die Kapitalakkumulation und die Entwicklung des Kapitalismus beruhen auf der Entfremdung der Arbeit und der Zerstörung der Natur.

Unter dem Druck der Völker sind die kapitalistischen Staaten gezwungen, sich auf jährlichen Treffen auf „akzeptable“ Grenzen für die Verschmutzung der Natur durch die Staaten zu einigen, um angeblich Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und zur Eindämmung des Temperaturanstiegs auf dem Planeten zu ergreifen. Länder wie die USA erkennen diese Grenzen nicht an und das „Recht, die Natur zu verschmutzen“ ist zu einer Ware geworden, die man kaufen und verkaufen kann. Und als ob die Zerstörung der Natur nicht das direkte Ergebnis der Kapitalakkumulation und der Profitgier der Kapitalisten wäre, haben kapitalistische Staaten und internationale kapitalistische Organisationen wie die Weltbank in den letzten Jahren „grüne Energie“ und „grünen Kapitalismus“ als Lösungen erfunden.

So wird zum Beispiel die Industrie, welche Elektrofahrzeuge mit Lithium-Ionen-Batterien herstellt, als ökologische Alternative dargestellt. Doch erstens erfordert die Gewinnung von Lithium aus der Erde enorme Mengen an Wasser. Um eine Tonne Lithium zu gewinnen, werden eine Million Liter Wasser benötigt. In der argentinischen Region Jujuy beispielsweise, wo Lithium gewonnen wird, fallen nur 100 Millimeter Niederschlag pro Jahr und die intensive Nutzung des Süßwassers zwingt die dortigen Gemeinden und landwirtschaftlichen Kleinproduzenten zur Abwanderung.

Wir sind nicht gegen erneuerbare Energien, aber das Versprechen eines „grünen Kapitalismus„, der zur Enteignung indigener Völker und zur Verschmutzung ihres Landes und Wassers führt, ist eine grausame Farce. Es ist unmöglich, die Umwelt zu schützen, ohne das kapitalistische System, das für die Zerstörung der Natur verantwortlich ist, direkt in Frage zu stellen.

51. Die Zerstörung der Natur durch den Kapitalismus ist eine der Hauptursachen für Migration, die jedes Jahr 20 Millionen Menschen vertreibt, aber sie ist nicht die einzige Ursache. Regionale Kriege, die von den kapitalistischen Imperialisten durch direkte Aggression ausgelöst werden, wie im Irak und in Afghanistan, sind ebenfalls eine wichtige Ursache für Migration. Die ungleiche Entwicklung des Kapitalismus, die auch die ungleiche Entwicklung der Sektoren, die Ungleichheiten zwischen den Regionen und Ländern und die Rückständigkeit vieler Regionen und Länder zur Folge hat, führt zu interner und internationaler Migration. Angesichts dieser, durch schlechte wirtschaftliche Bedingungen verursachten, Migration, ergreifen die entwickelten kapitalistisch-imperialistischen Länder, die in erster Linie für die Migration verantwortlich sind, Gegenmaßnahmen bis hin zur Anwendung von Gewalt. Die USA versuchen die Migration aus Mexiko und den lateinamerikanischen Ländern durch den Bau einer Mauer an der Grenze zu verhindern. Die EU-Staaten versuchen, die Migration aus Eurasien zu verhindern, indem sie ihre Grenzen und die Patrouillen verstärken und die auf dem Seeweg ankommenden Boote versenken oder die sinkenden Boote ihrem Schicksal überlassen. Eine weitere Maßnahme ist die Festsetzung von Migranten in Drittländern gegen geringe Geldbeträge. Andererseits öffnen die kapitalistischen Imperialisten ihre Türen für die Einwanderung von Fachkräften, um ihren Bedarf an billigen Arbeitskräften zu decken. Migranten und Flüchtlinge, die einen Weg finden, diese Länder zu erreichen, sind für die Kapitalisten ebenfalls eine Quelle billiger Arbeitskräfte. Unregistriert, unversichert, nicht gewerkschaftlich organisiert und ohne jegliche Sicherheit können sie unter den schlimmsten Bedingungen arbeiten und leben, ohne die Möglichkeit von Tarifverhandlungen. Fast ein Drittel der Weltbevölkerung sind Migranten und fast die Hälfte von ihnen sind Kinder.

DIE ZWINGENDE FOLGE: ZUNEHMENDE KÄMPFE DER ARBEITENDEN MENSCHEN

52. Das Jahr 2022 war ein Jahr, in dem die Arbeiterklasse und die unterdrückten arbeitenden Menschen auf der ganzen Welt für ihre Rechte aufgestanden sind und diese Mobilisierung ging 2023 weiter. In diesem Jahr gab es Hunderte von Streiks, Demonstrationen, Widerstand und Proteste gegen das Kapital und die Regierungen in Dutzenden von Ländern. Der Grund für die große Mehrheit dieser Streiks sind die sich verschlechternden Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter, die sich mit den verschärften negativen Folgen des Kapitalismus konfrontiert sehen. Politischer Druck und wachsendes Misstrauen gegenüber dem System und den Regierungen gehören ebenfalls zu den Gründen für die Mobilisierung der arbeitenden Bevölkerung.

53. In Kasachstan begannen die Proteste Anfang 2022 mit Streiks der Ölarbeiter, als sich die Kraftstoffpreise verdoppelten und weiteten sich auf andere Branchen und die gesamte Bevölkerung aus. Als es zu unzähligen Demonstrationen kam, stießen die Demonstranten auf den Straßen mit der Polizei zusammen und besetzten das Gebäude der Stadtverwaltung in Almaty. Es wurden Verordnungen über Treibstoff und Grundnahrungsmittel erlassen und es wurden Spezialeinheiten eingesetzt, um Soldaten, die sich weigerten, das Feuer auf die Bevölkerung zu eröffnen, zu ersetzen, wobei viele Menschen getötet wurden. Der Notstand wurde ausgerufen und Russland, Belarus und Armenien entsandten Truppen als „Friedenstruppen„. Der Aufstand, in dem die Bevölkerung den Rücktritt aller Beamten aus der Ära Toqajew und Nasarbajew, die Anerkennung des Rechts auf die Gründung von Parteien und Gewerkschaften sowie ein Ende der Unterdrückung forderte, wurde schnell niedergeschlagen.

54. Ende März versammelten sich die Menschen in Sri Lanka vor dem Präsidentenpalast, riefen „Diktator Gota“ und forderten den Rücktritt der Regierung angesichts der Stromausfälle und der in die Höhe geschossenen Preise für Kraftstoff und Grundnahrungsmittel. Die Demonstrationen weiteten sich zu Unruhen aus und der Präsident war gezwungen, aus dem Land zu fliehen. Der vom ehemaligen Präsidenten ernannte Premierminister hat nun das Präsidentenamt inne.

