Was ist Faschismus und was nicht?

Roger Bourderon beschreibt in „Le Fascisme, idéologie et pratiques“[Faschismus,  Ideologie und Anwendungen, Anm. d. Verf.] den italienischen Faschismus in seinen Anfängen mit den „Schwarzhemden“:

„Die ‚Schwarzhemden‘ fahren mit Lastwagen […] zu ihren Razzien. Kaum angekommen, verprügeln sie jeden auf der Straße, der beim Vorbeiziehen der Wimpel seinen Hut nicht abnimmt oder eine rote Krawatte, ein rotes Halstuch, eine rote Bluse trägt: Wenn jemand widerspricht, eine Abwehrbewegung macht, ein Faschist verletzt oder ein wenig verprügelt wird, wird die ‚Strafe‘ verlängert. Die Zentren der Arbeitsvermittlung, der Gewerkschaften, der Genossenschaften, der Volkshäuser werden gestürmt, Türen aufgebrochen, Möbel, Bücher, Gegenstände auf die Straße geworfen und mit Benzinkanistern übergossen; einige Minuten später wird alles in Brand gesteckt. Diejenigen, die sich in den gestürmten Räumen aufhalten, werden brutal verprügelt oder getötet. Fahnen werden verbrannt oder als Trophäen mitgenommen. Oft wird die Razzia zu einem bestimmten Zweck, zum Zweck der ‚Säuberung‘ des überfallenen Ortes, durchgeführt. Dann halten die Lastwagen direkt vor den Zentralen der ‚roten‘ Organisationen, die dem Erdboden gleichgemacht werden. Die faschistischen Gruppen verfolgen die ‚Chefs‘ wie Bürgermeister und Stadträte, ‚Vereins‘-Sekretäre, Genossenschaftsvorsitzende, zwingen sie zum Rücktritt, drohen mit ihrer Ermordung oder dem Abriss ihrer Häuser und vertreiben sie aus ihren Häusern, damit sie nie wieder zurückkehren. Wenn sie fliehen und sich retten können, rächt man sich an ihren Familien.“ [Übers. d. Verf.] (Bourderon 1989: 146–147)

Es ist auch bekannt, was die unter faschistischen Diktaturen institutionalisierten Todesschwadronen mit Einzel- und Massenmorden, mit Konzentrationslagern, zum Beispiel, mit Gaskammern… getan haben.

Italien hatte gerade den Ersten Imperialistischen Verteilungskrieg hinter sich gelassen, die vier vorangegangenen Jahre waren äußerst schwierig gewesen. Neben unerfüllten „nationalen“ Hoffnungen hinterließ der Krieg, bei dem die der italienischen Bourgeoisie gemachten Versprechen nicht eingelöst und sie in ihm nicht das Erhoffte fand, Zerstörung, hohe Inflation, Arbeitslosigkeit, Elend und Kriegsveteranen, die um ihr Überleben kämpfen mussten und mit Geschichten von „Heldentum“ getröstet wurden. Die Arbeiterklasse, gestärkt im Kampf gegen Zerstörung, Arbeitslosigkeit und Elend, führte noch 1921 breite Streiks durch, organisierte sich in „Arbeiterräten“ und griff zu groß angelegten Betriebsbesetzungen. Ähnliches gilt auf dem Land für die Landarbeiter und die arme Dorfbevölkerung. Jedoch konnte sich die Arbeiterklasse nicht nur nicht politisch vereinigen und weiterentwickeln, die Welle begann auch zu schwinden. Im Allgemeinen spielten die Sozialdemokratie und die Sozialistische Partei, die einst Mitglied der Dritten Internationale war, eine zersetzende Rolle, während die neu entstehenden Kommunisten, die ebenfalls „linke“ Fehler machten, den Faschismus nicht aufhalten konnten.

In Deutschland sind die Entwicklungen zwar ähnlich, aber der Verlauf ist mehr oder weniger unterschiedlich. In dem Land, in dem es nach dem Krieg zu Aufständen und Arbeiter- und Soldatenräten kam, die bald von der sozialdemokratischen Regierung niedergeschlagen wurden, kam es bis 1923 immer wieder zu kleineren und größeren Aufständen. Die Sozialdemokraten, die mit ihren „Freikorps“ Ende 1918 und im Frühjahr 1919 die Arbeiter- und Soldatenräte von Berlin und München stürzten, die streikenden Arbeiter von Berlin, die 1920 die Kapp-Putschisten stoppten, im Stich ließen, um die Rote Ruhrarmee zu zerschlagen und 1921 konterrevolutionären Terror im Ruhrgebiet und in Mitteldeutschland zu entfesseln, sind Verteidiger der Bourgeoisie, ob allein oder zusammen mit rechten bürgerlichen Parteien. Diese Partei, die von den Arbeitern und der Mittelschicht gewählt wurde, verlor mit ihrer Politik nicht nur mehr als die Hälfte ihrer Stimmen und die Unterstützung von Millionen von Arbeitern, sondern trug auch dazu bei, die Hoffnungen der Arbeiter auf den Sozialismus auszulöschen und bei den Werktätigen den Eindruck zu erwecken, dass der Sozialismus nicht die Lösung für ihre dringenden Forderungen sei. Schließlich überlässt die SPD, mit denen die wachsende KPD immerhin in zwei Ländern „Arbeiterregierungen“ gebildet hatte, 1923 erneut die Betriebsräte ihrem Schicksal. Doch 1923 sind die krisengeschüttelten Arbeiter und das Kleinbürgertum in Stadt und Land auf den Beinen und suchen nach Kräften, die ihre Forderungen verteidigen und sie nicht im Stich lassen, wenn z. B. Brot, das im Januar noch 250 Mark kostete, im November für 200 Millionen Mark verkauft wird. Doch sowohl in Italien als auch in Deutschland haben die Sozialdemokraten genauso, wie sie die Forderungen der Massen nicht verteidigt und die Kommunisten im Kampf gegen die faschistische Aggression allein gelassen haben, die Kontrolle über die Massen verloren, wodurch sie für die Bourgeoisie als Alternative uninteressant und aus der Regierung entfernt wurden.

In Italien wird Mussolini rasch zur Regierungsbildung eingeladen. In Deutschland jedoch ebbt mit der relativen Stabilisierung des Kapitalismus die revolutionäre Welle ab und Hitler muss noch zehn Jahre warten, bis er die Bedürfnisse der Monopole befriedigen kann. Der Faschismus, der sich in Italien an die Macht gebracht hat und sich in Deutschland als starke Massenbewegung zu entwickeln droht, nutzt jedoch die Entwicklungsmöglichkeiten, indem er die Instrumentalisierung der Forderungen der Arbeiter, der städtischen und ländlichen Armen und der kleinbürgerlichen Mittelschicht, die sich von der Sozialdemokratie und den anderen Systemparteien, die ihre Forderungen unter den Bedingungen der Kriegszerstörung und der Krise, mit der sie zu kämpfen haben, nicht erfüllen können, tendenziell lösen, mit der Eskalation des Nationalismus über den Krieg und seine Folgen (wie die Auferlegung des Versailler Vertrages in Deutschland, gegen den die Kommunisten keine rechtzeitige Agitation entwickeln konnten) verbindet.

DER KLASSENCHARAKTER DES FASCHISMUS

1. Der Faschismus ist eine Besonderheit der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolutionen

Im Monopolkapitalismus dominieren das Finanzkapital und die Monopolbourgeoisie. Der Faschismus als Strömung der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolutionen ist die reaktionärste, aggressivste und terroristischste Strömung der Monopolbourgeoisie; die faschistische Diktatur als bürgerliche Staatsform ist die reaktionärste unter einer Reihe von reaktionären Staatsformen, die durch die Monopole als Vertreter der Reaktion gekennzeichnet sind und sich durch ihren bluttriefenden terroristischen Charakter auszeichnen.

Wie Lenin sagte, hat das Monopol, wie der Name schon sagt, als die Tendenz, alles zu monopolisieren und zu kontrollieren, seinen Platz neben, aber über der Konkurrenz, die die Dynamik der kapitalistischen Entwicklung ausmacht, eingenommen; es hat die Möglichkeit erlangt, die Investitionen, samt ihrem Umfang die Produktion und die Märkte selektiv mit dem Ziel der Gewinnmaximierung zu bestimmen.

Der „Imperialismus“ ist „überhaupt Drang nach Gewalt und Reaktion“ (Lenin 1971: 273), denn „der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überallhin den Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen. Reaktion auf der ganzen Linie, gleichviel unter welchem politischen System, äußerste Zuspitzung der Gegensätze auch auf diesem Gebiet – das ist das Ergebnis dieser Tendenzen.“ [Herv. d. Aut., auch folgende] (Lenin 1971: 302)

„Zu den politischen Besonderheiten des Imperialismus [gehören] die Reaktion auf der ganzen Linie sowie die Verstärkung der nationalen Unterdrückung in Verbindung mit dem Druck der Finanzoligarchie und mit der Beseitigung der freien Konkurrenz“. (Lenin 1971: 292) „Der Imperialismus widerspricht […] der ganzen politischen Demokratie schlechthin.“ (Lenin 1975: 38)

„Das ökonomische Monopol – das ist der Kern der ganzen Sache. Der politische Überbau über der neuen Ökonomik, über dem monopolistischen Kapitalismus (Imperialismus ist monopolistischer Kapitalismus) ist die Wendung vonder Demokratie zurpolitischen Reaktion. Der freien Konkurrenz entspricht die Demokratie. Dem Monopol entspricht die politische Reaktion. […] Sowohl in der Außenpolitik wie auch gleicherweise in der Innenpolitik strebt der Imperialismus zur Verletzung der Demokratie, zur Reaktion. In diesem Sinne ist unbestreitbar, daß der Imperialismus ‚Negation‘ der Demokratie überhaupt, der ganzen Demokratie ist, keineswegs aber nur einer demokratischen Forderung, nämlich der Selbstbestimmung der Nationen. […] Er ist bestrebt, [die Demokratie] zu verletzen.“ (Lenin 1975: 34)

Der verstärkte Ausdruck der Herrschaft des Finanzkapitals und der Tendenz der Monopole, die Demokratie zu verletzen und die Reaktion zu etablieren, ist der Faschismus, und die reaktionärste Form des politischen Überbaus, der bürgerlichen Staatsorganisation, ist die faschistische Diktatur. Natürlich kann man unter diesem Gesichtspunkt nicht behaupten, dass die faschistische Diktatur eine automatische und notwendige Folge der reaktionären Tendenz des Finanzkapitals ist; ob diese Tendenz zu einer faschistischen Staatsform führt oder nicht, hängt von den konkreten objektiven Bedingungen und den Machtverhältnissen zwischen den Klassen sowie den Bedürfnissen der Monopole ab.

Die faschistische Diktatur ist nicht durch die Klassenzugehörigkeit der von der faschistischen Bewegung getragenen und mitgerissenen Massen oder durch die Klassenherkunft ihrer Anführer gekennzeichnet, sondern durch das ökonomisch dominierende Finanzkapital und die Monopole und die Reaktion ihrer objektiven Klasseninteressen.

2. Der Faschismus als internationales Phänomen

Der Faschismus als ein Phänomen der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolutionen mit einem ausgeprägten internationalen Charakter ist nicht einer einzelnen Nation oder Nationen eigen, sondern kann nur in seinem internationalen Rahmen verstanden werden. Er kann nicht als eine lokale und isolierte Realität einzelner Länder erklärt werden.

Der Faschismus, der sich als Strömung, Bewegung und Staatsform in bestimmten einzelnen Ländern herausgebildet hat, ist mit seinem, von ihm glorifizierten und intensivierten chauvinistischen Nationalismus und sogar Rassismus in seiner Form national, nationale Werte haben einen besonderen Stellenwert unter denjenigen, die er am meisten instrumentalisiert, und der Faschismus eines jeden Landes trägt in seiner Grundlage und Ausprägung nationale Merkmale, die sich von denen des anderen unterscheiden.

Die nationalen Werte instrumentalisiert er jedoch lediglich; für die imperialistischen Länder und ihre Monopolbourgeoisien besitzt der Faschismus nicht nur die internationale Tendenz, die die vorherrschende Tendenz des entwickelten Kapitalismus ist; er wird durch die Anwendung von monopolistischer Aggression, Plünderung, roher Gewalt und Krieg und mit dem Inhalt der wirtschaftlichen und territorialen Aufteilung der Welt, vor allem des Kapitalexports, dieser Tendenz am meisten gerecht.

Dieselbe internationale Tendenz wirkt auch für die vom Imperialismus abhängigen Länder und ihren Monopolen; diejenigen dieser Länder, die ein bestimmtes Entwicklungs-, Größen- und Machtniveau erreicht haben, versuchen, Kapital entsprechend ihrer eigenen Verbrechen zu exportieren und sich an regionalen wirtschaftlichen und territorialen Aufteilungen zu beteiligen, – auch wenn sie weitaus mehr importieren –, sowohl im Namen ihrer eigenen Monopole als auch als Erfüllungsgehilfen der Imperialisten, indem sie im Ausland ihre Nationalflagge schwenkend den Nationalismus verherrlichen, um ihre Völker hinter sich herzuziehen. In dem Maße, in dem die Größe des Landes und der Entwicklungsstand des Kapitalismus zunehmen, nehmen auch – als ein Entwicklungsfaktor für den Faschismus – die Bestrebungen im Ausland zu. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie sich zwar Unrecht, Expansionismus und Gewalt gegenüber den unterdrückten Nationen und den schwachen Nachbarvölkern zu eigen machen, dass es ihnen aber schwer fällt, ihre Interessen als Erfüllungsgehilfen gegen die Imperialisten zu verteidigen, und dass sie versuchen, sich Raum zu verschaffen, indem sie die Widersprüche zwischen den Imperialisten als Grundlage für ihre Schachzüge nutzen.

3. Der Faschismus hängt mit der Krise des Kapitalismus zusammen

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts entstand die faschistische Bewegung im Zusammenhang mit der Krise des Kapitalismus, die durch die Zerstörung durch den imperialistischen Krieg, die Machtübernahme des Proletariats in Russland, das versuchte, ein alternatives Weltsystem aufzubauen, und den Zerfall des kapitalistischen Marktes noch verschärft wurde. In Italien kam es mit der Kraft, die es unter den Bedingungen der Krise von 1922-23 gesammelt hatte, und in Deutschland nach der Krise von 1929 an die Macht.

Die die Arbeitslosigkeit und die Armut verschärfenden Krisen des Kapitalismus nehmen in dem Maße zu, dass die Bedingungen der Ausbeutung und ihrer Fortsetzung, auch ohne die Existenz eines sozialistischen Landes oder Ländern, schwieriger werden, insbesondere wenn sie mit der allgemeinen Krise des Kapitalismus, die alle Hauptwidersprüche des Kapitalismus verschärft und ihre Folgen verschlimmert, zusammenfallen, und ziehen die Bourgeoisie, einschließlich der Monopole in Mitleidenschaft. Dieselben Faktoren, in erster Linie mit ihren Folgen der Verschärfung von Arbeitslosigkeit und Elend, machen die Massen der Arbeiter und Werktätigen ihres Lebens überdrüssig.

Während die Monopolbourgeoisie dazu neigt, die Krisenbedingungen in eine Vorbereitung für einen neuen Aufschwung umzuwandeln, indem sie untergehende Unternehmen und deren Vermögenswerte billig erwirbt, wird sie von der wachsenden Opposition der Arbeiter und des Volkes ausgebremst, deren Unzufriedenheit zunimmt und die beginnt, sie nach außen zu tragen und aktiv zu werden. Wenn die Fortsetzung der Herrschaft des Kapitals und der Ausbeutung im Rahmen der alten politischen Formen in Bezug auf die inneren und äußeren Bedingungen schwierig wird, entsteht der Faschismus in diesem Rahmen als Bestreben der Monopole, „den Fortbestand des Kapitalismus und ihrer Herrschaft zu sichern und zu festigen“.

Abgesehen von der betrügerischen antikapitalistischen Agitation, die er unter Instrumentalisierung ihrer Forderungen betreibt, um die Werktätigen und die Mittelschichten zu gewinnen, die geneigt sind, mit der Ordnung zu brechen und nach neuen Wegen zu suchen, ist der Faschismus die unmittelbare Organisierung des Bedürfnisses der Monopole, den Kapitalismus – einschließlich der Eroberung neuer Märkte – gewaltsam im In- und Ausland zu stabilisieren.