55. In Ecuador wurde im Juni der Notstand ausgerufen, als die Treibstoff- und Lebensmittelpreise in die Höhe schnellten, was Volksdemonstrationen und einen Ansturm der indigenen Bevölkerung auf die Hauptstadt zur Folge hatte. Während Lasso die Demonstrationen als „Putschversuch gegen die Regierung“ bezeichnete, endeten die 18 Tage andauernden Demonstrationen – bei denen eine Erhöhung der Haushaltsmittel für das Bildungswesen, eine Senkung der Kraftstoffpreise und eine Kontrolle der Lebensmittelpreise gefordert wurden und bei denen sieben Menschen starben – mit einem Treffen zwischen der Regierung und den Vertretern der Demonstranten, bei dem eine Senkung der Benzinpreise um 5% und eine Verbesserung anderer Dienstleistungen versprochen wurde.

56. In Ungarn kam es zu Demonstrationen, als Orban, der die Wahlen im April 2022 gewann, nach der Ankündigung eines neuen Kabinetts den Ausnahmezustand über das Land verhängte, im Juli die Steuern im Land erhöhte, während Inflation und Zinsen stiegen und die EU ihre Unterstützungen kürzte. Der Hauptplatz der Hauptstadt war von Demonstranten besetzt und das Büro des Ministerpräsidenten, zu dem die Menschen am Abend marschierten, musste von der Polizei geschützt werden.

57. Im Januar 2022 übernahmen in Burkina Faso Militärchefs, die mit dem französischen Imperialismus kollaborierten, durch einen Staatsstreich die Macht. Die Militärclique setzte die Korruption fort, während sich die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechterten und sich die Frage der Sicherheit der Bevölkerung durch die Angriffe der Pro-Scharia-Banden, die die Hälfte des Landes kontrollieren, verschärfte. Am zweiten Tag der Massendemonstrationen am 29. und 30. September versuchte eine andere Militärclique, das Regime mit einem neuen Putsch zu retten. Als die Demonstrationen am 1. Oktober weitergingen, appellierte unsere Schwesterpartei an die Bevölkerung, sich keine Illusionen über die neuen Putschisten zu machen, die aus demselben Holz geschnitzt sind wie die alten.

58. Im Sudan kam eserneut zu einer Reihe von Putschen und einem Kräftemessen zwischen den Militärchefs. Der Putsch, der den Volksaufstand gegen al-Bashir beendete, festigte seine Macht durch einen zweiten Putsch im Oktober 2021. Im April 2023 breitete sich die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Burhan, dem Armeechef, der die Putsche angeführt hatte, und Hamdan Daglo, dem Befehlshaber der Schnellen Eingreiftruppen (al-Bashirs Milizorganisation) aufgrund ihrer Unfähigkeit, die Macht und die Einnahmequellen des Sudan zu teilen, im ganzen Land aus. Auch im Sudan haben organisierte Volkskräfte die Bevölkerung dazu aufgerufen, keine der beiden reaktionären Seiten in dem Konflikt zu unterstützen.

59. Einweiteres Land, in dem es 2022 zu einer schweren Lebensmittelknappheit kam, ist Peru, wo es zu einem Staatsstreich kam. Castillo, der 2021 zum Präsidenten gewählt wurde, löste am 7. Dezember das Parlament auf und verkündete, dass er „eine Notstandsregierung gebildet“ und den Ausnahmezustand im Land verhängt habe. Mehrere seiner Minister, darunter seine Stellvertreterin, traten jedoch zurück, während die Armee und die Polizei eine gemeinsame Erklärung zur Verteidigung der Verfassung abgaben. Daraufhin putschte das Parlament in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsgericht, setzte Castillo ab, ließ ihn verhaften und durch seine Stellvertreterin Boluarte ersetzen. Zur Unterdrückung der Demonstrationen, bei denen es zu Zusammenstößen zwischen der Bevölkerung und der Polizei kam, wurde der Ausnahmezustand verhängt. Zu diesen Demonstrationen war von Volkskräften gegen die Ausplünderung durch einheimische und imperialistische Monopole und gegen den Putsch der von den USA unterstützten Oligarchie aufgerufen worden und die Menschen hatten die Straßen gefüllt.

60. In Brasilien führte die wachsende Bewegung der Arbeiterklasse und der Werktätigen gegen das Kapital und den Faschismus in der zweiten Runde der Wahlen im Herbst 2022 zur Niederlage von Bolsonaro, der eine faschistische Diktatur im Land errichten wollte und daraufhin in die USA floh.

61. Die Volksbewegung, die im September 2022 im Iran begann, wurde durch die Frage der Kopfbedeckung für Frauen und den Tod von Mahsa Amini in der Haft ausgelöst. Die Demonstrationen breiteten sich auf alle Provinzen aus und entwickelten sich zu einem Aufstand. Die Aktionen, bei denen der Slogan „Tod dem Diktator!“ immer lauter wurde, umfassten Boykotte von Studenten und Lehrern an Universitäten und Gymnasien sowie wochenlange Streiks von Arbeitern, die in ihren Betrieben Betriebsräte bildeten. Ladenbesitzer schlossen ihre Läden und auch LKW-Fahrer schlossen sich der Bewegung an, indem sie den Transport einstellten. Auch an den Universitäten bildeten sich Räte. Die Volksbewegung erhob sich als Gegenreaktion auf die Blockaden der kapitalistischen Wirtschaft, auf die Wirtschaftspolitik und die Tyrannei des Regimes, die die soziale Kluft und die Armut, die hohe Arbeitslosigkeit, die ständig steigenden Lebensmittelpreise, die neoliberalen Reformen und die grassierende Korruption vertiefte. Das iranische Regime behauptete, die „Ereignisse“ seien „von Verrätern, die von den USA und dem Zionismus finanziert werden, provoziert“ und von Anhängern des Schahs gesteuert worden. Es ging sofort mit Verhaftungen, Erschießungen und Hinrichtungen von Demonstranten in die Offensive.

62. In Indien traten200 Millionen Arbeiter am 28. Und 29. März 2022 in einen zweitägigen Proteststreik gegen die zugunsten der Kapitalisten versuchten Änderungen von Gesetzen zur Regelung der Arbeitszeit, der Sicherheit am Arbeitsplatz, des Mindestlohns usw. Viele Regierungen der Bundesstaaten versuchten die Arbeitsgesetze zu ändern oder auszusetzen und den Arbeitstag zu verlängern, während einige Bundesstaaten aufgrund der breiten Proteste der Arbeiter gezwungen waren, diese Änderungen zu verschieben oder zu stoppen.