Es muss vermieden werden, eine direkte und mechanische Beziehung zwischen jeder Krise des Kapitalismus und dem Faschismus herzustellen; wir wissen aus der Praxis, dass der Kapitalismus seine gewöhnlichen Krisen mit mehr oder weniger gewöhnlichen Methoden überwinden kann; für den Faschismus müssen andere Bedingungen zusammenkommen und die fraglichen Krisen müssen das Ausmaß und die Wirkung haben, um z.B. politische Krisen zu bedingen. Der spanische Faschismus zum Beispiel ist mit der berüchtigten Krise von 1929 verbunden, als die „Volksfront“ die Wahlen von ’36 gewann, aber die Generäle revoltierten und die faschistische Bewegung mit sich zogen. Chile ebenfalls: Die Krise von 1973, die mit dem Zusammenbruch des internationalen Währungssystems im Jahr 1971, als die USA einseitig die Goldbindung des Dollars aufhoben, sowie mit der Nahrungsmittel- und Energiekrise zusammenhing. Krisen mit internationalen Auswirkungen haben zu starken faschistischen Wellen geführt, während Krisen mit geringeren Auswirkungen oder regionale und nationale Krisen eher begrenzte, aber dennoch spürbare Auswirkungen haben. In der jüngeren Zeit gab es einen Anstieg faschistischer Bewegungen im Zusammenhang mit dem Jahr 2001 und dem von seinen Maßnahmen und Folgen hervorgegangenen Jahr 2008.

4. Die Möglichkeit der (potenziellen) Revolution treibt die Monopole zum Faschismus

Die Erfahrung der Klassenkämpfe des letzten Jahrhunderts zeigt, dass faschistische Diktaturen in der Regel dann auf den Plan treten, wenn revolutionäre Situationen entstanden sind und der Aufstieg der Arbeiter- und Werktätigenbewegung die Machtfrage aufgeworfen hat, oder wenn die Spannung zwischen den kämpfenden Klassen diesen Punkt nahe bringt.

Der Monopolkapitalismus als „höchstes Stadium des Kapitalismus“, das als Kapitalverhältnis nichts Höheres kennt, hat Lenin als einen „Übergangskapitalismus oder, richtiger, als sterbender Kapitalismus“ bezeichnet. Für das Finanzkapital und seine Herrschaft bedeutet dies, dass das Auftauchen der Machtfrage zu einer Frage von Leben oder Tod wird. Die herrschende Monopolbourgeoisie hat dies mit der Oktoberrevolution von 1917 entscheidend erprobt, und nach ’17 hat sie, wann immer mit der Machtfrage oder auch nur der Möglichkeit einer solchen konfrontiert, nicht davor zurückgeschreckt, die schärfsten Positionen einzunehmen und die reaktionärste Politik umzusetzen. Der Faschismus und die faschistische Diktatur sind die konterrevolutionäre Reaktion und Antwort der Monopole unter Bedingungen, in denen sich die Revolution erhebt oder die Möglichkeit einer Revolution droht und daher ihre Souveränität tendenziell in Frage gestellt wird. Diese Antwort, die sich gegen die Revolution und ihre Grundlagen richtet, erscheint als eine Verschärfung der reaktionären Tendenz der Monopole im Zusammenhang mit der Machtfrage.

Dies geschah in Italien, in Deutschland und Spanien, in Polen, Bulgarien und Griechenland, dann in Chile und anderen lateinamerikanischen Ländern wie Brasilien, Uruguay, Guatemala. Es ist auch nichts natürlicher als das. In unserer Epoche, der Epoche der sozialen Revolutionen, ist es vollkommen verständlich, dass die Monopolbourgeoisie, die in den kapitalistischen Gesellschaften die Macht in ihren Händen konzentriert und bis an die äußersten Enden der Gesellschaft verbreitet hat, wenn ihre Macht bedroht ist, in der reaktionärsten Form versucht, die bürgerliche Diktatur neu zu organisieren, um ihre Herrschaft zu bewahren.

5. Der Faschismus ist das Produkt des Widerspruchs zwischen den großen Monopolen und der Arbeiterklasse und dem Volk

Zweifellos kann bei der Entwicklung des Faschismus zur Notwendigkeit für die Herrschenden die Rolle der außerordentlichen Verschärfung des zwischenimperialistischen Widerspruchs, die sich darin widerspiegelt, dass die imperialistischen Monopole, die in der alten Aufteilung nicht das Erhoffte finden konnten, eine neue forderten, um die „Heimatfront“ zu konsolidieren, sich der Kriegswirtschaft und dem Militarismus zuzuwenden, nicht ignoriert werden.  Doch obwohl der Widerspruch zwischen Imperialisten und Reaktionären eine gewisse Rolle sowohl beim Sturz des Faschismus und der faschistischen Diktatur als auch bei ihrer Errichtung spielt, ist vor allem der Widerspruch zwischen Imperialismus und Reaktion einerseits und den Arbeitern und Werktätigen andererseits und der Kampf in diesem Rahmen entscheidend. Der Faschismus ist, abgesehen von seinen internationalen Bedürfnissen und Ausrichtungen, kein Phänomen, das sich als Lösung des Kampfes zwischen den Herrschenden ergibt, sondern er tritt unter Bedingungen, unter denen sie Schwierigkeiten haben, ihre Herrschaft mit den alten Methoden aufrechtzuerhalten, als Produkt des Bedürfnisses des Finanzkapitals und der Monopole in den Vordergrund, die Arbeiter und Werktätigen zu kontrollieren und sich der Bedrohlichkeit ihres Kampfes zu diesem Zweck zu entledigen.

6. Die Abschaffung der bürgerlichen Demokratie

Die konkrete Form der „Verletzung der Demokratie“, für die die Monopole „Wege suchen“, ist nicht nur der verschärfte Ausdruck der Reaktion und der Tendenz zur Etablierung der Reaktion, sondern auch der Faschismus und die Errichtung einer faschistischen Diktatur, die mit Krisenzeiten, insbesondere einer nationalen politischen Krise oder der Möglichkeit einer sozialen Revolution einhergeht.

Wenn die bürgerliche Demokratie oder die Diktatur der Bourgeoisie in demokratischer Form, die vor allem im Einklang mit dem freien Wettbewerb als parlamentarisches System ausgestaltet ist, nicht ausreicht, um die wirtschaftliche und politische Krise des Kapitalismus durch die Unterdrückung der Opposition der Arbeiter und Werktätigen zusammen mit den Schwierigkeiten, die durch die internen Konflikte der Bourgeoisie verursacht werden, zu überwinden, und das Problem der Regierungsunfähigkeit auftritt, werden als Mittel zur Verletzung der Demokratie die demokratischen Rechte und Freiheiten abgeschafft und verworfen, und die Form der Diktatur verändert. Es ist ein Entwicklungsstadium erreicht, in dem die Bourgeoisie nicht mehr mit den alten parlamentarischen Methoden regieren kann, zu denen die Verfügbarkeit demokratischer Rechte gehört, und das Finanzkapital und die Monopole, die als Quelle der Reaktion dazu neigen, die Demokratie zu verletzen, das bürgerliche Parlament mit den demokratischen Rechten und dem Prinzip der Wahlen, die zu einem Hindernis für ihre Herrschaft geworden sind, aufgeben. Das Parlament, das ohnehin nicht der Ort ist, an dem die Staatsangelegenheiten entschieden werden, erschwert das Regieren, indem es den Entscheidungsprozess in die Länge zieht, und kann deshalb dem Bedürfnis der Monopole nach zentraler, schneller Entscheidungsfindung oder Diktat nicht entsprechen und wird überflüssig. Weder demokratische Rechte, die die Verwirklichung der Monopolinteressen erschweren und verzögern, manchmal sogar verhindern, wenn sie mit ausreichender Kraft angewandt werden, und die darüber hinaus dazu dienen, die sozialistische Erziehung des Proletariats zu vervollständigen, indem sie genutzt werden, um in die Politik einzugreifen, noch langwierige und fruchtlose Debatten – was gebraucht wird, sind Zwang, Verbot und rohe Gewalt. Gewalt und Einschüchterungsterror.

7. „Nationalchefs/-führer“ und Einsetzung und Zwangsverwaltung statt des Wahlprinzips

Arbeiter- und volksfeindliche Entscheidungen, die nicht durch rasche und demokratische Debatten und Eingriffe davon abgehalten werden, die Interessen der Monopole zu reflektieren, erfordern eine politische Zentralisierung, die der Zentralisierung des Monopols in der Wirtschaft entspricht: Politisches Monopol, Monopol der Politik. Der Faschismus ist ein Politikmonopol und erkennt keine andere politische Organisation an.

Was hingegen die Monopolbourgeoisie in die Lage versetzen wird, schnelle und ihren Interessen voll entsprechende Entscheidungen zu garantieren, ist die Umwandlung des bürgerlichen Staates in eine faschistische Diktatur, die nicht nur zentralisiert und beschleunigt wird, sondern schrittweise, mit der Reduzierung der Beratungen, den Entscheidungen, die von einer einzigen Person – mit seinem engen Kreis -, dem Chef/Führer bestimmt werden, der Ersetzung des Wahlprinzips durch das der Einsetzung, der Verallgemeinerung des Diktats und der gewaltsamen Zerschlagung der Opposition, der kein Existenzrecht zugestanden wird. Die Einsetzung der Leiter aller Organisationsebenen und Staatsorgane mit unteren Führern durch den Chef/Führer, inklusive der Leitungsebene der faschistischen Bewegung, ist eine dem Faschismus innewohnende Regel. In Italien und Deutschland zum Beispiel wurden zuvor gewählte Unterchefs bald vom Chef ernannt. Auch wenn sie seinerzeit propagiert wurden, werden die Grundsätze des „Volkswillens“/„Nationalwillens“, des allgemeinen Wahlrechts und der Wahlen als Phänomene der alten demokratischen Staatsform über Bord geworfen. Alte demokratische oder mehr oder weniger demokratische Traditionen und Verfahren werden durch Gesetze und Dekrete geändert, angefangen bei den unbeliebtesten werden gewählte Beamte aus den Führungspositionen entfernt und an ihrer Stelle „zuverlässige“ neue ernannt, die Zwangsverwaltung wird im Übergangsprozess zu einer der am häufigsten angewandten Methoden.

8. Die faschistische Diktatur ist der Ausschluss der Massen von der Politik

Der Feudalismus erfordert und basiert auf außerökonomischem Zwang: Die Abhängigkeitsverhältnisse von Person und Land sind die grundlegenden Beziehungen der feudalen Gesellschaft. Der Kapitalismus hingegen kennt keinen außerökonomischen Zwang, mit Ausnahme z. B. der intensiven Sklavenarbeit, auf die während der Entwicklung des Kapitalismus in den Südstaaten der USA zurückgegriffen wurde. Der Arbeiter hat die Freiheit, seine Arbeitskraft zu vermieten und über den Preis zu verhandeln, selbst wenn es nur um die Entscheidung geht, zu verhungern oder nicht. Aber es gelten die Gesetze der Wirtschaft: Er vermietet, um nicht zu sterben, und der Mietpreis wird – natürlich unter dem Einfluss seines organisierten Kampfes – durch das Vorhandensein einer Reservearmee von Arbeitern und die Schwankungen von Angebot und Nachfrage nach Arbeitskraft bestimmt. Das Kapital ist in erster Linie ökonomisch dominant. Solange die ökonomische Herrschaft des Kapitals anhält, ändert sich diese Tatsache nicht, und unabhängig von der Art des politischen Regimes werden die ökonomische Herrschaft des Kapitals und die unentgeltliche Aneignung eines Teils der Arbeitskraft fortbestehen. Aus diesem Grund war bis zum Monopolkapitalismus die bürgerliche Demokratie oder das demokratische parlamentarische System der normale Überbau des Kapitalismus.

Doch obwohl die bürgerliche Demokratie eine Form der bürgerlichen Diktatur, auch wenn sie „Rechte zuerkennt“, und die Organisation der Tyrannei über die Arbeiterklasse und die Werktätigen ist, genießt die Arbeiterklasse durch ihren Kampf unter den Bedingungen der bürgerlichen Demokratie nicht nur demokratische Rechte, sondern wird auch zum Garanten dieser Rechte, indem sie für deren Ausübung kämpft, während sie gleichzeitig Fortschritte bei der Vervollständigung ihrer sozialistischen Erziehung macht und darüber hinaus Gewerkschaften und politische Massenorganisationen gründet und sich organisiert. Die Möglichkeit der sozialen Revolution und die Gefahr ihrer praktischen Verwirklichung, die sie unter Krisenbedingungen darstellt, veranlasst die Bourgeoisie dazu, ihre eigene Demokratie im Interesse der Aufrechterhaltung und Sicherung ihrer Herrschaft zu demontieren und die außerökonomische Gewalt, d.h. die politische Gewalt, zu einer Stütze des Kapitalismus zu machen. Der Faschismus, die faschistische Diktatur, bedeutet 1) der Ausschluss der ausgebeuteten Massen von der Politik durch ihre Desorganisation durch die Auflösung und das Verbot ihrer Organisationen, um sie zu zwingen, die wirtschaftlichen und sozialen Zumutungen zu akzeptieren, 2) die Verfestigung des wirtschaftlichen Zwangs durch die Verbindung von wirtschaftlichem und politischem Zwang in Form von politischer Erzwingung, dass Arbeiter und Werktätige extrem niedrige Löhne akzeptieren, sowie der Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen und zum Beispiel Juden in Deutschland (und in den von ihm besetzten Ländern) in Form von „Sklavenarbeit“[1]. Der Faschismus ist also faktisch die Negation des auf wirtschaftlicher Gewalt beruhenden Kapitalismus selbst, und die Zwangslage der Bourgeoisie, den gesellschaftlichen Charakter der Produktivkräfte anerkennen zu müssen, erscheint im Kapitalismus nicht als Negation des Privateigentums, sondern als eine Tendenz zur Wiederverwirklichung des auf politischem Zwang beruhenden Eigentumserwerbs. Ein weiteres Element und Beispiel dafür, dass sich der Faschismus als kapitalistische Herrschaftsform auf politische Gewalt stützt, ist neben den Gaskammern der Massenmord am sowjetischen Volk, der vor allem in den besetzten Gebieten gängige Praxis war, wo die Zahl der außerhalb der Schlachtfelder getöteten Sowjetbürger, von denen die überwältigende Mehrheit zur „Sicherung des Hinterlands“ nach dem Prinzip „keine Überlebenden zurücklassen“ ermordet wurde, bei mindestens 20 Millionen liegt.

9. Die faschistische Diktatur ist die offen terroristische Staatsform der Bourgeoisie

Es sollte deutlich geworden sein, dass die faschistische Diktatur weder die Herrschaft des Kleinbürgertums ist, dessen Forderungen von den Monopolen instrumentalisiert werden, noch die Herrschaft der klassenfremden, insbesondere der durch Krieg und Krise aus der Bahn geworfenen Elemente, noch die Herrschaft von „Chefs“ vom Typ Bonaparte, denen die Monopolbourgeoisie, die angesichts einer zur Machtübernahme zu schwachen Arbeiterklasse selbst zu geschwächt zum Regieren ist, ihre Macht überlässt, um an ihrer statt zu regieren. Die faschistische Diktatur ist eine Diktatur der Bourgeoisie. Als bürgerliche Diktatur in der Epoche des Monopolkapitalismus ist die faschistische Diktatur eine Form des bürgerlichen Staates als ein Herrschaftsinstrument des Finanzkapitals, das sie durch den Ausschluss bürgerlicher Schichten außerhalb ihrer selbst[2] in ihre oligarchische Herrschaft umwandelt und in ihren Händen konzentriert: seine reaktionärste, offen blutrünstige, terroristische Form, die von keinerlei Rechtsstaatlichkeit gezügelt wird. Sie ist Ausdruck der Interessen der Monopolbourgeoisie, ist ihr Herrschaftsinstrument, schafft und garantiert die äußeren Bedingungen für die monopolistische Ausbeutung und Ausplünderung, verfolgt eine Politik, die ihren Bedürfnissen entspricht, und ihre Handlungen sind auf die Befriedigung dieser Bedürfnisse ausgerichtet. Die faschistische Diktatur ist ein Herrschaftsinstrument des Finanzkapitals, die Organisation der Tyrannei und des offenen Terrors der Monopolbourgeoisie.