In Indien haben die Arbeiter, die in ihrer großen Mehrheit ohne soziale Absicherung arbeiten und willkürlichen Entlassungen ausgesetzt sind, oft zu Warnstreiks, organisierter Migration – wie im Fall der Arbeiter aus dem Nordosten, die massenhaft in ihre Bezirke zurückkehrten – oder offenen Ausschreitungen gegriffen, wie es auch die Arbeiter in der Bekleidungsindustrie in Bangalore vor einigen Monaten taten. Dazu ist es Arbeitern in öffentlichen Kindertagesstätten und Arbeitern im Gesundheitswesen ohne jegliche soziale Absicherung gelungen, sich zu organisieren und anhaltende Bewegungen und Streiks durchzuführen.

Eine Schlüsselkomponente: Zunehmende Arbeiterbewegungen in Ballungsräumen

63. DieInflation, der Anstieg der Lebenshaltungskosten, die steigenden Kosten für Wohnung, Heizung, Transport und grundlegende Konsumgüter sowie der Rückgang der Reallöhne haben die Arbeiterklasse in den Großstädten mobilisiert, auch in jenen, in denen es seit vielen Jahren keine Streiks oder Demonstrationen mehr gegeben hat. Die Tendenz der Arbeiter, sich an öffentlichen und privaten Arbeitsplätzen zu organisieren und zu kämpfen hat sich entwickelt. Die Forderungen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen haben in allen Ländern zugenommen. Die Arbeiter und Angestellten neigen immer mehr dazu, ihre Forderungen durch Streiks und Demonstrationen gegenüber den Unternehmern durchzusetzen. Dies ist ein Trend mit unterschiedlichen Ausmaßen und Rhythmen, der aber für alle Länder gilt. Der Klassenkampf, die Macht der Arbeiter, wenn sie gemeinsam kämpfen und die Bedeutung der Arbeiterklasse haben sich zunehmend durchgesetzt.

64. In Deutschland gab es in vielen Sektoren Aktionen und Streiks mit konkreten Forderungen, die weiter gingen als je zuvor. Es gab eine größere Entschlossenheit unter den Arbeitern zu gewinnen und eine allgemeine Stimmung der Unterstützung für die am Kampf Beteiligten. Die Beschäftigten im Gesundheits- und Bildungswesen und im öffentlichen Nahverkehr machten diese Erfahrung und weder die Regierung noch die Bosse waren in der Lage, andere Sektoren gegen die Streikenden aufzubringen. Die reformistischen Gewerkschaftsführer mussten dies berücksichtigen. Sie sahen sich zu einer radikaleren Demagogie und sogar zur Verlängerung der Streiks gezwungen.

Die Bosse, die Gewerkschaftsführer und die Regierungskoalition einigten sich auf einen Kompromiss, um die Streiks mit einer Lohnerhöhung unterhalb der offiziellen Inflationsrate zu beenden. Die Arbeiter haben sich jedoch in diesem Kampf zusammengeschlossen und mehr Vertrauen in ihre Macht gewonnen. Sicherlich werden weitere Kämpfe folgen.

65. Im Vereinigten Königreich begannen die Streiks nach einer langen Pause im Frühsommer 2022 mit einem Bahnstreik, der eine neue Ära in der Gewerkschaftsbewegung einläutete, ein breites Spektrum von Sektoren abdeckte und das ganze Jahr über fortgesetzt wurde, hauptsächlich in Form von ein- bis zweitägigen „Warnstreiks„, die mehrmals im Monat wiederholt wurden, neben längeren Streiks wie denen der Hafenarbeiter in Liverpool, Dover und der angehenden Ärzte. Im Jahr 2023 wurden die Streiks erneut fortgesetzt. Diesmal wurden mehrere der kürzeren Streiks synchronisiert und überlappend durchgeführt, um ihre Wirkung zu verstärken. Die streikenden Arbeiter fordern Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen, einschließlich einer Verringerung der Arbeitsintensität und eines Endes der Null-Stunden-Verträge. Die Regierung war nicht bereit, auf die Forderungen der Beschäftigten des öffentlichen Sektors einzugehen, da dies die Inflation anheizen und Druck auf den privaten Sektor ausüben würde, keine hohen Lohnerhöhungen zu gewähren. Nach langwierigen Streiks stimmten die Krankenpfleger gegen das ihnen unterbreitete Angebot, obwohl die Gewerkschaft ihnen dazu geraten hatte, und die Unzufriedenheit hält an.

Die Gesamtzahl der durch Streiks verlorenen Arbeitstage im Zeitraum Juni-Dezember 2022 erreichte mit 2.472.000 den höchsten Stand seit 1989. 79 Prozent der verlorenen Arbeitstage fielen in den Bereichen Transport, Lagerung, Information und Kommunikation an.

66. In Italien hat die rechtsextreme Regierung im Dienste des Großkapitals einen brutalen Angriff auf die Arbeiterklasse, die Armen und die Einwanderer gestartet. Der Arbeitsmarkt wurde weiter liberalisiert und prekarisiert, Sozialleistungen wurden gestrichen, der Mindestlohn wurde von der Tagesordnung gestrichen und der besondere Schutz für Einwanderer wurde abgeschafft.

Unter diesen Bedingungen entwickelt sich der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und ein Ende der Entlassungen. Die Kämpfe des GKN-Arbeiterkollektivs in den Fabriken von „Stellantis“ und „Arcelor Mittal“, in den Bereichen Logistik, Transport, Gesundheit und Pflege sind Beispiele dafür.

67. In Norwegen sind die Bourgeoisie und die großen Monopole „Kriegsprofiteure„, insbesondere wegen der hohen Gaspreise. Dennoch sind die Reallöhne der Arbeiter in den letzten drei Jahren gesunken. Nach viertägigen Aktionen, an denen sich 25.000 Beschäftigte des privaten Sektors beteiligten, handelte die reformistische Führung des Gewerkschaftsbundes im April einen Lohnkompromiss aus, der die Inflation nur für eine Minderheit ausgleicht. Dennoch haben die Beschäftigten ihre Stärke und Fähigkeit unter Beweis gestellt, Angriffe auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen abzuwehren.