Die Behauptungen, dass die Komintern und insbesondere Dimitroff im Bericht des 7. Kongresses die faschistische Diktatur nicht als Diktatur des Finanzkapitals und seiner Monopole bewerten und definieren, sondern als die verengte Diktatur bestimmter ihrer „reaktionärsten“, „brutalsten“ usw. Sektionen oder Gruppen, die andere ausschließen, sind nicht wahr. Dimitroff, der zuvor gesagt hatte, dass „der Faschismus […] ein System der Klassenherrschaft der kapitalistischen Bourgeoisie und ihrer Diktatur in der Epoche des Imperialismus und der sozialen Revolution“ [Herv. d. Aut., auch folgende] (Dimitroff 1958c: 365) darstellt, sagte in dem Bericht nicht nur: „Die faschistische Diktatur der Bourgeoisie ist eine grausame, aber keine feste Macht“ (Dimitroff 1958a: 544), sondern auch Folgendes:

„Der Faschismus proklamierte sich zum einzigen Repräsentanten aller Klassen und Schichten der Bevölkerung. […] Er tut so, als ob er die Interessen aller dieser Schichten, die Interessen der Nation verteidigt. Da aber der Faschismus die Diktatur der Großbourgeoisie ist, so muß er unvermeidlich mit seiner sozialen Massenbasis in Konflikt geraten.“ (Dimitroff 1958a: 572)

Im langen Bericht des Zentralkomitees an den 5. Kongress der Kommunistischen Partei Bulgariens 1948 sagte derselbe Dimitroff: „Der Faschismus ist nichts anderes als die rücksichtslose terroristische Diktatur des Großkapitals.“ (Dimitroff 1958b: 577)

Andererseits bedeutet die Tatsache, dass die faschistische Diktatur eine Staatsform ist, gleichzeitig, dass die Machtergreifung des Faschismus und der Wechsel zwischen den bürgerlichen Staatsformen nicht einfach ein Regierungswechsel ist: „Der Machtantritt des Faschismus ist nicht die einfache Ersetzung einer bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern die Ablösung einer Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie, der bürgerlichen Demokratie, durch eine andere, durch die offene terroristische Diktatur.“ (Dimitroff 1958a: 527) Daher sollte nicht jede Regierung, die einfach reaktionäre, faschistische und oft dem Faschismus den Weg ebnende Maßnahmen ergreift, als „faschistisch“[3] bezeichnet werden.

FASCHISTISCHE DIKTATUR UND MONOPOLE

Andererseits charakterisiert Dimitroff nicht ohne Grund sowohl den deutschen Faschismus mit seiner Betonung auf „Faschismus an der Macht“ als auch faschistische Diktaturen im Allgemeinen als „Diktatur der reaktionärsten, […] am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. Die Tatsache, dass die faschistische Diktatur ein Herrschaftsinstrument der Monopole und die reaktionärste und offen terroristische Staatsform der Bourgeoisie ist, bedeutet nicht, dass alle Monopole und Finanzkapitalgruppen dem Faschismus in all seinen reaktionären Abenteuern gleich nahe stehen, und erfordert dies auch nicht.

Im Gegenteil, die Realität der Faschisierungsprozesse zeigt deutlich die Unterschiede in der Herangehensweise und den Präferenzen der Finanzkapitalgruppen und Monopole gegenüber dem Faschismus, was natürlich ist. Es ist nicht nur üblich, sondern auch unvermeidlich, dass zwischen den Finanzkapitalgruppen und Monopolen, obwohl sie in ihren allgemeinen Interessen gegenüber der Arbeiterklasse und dem werktätigen Volk/Völkern vereint sind, Interessensunterschiede bestehen und ihre Einzelinteressen nicht übereinstimmen; dass sie Interessensunterschiede haben, die sich neben der monopolistischen Konkurrenz aus ihrer Konzentration in verschiedenen Branchen mit unterschiedlichen Positionen in Bezug auf Investitionen, Produktion, Rohstoffe, Märkte und Kredite ergeben können. Diese Interessenunterschiede spiegeln sich in den unterschiedlichen Haltungen der verschiedenen Monopole und -gruppen im Entstehungs- und Aufbauprozess des Faschismus wider.

Wie und nach welchen Kriterien sich Monopole und -gruppen voneinander unterscheiden, ist ein anderes Thema; doch die oft vorgenommene Gegenüberstellung von z.B. „Industriemonopolen“ mit Banken oder „Finanzmonopolen“ oder „Leichtindustriemonopolen“ mit „Schwerindustriemonopolen“ usw. erklärt sich aus der Unkenntnis der Entstehung und des Charakters von Monopolen und des Finanzkapitals, die sich aus der Verflechtung von Industrie- und Bankkapital bilden. Dies wird jedoch bei Lenin als auch in der kapitalistischen Praxis deutlich. Lenin sagt: „Verschmelzung oder Verwachsen der Banken mit der Industrie – das ist die Entstehungsgeschichte des Finanzkapitals und der Inhalt dieses Begriffs“ (Lenin 1971: 230) und belässt es nicht bei der Verallgemeinerung „Verwachsen“: „Drei bis fünf Großbanken einer beliebigen der kapitalistisch fortgeschrittensten Nationen haben zwischen Industrie- und Bankkapital eine ‚Personalunion‘ hergestellt und in ihrer Hand die Verfügungsgewalt über Milliarden und aber Milliarden konzentriert, die den größten Teil der Kapitalien und der Geldeinkünfte des ganzen Landes ausmachen.“ (ebd.: 230) Sowohl dieses „Verwachsen“ von Industrie und Banken als auch ihre „Personalunion“ sind unauflöslich tief und umfassen auch die politische Sphäre: „Zugleich entwickelt sich sozusagen eine Personalunion der Banken mit den größten Industrie- und Handelsunternehmungen, eine beiderseitige Verschmelzung durch Aktienbesitz, durch Eintritt der Bankdirektoren in die Aufsichtsräte (oder die Vorstände) der Handels- und Industrieunternehmungen und umgekehrt. […] Die ‚Personalunion‘ der Banken mit der Industrie findet ihre Ergänzung in der ‚Personalunion‘ der einen wie der anderen Gesellschaften mit der Regierung.“ (ebd.: 224 f.)

Dies ist auch die Realität in den kapitalistischen Ländern. Die Banken sind das Herzstück des Finanzkapitals, und das Wirtschaftsleben der kapitalistischen Gesellschaften sowie der Welt wird von Gruppen des Finanzkapitals und von Monopolen kontrolliert, die sich auf eine kleine Anzahl von Banken konzentrieren. Die monopolkapitalistische Wirtschaft, die unter der Vorherrschaft der Finanzkapitalgruppen organisiert ist, sowie die kapitalistischen Staaten stellen die politische Vorherrschaft derselben Gruppen dar, die untereinander konkurrieren, wobei sie sich in einigen Fragen einig sind und in anderen streiten. Auch wenn sie aufgrund ihrer fortgeschrittenen Internationalisierung mehr oder weniger miteinander verflochten sind, sind die Interessenunterschiede und Rivalitäten, die in der Regel sehr unterschiedlich und langwierig sind und in fast allen Bereichen zu Konfrontationen führen, zwischen den Finanzkapitalgruppen (heute amerikanisch, chinesisch, russisch, deutsch usw.), die sich aus „nationaler“ Sicht auf unterschiedliche Märkte konzentrieren. Diese Interessenunterschiede und Konfrontationen sind ebenfalls unvermeidlich und treten in geringerem Maße und Ausmaß beispielsweise zwischen den amerikanischen Finanzkapitalgruppen (und zweifellos auch in anderen Ländern) und Monopolen wie Rockefeller, Morgan, Dupont usw. auf.[4] Unterschiede in den für die Gruppeninvestitionen vorrangigen Branchen spielen bei diesen Interessenunterschieden ebenfalls eine Rolle, doch unterscheiden sich die Finanzkapitalgruppen von den individuellen Fabrikanten und Kaufleuten der Zeit des freien Wettbewerbs dadurch, dass sie nicht in einer oder wenigen, sondern in einer Vielzahl von Branchen investieren und tätig sind.

Mit diesen Interessens- und den sich daraus ergebenden Neigungsunterschieden zeigen auch die Finanzkapitalgruppen und Monopole unterschiedliche Haltungen zum Faschismus.

Die faschistische Bewegung, die zu Beginn der 1920er Jahre, als sich zahlreiche faschistische Banden zusammenschlossen und die NSDAP gründeten, in der Rolle war, durch Angriffe auf die aufständischen Arbeiter den Klassenfeind zu vertreiben, wofür sie von den Monopolbossen eine gewisse finanzielle Hilfe und Unterstützung erhalten hatte, scheint zwischen 1924-27 ihre Funktion zu verlieren. Mit dem Aufschwung der deutschen Wirtschaft ebbt die Arbeiterbewegung ab und damit auch der Bedarf der Monopole an faschistischen Banden. Die Arbeitslosigkeit, die 1927 zu steigen begann, explodiert mit der Krise von ’29, die Industrieproduktion halbiert sich, und als dann noch die Finanzkrise hinzukommt, sind die Arbeiter wieder auf der Straße, sodass mit dem Bedarf der Monopole nach der faschistischen Bewegung auch ihre Unterstützung wieder zunimmt und sich immer größere Teile von ihnen dem Faschismus zuwendet. Hitler und seine Partei, die 1928 noch 800.000 Stimmen erhalten hatte, werden bald unterstützt von E. Kirdorf, dem Leiter der Gelsenkirchener Bergwerks-AG, vom Thyssen-Chef, der Hitler stets die Treue hielt, von H. Stinnes, einem der deutschen Kriegsgüterproduzenten mit mehr als 60 Zeitungen, Beteiligungen an der Schifffahrt, dem Bergbau (Kohle), der Stahl- und Elektrizitätsindustrie und einer Bank, von Borsig, einem Lokomotivhersteller, der 1931 mit der AEG fusioniert und später Kriegsmaterial produziert, vom elektrochemischen Monopol IG Farben und den Banken. Mit ihren gestiegenen finanziellen Mitteln geht die NSDAP aus den Wahlen von 1930 als zweitstärkste Partei mit rund 6,5 Millionen Stimmen und 107 Abgeordneten hervor. Sie wird nun auch von Krupp und anderen unterstützt, die ihr zunächst die Unterstützung verweigert hatten. Bei den Wahlen im Juli 1932 wird sie mit 13,5 Millionen Stimmen (37 %) und 230 Abgeordneten stärkste Partei.

Die Unterstützer, Vater und Sohn Krupp, erscheinen vor dem Nürnberger Gericht:

„Am 25. April 1931 bemühte sich von Bohlen, als Vorsitzender des Verbandes der deutschen Industrie, diesen in Einklang mit der Nazi-Politik zu bringen. Am 30. Mai 1933 schrieb er an Schacht: »… es ist vorgeschlagen worden, in weitesten Kreisen der deutschen Industrie einschließlich der Landwirtschaft und des Bankwesens eine Sammlung anzuregen, die dem Führer der NSDAP unter dem Namen »Hitler-Fonds« zur Verfügung gestellt werden soll…. Ich habe den Vorsitz über den Verwaltungsrat angenommen…« Krupp steuerte aus der Kasse der Hauptgesellschaft Krupp 4738446 Mark für den Nazi-Parteifonds bei. Im Juni 1935 gab er der Nazi-Partei einen Betrag von 100000 Mark aus seinem Privatvermögen.

Der Nazi-Partei wäre die Kontrolle über Deutschland nicht gelungen, wenn sie nicht die Unterstützung der Industrie, die sie hauptsächlich durch Krupps Einfluß erhielt, erlangt hätte. Zuerst wurde Alfried [Sohn, Anm. d. Aut.] Mitglied der Nazi-Partei und später schloß sich auch Gustav Krupp von Bohlen [Vater, Anm. d. Aut.] an.“ (Internationaler Militärgerichtshof 1945)

Es gab jedoch auch eine beträchtliche Anzahl von Monopolen, darunter die AEG, für ihre Investitionen in der Chemie-, Pharma- und Lebensmittelindustrie bekannte Monopole  sowie Banken, die dies nicht unterstützten. AEG-Präsident Rathenau dient sogar als Minister in einer SPD-Regierung, bis er 1922 von Faschisten ermordet wird. Die Anhänger des Faschismus vermehren sich, und der Faschismus, der schließlich an die Macht kommt, vereinigt die Monopole um sein Programm.

Das Fazit ist, dass der Faschismus und die Errichtung einer faschistischen Diktatur als Lösung von einigen Monopolen befürwortet und unterstützt werden kann, von anderen, deren reaktionärer Charakter unzweifelhaft ist, jedoch nicht. Gehen wir noch einen Schritt weiter, so ist bekannt, dass die Monopole in Ländern wie Italien und Deutschland sich um das Programm des Faschismus versammelten, während die Monopole in Ländern wie Großbritannien, Frankreich und den USA den Faschismus unter den damaligen Bedingungen nicht bevorzugten.

Unter konkreten Bedingungen können und werden sich bestimmte Gruppen des Finanzkapitals und der Monopole, die sich mit den alten Formen nicht zufrieden geben können und terroristische Methoden am dringendsten benötigen, in erster Linie dem Faschismus zuwenden und dabei die Rolle des Rammbocks spielen. Dies spiegelt die Definition des „Faschismus an der Macht“ als „offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten imperialistischen und am meisten chauvinistischen Elemente des Finanzkapitals“ [Herv. d. Aut.] (Dimitroff 1958a: 525) wider, die zunächst auf der 13. Tagung der Komintern im Jahr 1934 und dann auf ihrem 7. Kongress im Jahr 1935 formuliert wurde und sich hauptsächlich auf den deutschen Faschismus bezog.

FASCHISTISCHE DIKTATUR UND MONOPOLE: DIE AUTONOMIE DER POLITIK VON DER WIRTSCHAFT

Obwohl sich die Monopole um das faschistische Programm scharen, bleiben die Interessenunterschiede, Widersprüche und Rivalitäten zwischen ihnen bestehen, so dass die Haltungsunterschiede nicht verschwinden. Im Gegenteil, das Verhältnis der Autonomie zwischen Wirtschaft und Politik und zwischen den Monopolen und dem faschistischen Staat spielt weiterhin eine Rolle.

Der Faschismus, der als Bestreben und Lösung der Monopole an die Macht kommt, um den Kapitalismus zu stabilisieren und seine Herrschaft zu sichern, begann dagegen mit der Instrumentalisierung einer Reihe von antikapitalistischen Forderungen und sogar mit der Behauptung einer Art „Sozialismus“, die sogar im Namen der Partei vorkam, und stellte auf dieser Grundlage Milizen wie die SA und die SS zusammen, was zu Schwierigkeiten führte. Neben der Schwierigkeit, nach der verheerenden Weltwirtschaftskrise von 1929 an die Macht gekommen zu sein, werden die hohen öffentlichen Ausgaben für die riesige Kriegsindustrie, die durch die Ablehnung von Versailles und die Forderung nach einer neuen Teilung notwendig wurden, zweifellos in erster Linie auf die Arbeiterklasse abgewälzt, aber auch die „obere“ Schicht, einschließlich der Monopole, muss ihren Anteil leisten: Bereits 1934, nachdem der Finanzminister erklärt hatte, dass „alle Sparmöglichkeiten des deutschen Volkes dem Wiederaufrüstungswerk dienstbar gemacht werden“ müssen [Übers. d. Verf.] (Krosigk 1934, zitiert nach Guérin 2014: 259 f.), wurden alle Sparkassen und Banken mit ihren hohen Ersparnissen unter staatliche Kontrolle gestellt. Der Einkommenssteuersatz für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 100.000 Mark wurde 1936 von 20 auf 30 Prozent, 1938 auf 35 Prozent und in den beiden Folgejahren auf 40 Prozent angehoben. Im Jahr 1938 wurde auch eine neue, 30% dieser Steuer betragende „Verteidigungssteuer“ eingeführt, Importe wurden einer Lizenzpflicht unterworfen usw. usf. Im gleichen Zeitraum war vieles davon auch in „demokratischen“ Ländern zu beobachten.