68. In Spanien liegt die Inflation bei 7,5 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei 13,1 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit bei 29,26 Prozent. 28 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Zwei große Demonstrationen wurden von lokalen Initiativen zur Unterstützung des öffentlichen Gesundheitssystems organisiert, an denen Hunderttausende Menschen teilnahmen. Arbeitsbereiche (Reinigung, Wohnheime, etc.), die wenig mit den Gewerkschaften verbunden sind, schlossen sich dem Kampf an und versuchten, ihre Aktionen zu koordinieren. Es ist notwendig die Opposition gegen die Privatisierungspläne des öffentlichen Sektors zu organisieren. Das politische Gefüge ist durch die jüngsten Kommunalwahlen und die bevorstehenden Parlamentswahlen destabilisiert worden.

69. In Dänemark, wo die Profite der großen Monopole hoch sind, hatten die Arbeiter große Hoffnungen auf eine Reallohnerhöhung bei den nationalen Tarifverhandlungen. Die Gewerkschaftsführer einigten sich jedoch mit den Bossen auf eine sehr geringe Reallohnerhöhung und überließen es den lokalen Verhandlungen, mehr zu erreichen, wobei sie die kollektive Kampfkraft der Klasse unterschätzten. Da die Bosse sich weigerten, begannen einige Arbeiter, den Kampf für höhere Löhne selbst in die Hand zu nehmen. Das Problem des „Sozialdumpings“, bei dem vor allem migrantische Arbeiter übermäßig ausgebeutet werden, ist ein wichtiges Thema, gegen das die Arbeiter kämpfen und ihre Solidarität stärken. Die Regierung beschloss einen Feiertag in einen Arbeitstag umzuwandeln, um den Kriegshaushalt zu finanzieren, was eine große Demonstration und Proteste auslöste.

70. In der Türkei bestimmtendie Präsidentschafts- und Parlamentswahlen die politische Lage. Dieser Zeitraum war geprägt von großen Problemen, mit denen die Arbeiter und die Bevölkerung konfrontiert waren, wie etwa der hohen Inflation, die in den ersten vier Monaten des Jahres 2023 100% erreichte, dem Rückgang der Reallöhne, den politischen Verboten sowie den vielen Erdbeben. In der Türkei leben 60,4 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Hungergrenze und 87 Prozent unterhalb der Armutsgrenze. Das Vermögen der Zentralbank ist auf negative Werte gesunken und die straffe Geldpolitik der Regierung wird die Arbeitslosigkeit weiter anheizen. Ähnliche Probleme stehen nach den Wahlen auf der Tagesordnung, die die Regierungspartei gewonnen und ihre Aggressionen und Einschränkungen verstärkt hat. Die politischen Verhältnisse im Land sind weit davon entfernt, normal zu sein. Einerseits werden Schritte in Richtung einer faschistischen Diktatur unternommen, andererseits breiten sich de facto Arbeiterstreiks und Widerstandsaktionen aus, auch wenn sie noch keine Tendenz zur Vereinigung und Zentralisierung zeigen.

71. Frankreich: „Nein zu 64 Jahren!“

Ab Januar 2023 mobilisierten die kraftvollen Demonstrationen (insgesamt 13, einschließlich des 1. Mai) und Streiks gegen die Rentenreform Millionen von Arbeitern, jungen Menschen und Frauen. Die Bewegung konzentrierte sich auf die konkrete Forderung „Nein zu 64!“ und sie wurde von den wichtigsten Gewerkschaften, einer breiten Koalition von Jugendorganisationen, einer Vielzahl von Verbänden und linken politischen Parteien unterstützt. Diese Bewegung war auch eine Fortsetzung früherer Bewegungen gegen arbeiter- und volksfeindliche „Reformen“ und der Streikwelle für höhere Löhne, die 2019 begann. Diese Rentenreformen schürten Gefühle wie „zu viel ist zu viel„, „diesmal nicht“ und „Nein zur Ausbeutung, nein zur Arbeit bis ins Grab!„.

Es gibt viele Aspekte dieser Bewegung, die auf ihre Stärke und Entschlossenheit hinweisen, die in der Losung „Wir geben nicht auf“ ihren Höhepunkt erreichen. An der Spitze dieses Kampfes steht die Arbeiterklasse, die sich in allen Städten und in den Produktionszentren im ganzen Land an der Bewegung beteiligt. Diese Bewegung hat große Teile der Arbeiter und der Massen angezogen und obwohl sie durch die Regierung erzwungen wurde sind auch heute noch 90% der Arbeiter gegen diese Reform. Die Art und Weise, wie diese Reform mit allen Tricks der Verfassung, die den Massen größtenteils unbekannt sind, mit verschiedenen Provokationen und polizeilichen Repressionen durchgesetzt wurde, hat die Entschlossenheit der Arbeiter und der Jugend verstärkt.

Die Bewegung hat die Wirtschaft, trotz der anhaltenden Streiks in wichtigen Sektoren, nicht blockiert. Eine Blockade der Wirtschaft ist jedoch ein wichtiger Faktor für das Kräfteverhältnis, das notwendig ist, um die Regierung zum Einlenken zu zwingen. Dies ist eine Lektion, die viele Arbeiter gelernt haben.

Allgemein herrscht Freude darüber, dass die Gewerkschaftsbewegung ihre Stärke und Fähigkeit bewiesen hat, sich um konkrete Forderungen zu sammeln. Es gibt viele Lektionen zu teilen und zu diskutieren und es wächst das Bewusstsein, dass das eigentliche Hindernis, welches es zu überwinden gilt, das gesamte System ist – das kapitalistische, imperialistische System.

Diese Bewegung stieß international auf große Sympathie. Sie mobilisierte Arbeiter und Aktivisten und bestärkte sie in der Auffassung: „Ja, es ist möglich, dass sich Arbeiter zusammenschließen, kämpfen und die Initiative ergreifen“ gegen das Kapital und sein System.

72. Die schrecklichen Folgen der pandemischen Politik der Bourgeoisie und ihrer Regierungen, die die Arbeiter und das Volk verarmen ließ, die steigende Inflation und die enormen Kosten des Krieges in der Ukraine lassen die Arbeiterbewegung in Europa erwachen. Zwar auf unterschiedlichen Ebenen, aber in dieselbe Richtung und mit ähnlichen Forderungen.

Die Arbeiter und Völker stehen angesichts der anhaltenden Angriffe der Kapitalisten und ihrer Staaten am Scheideweg. Im Laufe des Kampfes ist das Bewusstsein der Arbeiter gewachsen und ihr Selbstvertrauen gestiegen.

Es ist zu erwarten, dass sich der Kampf in der kommenden Periode weiterentwickeln und intensivieren wird, da die Angriffe des Kapitals zunehmen und das System immer unfähiger wird, die Forderungen und Hoffnungen der Arbeiter und der Volksmassen zu erfüllen.

Es ist unsere Aufgabe, dieses Bewusstsein aufzubauen, den Einfluss des Reformismus, der von Reformisten und Opportunisten gefördert wird, zu bekämpfen, die Einheit zu stärken und den Kampf gegen das gesamte Kapitalsystem zu führen.

73. Die Mobilisierung der US-amerikanischen Arbeiterklasse hat in den letzten Jahren ebenfalls an Dynamik gewonnen und nimmt zu. Das US-Arbeitsministerium schätzt die Zahl der streikenden Arbeiter in den USA im Jahr 2022 auf mehr als 120.000, das sind 50% mehr als im Vorjahr. Der Bericht 2022 der Website „ilr.cornell.edu„, die Arbeitskampfmaßnahmen überwacht und recherchiert, berichtet von 117 Streiks in den USA, an denen 224.000 Arbeitnehmer beteiligt waren und von 4.447.588 Streiktagen. Demnach ist die Zahl der Streiks im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 52% und die Zahl der streikenden Arbeiter um 60% gestiegen. Die meisten Streiks (mehr als ein Drittel der Gesamtzahl) fanden in der Lebensmittelbranche statt, zum Beispiel bei „Starbucks“. Die Mehrheit der Streikenden (60%) ist im Bildungssektor tätig. Eine beträchtliche Anzahl von Streiks (32%) fand in nicht gewerkschaftlich organisierten Betrieben statt. Die Streikenden forderten in erster Linie Lohnerhöhungen, aber auch eine bessere Gesundheitsversorgung und ein Ende des Missstandes, dass eine Person die Arbeit von mehreren erledigt.

Was die Streiks im Jahr 2023 betrifft, so stechen die Beschäftigten der Automobilindustrie mit ihren langen Streiks und die Universitäten im Bildungssektor hervor. Die Beschäftigten von „UPS Cargo“, Hollywood-Autoren und -Beschäftigte, Caterpillar-Beschäftigte, Starbucks-Beschäftigte, Beschäftigte im Transportwesen und im Bergbau sowie Erzieherinnen und Erzieher organisieren entweder Streiks oder weisen eine starke Tendenz zum Streik auf. Neben den Automobilarbeitern gab es zwischen Januar und April 99 Streiks und Widerstandsaktionen in 138 Betrieben. Diese fanden bei „Starbucks“, in Krankenhäusern, in den Medien, im Verkehrswesen, an Universitäten und in verschiedenen Bereichen des Dienstleistungssektors statt.

74. In China ist die gewerkschaftliche Organisierung außerhalb des offiziellen Gewerkschaftsbundes und Streiks verboten. Dennoch werden Streiks durch Arbeiterausschüsse organisiert, die unter schwierigen Bedingungen gebildet werden. Jüngstes Beispiel war der einwöchige Streik von Kurierfahrern bei „Meituan“, einem der größten Lebensmitteleinzelhändler des Landes, der am 20. April dieses Jahres begann und sich gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und die niedrigen Löhne richtete. Hunderte von Kurieren legten in Shanwei und mehreren anderen Städten der Provinz Guangdong die Arbeit nieder.[9]

Ein Beispiel größeren Ausmaßes war im November 2022 der Widerstand in der Produktion des taiwanesischen Unternehmens „Foxconn“, dem wichtigsten Zulieferer von Apple, in der Stadt Zhengzhou, der sogenannten „Apple City“. Das Werk beschäftigt mehr als 200.000 Arbeiter und produziert rund 500.000 iPhones pro Tag. Die Exporte des Werks beliefen sich im Monat vor dem Streik auf 30,9 Milliarden Pfund. Zusammen mit den Demonstrationen gegen die Pandemiemaßnahmen begann der Widerstand im Werk und weitete sich aus, durch Proteste von neuen Arbeitern – einschließlich Zusammenstößen mit der Polizei – die gezwungen waren, auf demselben Gelände wie die bereits tätigen Covid-Beschäftigten zu arbeiten und zu schlafen und die ihre versprochenen Zusatzzahlungen nicht erhielten. Während des Streiks stand ein Drittel der Produktionslinien des Werks still. Als Reaktion darauf zögerte die chinesische Regierung nicht, pensionierte Militärangehörige zur „Unterstützung der Produktion“ heranzuziehen.

UNSERE AUFGABEN

75. Unter den Bedingungen der Verschärfung der Hauptwidersprüche in der Welt, des Kampfes zwischen den Imperialisten, des Kampfes der Arbeiter und Völker gegen die Angriffe des Imperialismus und seiner Kollaborateure in den abhängigen Ländern und des Kampfes der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie in den entwickelten kapitalistischen Ländern, sind die Aufgaben der Kommunisten klar:

– Mit dem Ziel, die demokratische Diktatur des Proletariats direkt in den Ländern zu errichten, in denen das Proletariat allein die Macht übernehmen kann und die demokratische Diktatur des Volkes, einschließlich des Proletariats, in anderen Ländern, besteht unsere Hauptaufgabe in allen Ländern darin, den politischen Kampf um die Macht zu organisieren. Gewiss sind wir uns im Klaren darüber, dass unsere Parteien nicht in der Lage sind, von heute auf morgen die Macht zu übernehmen. Dass die objektiven und subjektiven Bedingungen dafür nicht reif genug sind. Aber es ist auch eine Tatsache, dass wir eine neue Periode von Revolutionen vor uns haben, deren Bedingungen stetig reifen. Wir müssen alle unsere Aufgaben mit der Perspektive des Kampfes um die Macht angehen und unsere Schritte dementsprechend setzen.

– Die Ereignisse auf dem Gebiet der Wirtschaft, insbesondere der Anstieg der Inflation und der Lebenshaltungskosten, und die Tendenz der spontanen Arbeiter- und Volksbewegungen, sich angesichts dessen zu vermehren und zu verbreitern, machen es für uns zu einer dringenden Aufgabe, unsere ökonomische Agitation und unsere Aufklärungsarbeit zu entwickeln. Diese Aufgabe ist zu einem brennenden Thema geworden, das wir nicht vernachlässigen dürfen und wir müssen in der Lage sein, die ökonomische Enthüllung mit der politischen Enthüllung in geeigneter Weise zu verbinden. Es ist unsere dringende Aufgabe, mit klaren Beispielen die Ursachen der Ausbeutung aufzuzeigen, wohin die Ressourcen fließen, was es mit der Ausplünderung auf sich hat und welche Rolle die kapitalistischen Regierungen bei der Organisation und Aufrechterhaltung der Ausbeutung spielen. Die Arbeiter sind unzufrieden und offen für eine erfolgreiche und überzeugende, professionell durchgeführte Agitation und Enthüllung. Wenn wir diese Aufgabe richtig erfüllen, können wir zum Aufstieg der Arbeiter- und Volksbewegung und ihrer Zielorientierung sowie zur Stärkung unserer Parteien im Prozess der Entwicklung dieser Bewegung beitragen.