Es entsteht der Eindruck, dass der faschistische Staat Probleme mit den Monopolen hat. Vor allem in der Anfangszeit spielte dies auch dem Faschismus in die Hände, um die Massen zu täuschen und einzuspannen. Für Monopole wie Thyssen und Krupp, die ihre während der Krise stillgelegten Walzwerke wieder in Betrieb nehmen, deren Fabriken mit der Produktion von Maschinen und Kriegsfahrzeugen voll ausgelastet sind und die einen großen Teil der öffentlichen Ausgaben absorbieren, ist allerdings die Aufrüstungspolitik wünschenswert und vorteilhaft, und ihre Umsetzung wirkt sich belebend auf die gesamte Wirtschaft aus, auch wenn sie sie nur vorübergehend belebt, indem sie die Krise hinausschiebt, da sie zu keiner produktionsorientierten Produktion führt. Die Programme, Pläne und Politiken, die von der faschistischen Regierung entwickelt wurden, um den allgemeinen Interessen der Monopole und des Deutschlands der Monopole – zweifellos zusammen mit den Bonzen des Finanzkapitals und zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse – zu entsprechen, und anfangs (und zum Teil auch später) von einzelnen Unternehmen abgelehnt wurden, werden von einigen freiwillig und von anderen mehr oder weniger unfreiwillig angenommen. Diese Unterschiede, die als Ausdruck des Widerspruchs zwischen den besonderen und allgemeinen Interessen der einzelnen Monopole und der monopolkapitalistischen Wirtschaft sowie des Autonomieverhältnisses zwischen Wirtschaft und Politik erscheinen, sind weder nur den Bedingungen der faschistischen Diktatur eigen, wie die Beispiele der hohen Geldstrafen, die gegen einige Monopole im Rahmen der Antimonopolgesetze in den USA und europäischen Ländern verhängt wurden, die Verhängung hoher Steuerstrafen in der Türkei gegen einige, wie z.B. Aydın Doğan, und der Ausschluss einiger, wie z.B. Koç, von staatlichen Ausschreibungen zeigen; noch bedeutet die Tatsache, dass die faschistische Diktatur, die auch mit der Konkurrenz und dem Widerspruch zwischen den Monopolen zusammenhängt, die Interessen bestimmter Monopole begünstigt und insbesondere diese Interessen erfüllt, dass es sich nicht um die reaktionärste Form des bürgerlichen Staates unter der Herrschaft der Monopole, sondern dass es sich z.B. um die bonapartistische Diktatur der „Faschisten“, der „faschistischen Führer“ oder um eine „halbe“ oder bspw. eine „kleinbürgerliche“ Diktatur der Art handelt, in der bestimmte Monopole nicht mehr das Sagen haben.

Über die Beispiele von Doğan und Koç hinaus führte der Widerspruch zwischen den Monopolen und dem Autonomieverhältnis zwischen Wirtschaft und Politik beispielsweise zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Monopolen, Generälen und faschistischen Führern unter der faschistischen Diktatur in Deutschland, zur Auflösung eines Teils der SA und der SS und zur vollständigen Unterordnung des Rests unter den Staat, zur Hinrichtung des SA-Chefs Röhm und anderer, zu zahlreichen Attentaten auf Hitler, auf das letzte (20. Juli 1944) die Hinrichtung zahlreicher Generäle, Bürgerlicher und Großgrundbesitzer folgte.

DIE BONAPARTISIERUNG DES FASCHISMUS

In der Vergangenheit war die Hauptbehauptung der Sozialdemokraten, dass der Faschismus eine bonapartistische Herrschaft sei, und diese Behauptung hat auch heute noch ihre Verfechter. Die wahnhafte Quelle dieser Behauptung, die nicht als politische Blindheit zu verstehen ist, besteht darin, mit der Bourgeoisie so eng verbunden zu sein, dass man ihr den Faschismus nicht zurechnen kann. Eine zur Theorie erhobene Verblendung ist die Annahme, dass die Mittelschichten, selbst die rückständigen Teile der Arbeiter und vor allem die klassenfremden Elemente, die durch die Zerstörung und Folgen des Kriegs, die alle nationalen positiven und negativen Ergebnisse wie der nationalen Demütigung vom Typ Versailles zuspitzen wird, sowie der Krise des Kapitalismus zerrüttet wurden und einen Ausweg suchen und die die auf der Grundlage der faschistischen Bewegung errichtete Herrschaft zu sich zieht und hinter sich her schleift, ihren Klassencharakter bilden. Vom Verhältnis der relativen Autonomie zwischen Staat, Finanzkapital und Monopolen ausgehend zur Behauptung zu gelangen, dass neben einer zur Machtübernahme unfähigen Arbeiterklasse die Monopole die Herrschaft, die sie aus ähnlicher Kraftlosigkeit nicht fortführen können, einem „Führer/Duce/Reis“ statt eines Kaisers vom Schlage eines Bonapartes der letzten Epoche, überlassen haben, bedeutet vor allem, die Epoche zu verpeilen!

A. Thalheimer, einer der Führer des rechten Flügels der SPD in den 1920er Jahren, sagt in seinem Artikel „Über den Faschismus“ über die Herrschaft des Faschismus in Italien:

„Unverkennbar sind wesentliche Züge gemeinsam mit der bonapartistischen Form der Diktatur: wieder die ‚Verselbständigung der Exekutivgewalt‘, die politische Unterwerfung aller Massen, einschließlich der Bourgeoisie selbst, unter die faschistische Staatsmacht bei sozialer Herrschaft der Großbourgeoisie und der Großgrundbesitzer. […] Die faschistische Partei ist ein Gegenstück zu der ‚Dezemberbande‘ Louis Bonapartes. Ihr sozialer Bestand: Deklassierte aller Klassen, des Adels, der Bourgeoisie, des städtischen Kleinbürgertums, der Bauernschaft, der Arbeiterschaft. […] Im Falle des italienischen Faschismus, wie in dem des Bonapartismus, ein gescheiterter Ansturm des Proletariats, darauffolgende Enttäuschung in der Arbeiterklasse, die Bourgeoisie erschöpft, zerfahren, energielos nach einem Retter ausschauend, der ihre soziale Macht befestigt.“ (Thalheimer 1930)

Drei Autoren, die Artikel von Thalheimer und anderen zusammengestellt und präsentiert haben, schreiben in ihrer „Einleitung“ richtigerweise:

„Um die soziale Herrschaft des Bürgertums zu stabilisieren, wurde seine unmittelbare politische Herrschaft durch die der faschistischen Partei abgelöst, verselbständigte sich der staatliche Herrschaftsapparat im Faschismus auch gegenüber der Bourgeoisie. Die Differenzierung zwischen politischer und sozialer Herrschaft der bürgerlichen Klasse ist eine der wichtigsten Kategorien der Thalheimerschen Theorie.“ (Kliem et al. 1967: 10)

Der „Vater des Austromarxismus“ und linker Sozialdemokrat Otto Bauer ist ähnlicher Ansicht:

„Wie der Bonapartismus des 19. Jahrhunderts das Resultat jenes zeitweiligen Kräfteausgleichgewichtes zwischen der Bourgeoisie und dem Adel einerseits, zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie andererseits gewesen ist, […] so ist auch der neue, der faschistische Absolutismus das Ergebnis eines zeitweiligen Gleichgewichtszustandes, in dem weder die Bourgeoisie dem Proletariat ihren Willen mit den alten gesetzlichen Methoden aufzwingen, noch das Proletariat sich von der Herrschaft der Bourgeoisie befreien konnte und beide Klassen daher unter die Diktatur der Gewalthaufen gerieten, die die Kapitalistenklasse gegen das Proletariat benutzt hat, bis sie sich schließlich selbst ihrer Diktatur unterwerfen mußte.“ (Bauer 1967: 156)

Charismatische Chefs oder Führer an der Spitze organisierter Menschenmengen und aggressiver Terrormilizen, deren Wort Gesetz ist, nutzen die Unfähigkeit der Bourgeoisie und des Proletariats, den jeweils anderen zu schlagen, aus und bringen beide Klassen unter ihr Diktat! Übertreibung der relativen Autonomie der Politik von der Wirtschaft und des Staates von der herrschenden Klasse: Die Bourgeoisie ist gesellschaftlich dominant, aber politisch ächzt sie unter der faschistischen Diktatur, „die faschistische Diktatur löst auch kapitalistische Organisationen auf oder stellt sie doch unter ihre Vormundschaft“ (Bauer 1967: 157)!

Zusammengefasst: Die faschistische Diktatur gehört, zumindest politisch, nicht zur Bourgeoisie und ist auch keine Form ihres Staates – das ist die schäbige, von einigen heutigen Intellektuellen gebilligte Formel, die die Sozialdemokraten erfunden haben, um den Kampf gegen den Faschismus vom Kampf gegen die Herrschaft des Finanzkapitals und der Monopole loszulösen!