– Es ist eine Tatsache, dass das Bewusstsein der arbeitenden Bevölkerung relativ gering ist. Ihr Bedarf an Informationen über die Probleme, die sie beschäftigen, wächst immer mehr. Beispiele von Mobilisierungen in Europa und anderen Ländern weisen auf diese Tatsache hin. Auf der anderen Seite erstarken auch faschistische Bewegungen und wir kennen historische Beispiele, wie es ihnen gelungen ist, die ausgebeuteten Massen unter Ausnutzung ihrer Forderungen mitzureißen. Wir können nicht zulassen, dass dieses Vakuum durch reaktionäre, rassistische und faschistische Kräfte oder durch beschwichtigende Reformisten und Revisionisten gefüllt wird. Die geschickte Verbindung der Propaganda des Sozialismus mit den dringenden Forderungen der Klasse ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die revolutionäre Arbeiterbewegung eine Massenbasis hat. Deshalb ist es höchste Zeit, unsere Propagandaarbeit sowie unsere Agitation und Aufklärungsarbeit zu verstärken. Außerdem müssen wir die Qualität dieser Arbeit erhöhen und neue Technologien professionell in unserer Propaganda einsetzen. Im Einklang mit den Erfordernissen des Kampfes müssen wir die Zahl konkreter und ansprechender Propagandamaterialien zu verschiedenen Themen erhöhen und sie über alle möglichen Medien verbreiten.

Wir müssen auf jeden Fall neue Instrumente wie die sozialen Medien in unserer Agitations- und Propagandaarbeit nutzen. Die Bedeutung des Einsatzes neuer Instrumente bedeutet jedoch nicht, dass die üblichen Instrumente wie Zeitungen, Flugblätter und Broschüren, die es uns ermöglichen, persönliche Beziehungen zu den Arbeitern aufzubauen, an Bedeutung verlieren. Wir sollten den weit verbreiteten Einsatz dieser Instrumente nicht reduzieren beziehungsweise vernachlässigen und darüber hinaus unsere internationale Konferenz und ihre Bedeutung in unserer Agitation und Propaganda hervorheben.

– Die Entwicklungen zeigen, dass die Ausbildung unserer Kader eine dringende Aufgabe ist, damit sie auf ein Niveau kommen, von dem aus wir in der Lage sind, die Arbeiter und Werktätigen zu überzeugen. Dazu müssen wir schnell eine spezielle Schulungsarbeit organisieren. Wir müssen unsere Mitglieder und unser Umfeld schnell über Themen wie politische Ökonomie, Krieg, Weltordnung, ökologische Krise, Identitätspolitik, technologische Innovationen usw. aufklären. Wir dürfen diese Aufgabe nicht vernachlässigen, um unsere anderen Aufgaben erfolgreich zu erfüllen.

– Es ist die grundlegende Verpflichtung unserer Parteien, in größtmöglichem Umfang zu den drei Hauptkämpfen des Proletariats beizutragen: ökonomisch, politisch und ideologisch/theoretisch. Wir müssen uns an Streiks und Demonstrationen beteiligen und diese anführen, versuchen, den gewerkschaftlichen Kampf voranzutreiben, indem wir den Einfluss der Gewerkschaftsbürokratie brechen und ihn mit dem Kampf für den Sozialismus, mit dem antiimperialistischen, demokratischen Kampf und mit dem Machtkampf verbinden. Wir müssen auch den theoretischen/ideologischen Kampf führen, indem wir die Erfordernisse des politischen Kampfes an erster Stelle berücksichtigen und wir müssen die ideologische Einheit unserer Konferenz stärken, indem wir Lösungen für unsere derzeitigen Unzulänglichkeiten und Probleme entwickeln, denn in der Welt verschärfen sich alle Widersprüche schnell. Neben der Bildung unserer Mitglieder und unseres Umfeldes ist es unsere grundlegende Aufgabe, erfolgreich gegen die Sozialdemokratie – die sich bemüht die Arbeiter und Werktätigen zu verwirren, indem sie die Klassenkollaboration befürwortet – und gegen verschiedene Arten von reformistischen, revisionistischen, opportunistischen, trotzkistischen Theorien und Ansichten zu kämpfen sowie gegen den von der Bourgeoisie angetriebenen, horizontverengenden Egoismus, Karrierismus und die Verteidigung der Bourgeoisie und des Kapitalismus. Wir müssen diese Strömungen entlarven und sicherstellen, dass ihre wahren Absichten erkannt werden. Wir können den Marxismus-Leninismus und unsere Parteien stärken, indem wir ihn im Kampf gegen die Bourgeoisie und alle Arten von abweichenden Strömungen verteidigen, die versuchen seine Lehren zu verzerren, zu revidieren und zu entkräften.

– Die Entwicklungen in der kapitalistischen Welt und das, was die Bourgeoisie den Arbeitern und Werktätigen auferlegt, sind nicht sehr ermutigend und die Massen sind mit ihrer Situation, ihren Arbeits- und Lebensbedingungen nicht zufrieden. Die objektiven Bedingungen veranlassen sie dazu, gegen die ihnen auferlegten Lasten und Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie bleiben angesichts der negativen Folgen des Kapitalismus und der Angriffe der bürgerlichen Reaktion nicht unempfänglich und in einigen Ländern gibt es in den unteren Klassen sogar eine gewisse Suche nach einer Alternative, aber es fehlt ihnen an dem notwendigen Bewusstseins- und Organisationsgrad, der den objektiven Bedingungen und Notwendigkeiten nicht entspricht. Sie sind sich unklar über die Möglichkeiten zur Bewältigung der Probleme, denen sie gegenüberstehen, über ihre aktuellen und zukünftigen Sorgen und es fehlt ihnen an Organisation. Doch es ist auch möglich, dass der gegenwärtige Kampf zur Grundlage für weitere Kämpfe wird, dass die Aktionen der Arbeiter und Werktätigen erfolgreich verlaufen und Erfolge erzielen, dass die gegenwärtige Rücksichtslosigkeit des Kapitals zurückgedrängt wird und dass ein neues Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital entsteht. Dazu müssen wir uns bemühen, breite Zusammenschlüsse und Bündnisse, insbesondere in den Gewerkschaften, aufzubauen. Es kann nicht sein, dass die bestehenden Gewerkschaftsstrukturen den Druck der Basis nicht spüren oder nicht erkennen, dass sie angesichts der weltweiten Entwicklungen nicht in ihren bisherigen Positionen verharren können. Obwohl die Gewerkschaftsbürokratie die Notwendigkeit sieht, ihre Position zu ändern, wird sie mit ihrer Tendenz zur Klassenzusammenarbeit weiterhin versuchen, die Herausbildung eines gewerkschaftlichen Kampfes und einer gewerkschaftlichen Linie außerhalb ihrer Kontrolle mit einer Taktik zu verhindern, die den von den Arbeitern erzwungenen Forderungen nach Veränderungen Vorrang gibt. Wir können unseren Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie nicht aussetzen, im Gegenteil, wir müssen ihm mehr Bedeutung beimessen als bisher, aber wir müssen auch bereit sein, seine Form zu erneuern. Wir müssen erkennen, dass die Förderung gewerkschaftlicher Bündnisse neue Risiken in sich birgt, aber die neuen Möglichkeiten, die dadurch geschaffen werden, werden die Bewegung und unsere Parteien in ihr voranbringen.

– In allen Ländern gewinnt der Kampf gegen die Angriffe der herrschenden reaktionären Bourgeoisie, die darauf abzielen, das politische Leben reaktionärer zu machen und den Völkern den Faschismus aufzuzwingen, immer mehr an Bedeutung und wir müssen die Möglichkeit nutzen, unsere Reihen zu schließen und die Massenbasis in diesem Kampf mit demokratischen Inhalten zu erweitern, den wir mit dem Machtkampf verbinden müssen. Zu diesem Zweck kommen wir nicht umhin, uns mit antiimperialistischen und antifaschistischen Kräften zusammenzuschließen. Die Einheit dieser Kräfte und Bündnisse werden mit der richtigen Perspektive den Kampf gegen Bourgeoisie, Imperialismus und Faschismus stärken.

Der Kampf gegen den Faschismus trivialisiert nicht den Kampf gegen Reformismus und politische Ansätze und Haltungen, die auf „sozialen Fortschritt“ innerhalb des bestehenden Systems setzen. Im Gegenteil: politische Tendenzen, die sich auf die Erhaltung der bestehenden kapitalistischen Ordnung stützen – die sich auf ihre Restauration beschränken – nähren und stärken den Faschismus, mit dem sie nach Vereinbarkeit streben. Die Arbeiter- und Volksbewegung kann nur dann eine Massenbasis gewinnen, wenn sie den Reformismus erfolgreich bekämpft.

– Ausgehend vom Kampf um die Macht unter den Bedingungen der Herrschaft der Bourgeoisie und des Imperialismus ist es unerlässlich, dass unsere Parteien die politische und organisatorische Programmatik des Kampfes umreißen, die die Führung der Arbeiterklasse im Kampf um Unabhängigkeit, politische Demokratie und Sozialismus in ihren Ländern und für die dringenden Forderungen der Arbeiter und Völker garantiert.

– Unsere Hauptaufgabe in den abhängigen Ländern ist es, die Arbeiterklasse und das arbeitende Volk für die Herrschaft des Volkes zu organisieren und die Kraft zur Machtübernahme zu sammeln. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir die Kämpfe der Arbeiterklasse und der Massen der ausgebeuteten und unterdrückten Menschen für ihre Forderungen organisieren und führen, um die Herrschaft der Bourgeoisie und des Imperialismus zu schwächen und zu stürzen.

– In den entwickelten kapitalistischen Ländern besteht die Hauptaufgabe darin, den Kampf der Arbeiterklasse gegen die imperialistische Bourgeoisie zu führen.

– Es ist eine Tatsache, dass parallel zum Anstieg der wirtschaftlichen und politischen Aggression der reaktionären Bourgeoisie in der Welt in den letzten Jahren auch der Klassenkampf zugenommen hat. Allmählich treten die Arbeiterklasse und der direkte Klassenkampf in den Vordergrund. Dies ist zweifellos eine gute Entwicklung für die Parteien der Arbeiterklasse und es ist unsere Hauptaufgabe, uns mit der mobilisierten Arbeiterklasse zu vereinen und uns an ihren Kämpfen zu beteiligen.

Der rasante Aufstieg der Arbeiterbewegung, die Tatsache, dass ein wichtiger Teil der grünen Umweltparteien und -bewegungen dazu neigt, das Gegenteil ihrer Programme zu verteidigen und umzusetzen – wie es in Deutschland der Fall ist – und die Tendenz bestimmter nationaler Bewegungen, sich mit dem Imperialismus zu verbünden, bedeutet nicht, dass die Vielzahl von Identitäts-, Umwelt-, Friedens-, usw. Bewegungen und Kämpfen, die Ausdruck des Klassenkampfes sind, nicht mehr wichtig sind und dass wir uns von ihnen abwenden sollten. Nationale Bewegungen, die die Gleichheit der nationalen Rechte anderer Klassen und Schichten als des Proletariats fordern, Bewegungen, die auf den Schutz und die Verteidigung der Umwelt abzielen, welche der Kapitalismus aus Profitgier zerstört und Friedensbewegungen, die die Verhinderung von Kriegen fordern, die durch den zwischenimperialistischen Kampf verursacht werden, usw., stehen auf der Tagesordnung und sind unausbleiblich. Sie entwickeln sich in direktem Zusammenhang mit den negativen Folgen des imperialistischen Kapitalismus und sind in Wirklichkeit verschiedene Erscheinungsformen des Klassenkampfes. Zum Beispiel entwickelt sich die Frauenbewegung als Identitätsbewegung sicherlich nicht nur angesichts der Unterdrückung durch die männliche Vorherrschaft, sondern auch angesichts der vorkapitalistischen und kapitalistischen Diskriminierung und Ungleichheit. Ebenso ist es der Kapitalismus, welcher der Jugend die Zukunft raubt und die Jugendbewegungen stehen in direktem Zusammenhang mit der Ausbeutung und Tyrannei des Kapitalismus. Die indigenen Bewegungen und die immer wichtiger werdenden Migrantenbewegungen der letzten Jahrzehnte stehen ebenfalls in direktem Zusammenhang mit dem Kapitalismus und seinen Folgen und können sowohl eine Manifestation des Kampfes gegen den Kapitalismus sein als auch in Verbindung mit ihm voranschreiten. Es ist unsere Pflicht, an diesen Bewegungen, die sich mit Identität, Umwelt, Frieden usw. befassen, teilzunehmen und an ihrer Spitze zu stehen, ohne sie als Alternativen zum Klassenkampf und der sich entwickelnden Arbeiterbewegung zu betrachten und indem wir solche Ansätze bekämpfen.

– Man kann sich nicht auf einen Imperialisten verlassen, um einen anderen zu bekämpfen. Es ist unsere grundlegende Pflicht, den Imperialismus in allen Bereichen – ökonomisch, finanziell, politisch, kulturell usw. – zu bekämpfen und uns der imperialistischen Ausplünderung der Ressourcen des Planeten und der Tyrannei entgegenzustellen. Wir werden uns dieser Aufgabe stellen, ohne einem Imperialisten irgendwelche positiven Eigenschaften zuzuschreiben.

– Es ist offensichtlich, dass die Bedeutung des Kampfes für den Frieden unter den Bedingungen, in denen die Kriegsgefahr ernsthaft ansteigt, zugenommen hat. Der Kampf für den Frieden, der in Europa durch den Krieg in der Ukraine besonders aktuell geworden ist, ist ziemlich schwach und darüber hinaus offen für verschiedene Einflüsse, in schwere Widersprüche verwickelt, verwirrt und desorientiert. Ein Grund für seine Schwäche und Verwirrung ist die Schwäche der organisierten Beteiligung der Arbeiterklasse und unserer Parteien an dieser Bewegung. Ein Grund ist die Propaganda der amerikanischen und europäischen Imperialisten und ihrer Verbündeten, die ihre eigene Aggression vertuschen. Ein anderer ist der Einfluss der Revisionisten, die nur die USA und die NATO als Aggressoren betrachten, und der Opportunisten, die den russischen und chinesischen Imperialismus, welche sich als „Freunde der Völker“ ausgeben, auf der Suche nach Stärke unterstützen, um dieser Aggression zu widerstehen. Der Kampf für den Frieden kann nicht auf einen „amerikanischen Frieden“ abzielen oder sich nur gegen die USA und die NATO-Verbündeten richten, sondern er muss sich gegen alle Imperialisten und den Imperialismus sowie gegen den Konflikt zwischen ihnen richten. Wir können uns aber nicht damit begnügen, dies zu sagen, sondern müssen uns stark an der Friedensbewegung beteiligen und unseren Teil dazu beitragen, dass sie ihre Richtung richtig bestimmt. „Entweder die Revolution verhindert den Krieg oder der Krieg führt zur Revolution“ – das ist unsere strategische Losung.

In der heutigen Welt, in der der Einsatz von Waffen zunimmt und alle Imperialisten und bürgerlichen Reaktionäre bis an die Zähne bewaffnet sind, ist kein Platz für Kuschelkurs mit dem russischen und chinesischen Imperialismus und für friedliche Träume! Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der mit den beiden Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki und der Kapitulation Japans endete, steht ein neuer Weltkrieg auf der Tagesordnung. Sowohl Chruschtschows revisionistische Vorstellung, dass das durch die Atomwaffen geschaffene „Gleichgewicht der Kräfte“ die Möglichkeit eines Krieges ausschließt, als auch die Vorstellung, dass die Menschheit in einer von der internationalen Bourgeoisie und dem Imperialismus beherrschten Welt vor Kriegen bewahrt wurde oder bewahrt werden kann – die sich aus Fukuyamas „Ende der Geschichte“ ableitet und auf den Behauptungen der „Globalisierungs„-Befürworter beruht – und dass ein „Zeitalter des Friedens und des Wohlstands“ erreicht wurde beziehungsweise wird, ist eine Illusion, die sowohl von der Theorie als auch von der gesellschaftlichen Praxis widerlegt wird.

Der zunehmende Einfluss des Gesetzes der ungleichmäßigen Entwicklung des Kapitalismus auf der Ebene der Sektoren, Regionen und Länder im Stadium des Imperialismus und das Fehlen eines anderen Mittels als der Gewalt zur Neuaufteilung der Welt durch verschiedene imperialistische Zentren mit wechselnden Machtverhältnissen deuten theoretisch auf die Unvermeidbarkeit eines neuen Weltkriegs hin. In der Praxis erleben wir die Verschärfung des Kampfes zwischen den Imperialisten um die Aufteilung der Welt, den Ausbruch kleiner regionaler Kriege, die nie enden, die Konfrontation zwischen Russland und der NATO in der Ukraine und die Verschärfung des Wettrüstens. Daher wird die Möglichkeit eines Dritten Weltkriegs, der die Völker der Welt in den Flammen eines neuen großen Krieges verschlingen würde, von Tag zu Tag ernster. Wir müssen die Entwicklung der Friedensbewegung gegen den Krieg fördern, ohne uns von Illusionen leiten zu lassen. Indem wir die Völker der Welt vor der Gefahr eines neuen Krieges warnen, müssen wir uns darauf vorbereiten, einen neuen Krieg in das Gärmittel neuer Revolutionen zu verwandeln, wenn er entgegen aller Widerstände nicht verhindert werden kann.

– Wir müssen alle unsere Aufgaben wahrnehmen, ohne uns auf unsere Länder zu beschränken und ohne unsere internationalen Aufgaben zu vernachlässigen. Und bei der Erfüllung all unserer Aufgaben dürfen wir nicht vernachlässigen, unseren Teil zur Konsolidierung und Stärkung unserer Parteien beizutragen, die internationale Einheit und Solidarität gegen unsere Klassen- und Volksfeinde voranzutreiben und neue brüderliche Organisationen in den Ländern zu schaffen, in denen unsere Konferenz nicht organisiert ist. Wir müssen die Position der IKMLPO in jedem Land sichtbar machen und „Einheit und Kampf“, das Organ unserer Konferenz, in so vielen Ländern wie möglich verbreiten.

Dezember 2023


[1] Die Daten zur landwirtschaftlichen Produktion und zum Handel stammen vom Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten. Siehe https://apps.fas.usda.gov/psdonline/circulars/grain.pdf

[2] https://tradingeconomics.com/country-list/government-debt-to-gdp

[3] https://www.iif.com/Products/Global-Debt-Monitor

[4] https://www.global-rates.com/en/interest-rates/central-banks/

[5] Die Daten zu Inflation und Preiserhöhungen stammen von Trading Economics: https://tradingeconomics.com/united-kingdom/indicators

[6] Handelsökonomie, FAO

[7] Statista

[8] Quelle: FactSet

[9] Siehe twitter.com/@chuangcn