Rechtspopulistische, zum Faschismus neigende „Chefs“ sind heute nicht verschwunden, im Gegenteil, sie sind geradezu in Mode, um die Werktätigen und ihren Unmut auszunutzen und sie auf ihre Seite zu ziehen, wenn die normalen, linken und rechten bürgerlichen Systemparteien Schwierigkeiten haben, die arbeitenden Massen unter ihrer Kontrolle zu halten, und wenn der Widerstand gegen das System, der sich z.B. in der Gleichgültigkeit und der Nichtbeteiligung an Parlamenten und Wahlen äußert, zunimmt, aber nicht in organisierter Form gegen den Kapitalismus gerichtet ist. Wenn man allerdings das Äußere beiseitelässt, eifern sie nicht einmal Bonaparte nach und sind eindeutig die Verteidiger der Interessen des Finanzkapitals und der Monopole, abgesehen davon, wie gut es ihnen gelingt, ihr wahres Gesicht zu verbergen.

FASCHISMUS VON UNTEN UND OBEN UND DIE FASCHISIERUNG DES STAATES

„Die Entwicklung des Faschismus und die faschistische Diktatur selbst nehmen in den verschiedenen Ländern verschiedene Formen an, je nach den historischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen, je nach den nationalen Besonderheiten und der internationalen Stellung des betreffenden Landes.“ (Dimitroff 1958a: 526) Es gibt Parallelen in der Geschichte, aber keine Wiederholungen. Dennoch lässt sich der Faschismus in seiner Vielfalt, was seine Entwicklungsmerkmale betrifft, mit seinen Unterschieden in zwei allgemeine Gruppen einteilen: „von unten“ und „von oben“. Während die erste die Machtergreifung eines Faschismus als Massenbewegung mit Milizorganisationen darstellt, ist die zweite die Organisation des Faschismus von oben nach unten durch eine faschistische (oder faschistisch werdende) Organisation/Partei, die einen bestimmten Platz in der Regierung einnimmt und sich dabei auf staatliche Kräfte, vor allem die Armee (und andere bewaffnete staatliche Kräfte), stützt oder diese einsetzt. An einem bestimmten Punkt jeder Entwicklung „von unten“, in der Regel nach der Regierungsübernahme, findet jedoch in jedem Fall ein Prozess der Faschisierung des Staates (der Aufbau des Faschismus) statt, sodass sich die beiden Entwicklungsprozesse oft miteinander verflechten.

Italien und Deutschland sind Beispiele für eine Entwicklung „von unten“. Mussolini, der 1922 auf der Grundlage seiner faschistischen Miliz und einer Massenbewegung die Regierung ergreift und den Faschismus an die Macht bringt, lässt sich Zeit. Die Arbeiterbewegung und die Gewerkschaften, die Liberalen und die Sozialdemokratie sind noch stark und die Klassenmachtverhältnisse ungünstig; die Faschisierung des Staates zieht sich fast vier Jahre hin. Als Mussolini eine Regierung mit Ministern auch aus den Reihen der Liberalen bildet, erlässt er einen Befehl an die Staatsbeamten: „Wir müssen Disziplin und Respekt vor den anderen wahren. Auf keinen Fall dürfen wir die persönlichen Freiheiten verletzen.“ [Übers. d. Verf., Herv. d. Aut.] (Mussolini 1922, zitiert nach Guérin 2014: 142) Die Liberalen glauben daran, und mit ihrer Unterstützung wird ein neues Wahlgesetz verabschiedet, das der Partei, die 25 % der Stimmen erhält, 2/3 der Abgeordneten zugesteht. Zu den Wahlen von 1924 tritt eine gemeinsame liberal-faschistische Liste an, und die faschistische Partei erhöht ihre Abgeordnetenzahl von 35 auf 286. Andererseits setzten die Faschisten die gewaltsame Einnahme sozialdemokratischer, liberaler und katholischer Gemeinden fort und organisierten Angriffe auf Arbeiter und Gewerkschaften, bei denen in einem Jahr 166 Antifaschisten getötet wurden, darunter der Abgeordnete Matteotti. Dass die Liberalen ihre Unterstützung zurückziehen, kommt zu spät, denn es wird unter dem Vorwand der drohenden Ermordung Mussolinis der Ausnahmezustand verhängt. Das Parlament und die politischen Parteien bleiben jedoch noch für einige Zeit bestehen.

In Deutschland veranlasst Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler, dass Hindenburg den Reichstag auflöst und für den 5. März Wahlen anberaumt. In der Zwischenzeit wird die Berliner Polizei von Grund auf umgestaltet, Nazis werden an die Spitze berufen, und die Polizei erhält die Befugnis, offene Versammlungen und oppositionelle Zeitungen zu verbieten, wofür ihr Rechtsschutz garantiert wird. Ähnlich einer „Präsidialpolizei“ wird eine 50.000 Mann starke „Hilfspolizei“ aus SA- und SS-Angehörigen aufgestellt. Innerhalb von zwei Monaten werden 51 Antifaschisten bei Nazi-Angriffen getötet. Am Vorabend der Wahlen werden Gerüchte über einen „Putsch“ gestreut und bei einer Durchsuchung der KP-Zentrale angeblich Beweise dafür gefunden. Als das nicht reicht, wird der Reichstag angezündet, was zum Zeichen für einen „Putsch der Kommunisten“ erklärt wird, und am selben Tag der Reichspräsident gezwungen, ein Dekret zur Abschaffung der verfassungsmäßigen Freiheiten und zur Verhängung des Ausnahmezustands zu unterzeichnen. Die mit allen Vollmachten ausgestattete Polizei terrorisiert zusammen mit der faschistischen Miliz, der „Hilfspolizei“, die Bevölkerung. In der Wahl, die abgehalten wird, während militante Arbeiter ermordet, Wahlversammlungen der Opposition verboten und kommunistische Abgeordnete verhaftet werden, erhält die NSDAP 288 Mandate. Da dies nicht für eine absolute Mehrheit reicht, werden die KP verboten und einige sozialdemokratische Abgeordnete verhaftet, wodurch das Quorum erreicht wird und Hitler bei der Abstimmung am 24. März in dem von bewaffneten Milizen besetzten Parlament zum Regieren per Dekret „ermächtigt“ wird. Anschließend werden Oppositionsparteien und unliebsame Gewerkschaften geschlossen. Die Überschreitung der Schwelle zur Faschisierung des Staates, die in Italien Jahre gedauert hatte, wurde in Deutschland in zwei Monaten vollzogen.

Heute werden wir hautnah Zeuge ein eines weiteren Beispiels für den Prozess des „Aufbaus“ oder der Faschisierung des Staates von oben, der sich auf eine entweder vermittelst von Militärputschen wie am 11. September 1973 in Chile oder am 12. September 1980 in der Türkei oder eigentlich ähnlich zum von Mussolini verfolgten Prozess durch Wahlen ergriffene Regierung und staatliche Institutionen wie die Armee, Polizei und Spezialeinheiten stützt.

Es ist festzuhalten, dass die Vielfalt der Prozesse der Faschisierung und des Aufbaus der faschistischen Diktatur nicht nur die gegenseitige Durchdringung von den Formen von oben und von unten umfasst, sondern auch das Verhältnis des Faschismus zu der demokratischen Form der bürgerlichen Diktatur, dem bürgerlichen Parlamentarismus. Ob der Aufbau der faschistischen Diktatur mit dem bürgerlichen Parlamentarismus verschmelzen wird, ob der Faschismus das Parlament nutzen wird, oder wie lange das Parlament offen gehalten und genutzt wird, hängt ganz von den gegebenen Klassenmachtverhältnissen ab. Dies und ob darüber hinaus der faschistische Aufbau realisiert werden kann, wird abhängen davon;

1) ob und inwieweit die Unzufriedenheit und Mobilisierung der arbeitenden und ausgebeuteten Massen und ihrer Organisationen unterdrückt werden kann,

2) inwieweit es gelingt, die Mittelschichten für sich zu gewinnen und

3) inwieweit die Bourgeoisie durch Interessenkonflikte gespalten oder geeint ist.

Bedingt durch die relative Schwäche der sozialen Basis des Faschismus bleibt das Parlament im Italien der 1920er Jahre lange offen, während es in der Türkei des 12. März 1971 nie geschlossen wird, wohingegen es im Griechenland von 1967, im Chile von 1973, im Hitlerdeutschland und in der Türkei des 12. September 1980 geschlossen wird. Sowohl in der Türkei als auch im vom zweifelslos faschistischen Bolsonaro regierten Brasilien wird erneut die konkrete Formierung der Klassenmachtverhältnisse darüber entscheiden, ob eine faschistische Diktatur errichtet wird oder nicht.

DIE FUNKTION DER SOZIALDEMOKRATIE

In historischen Beispielen bestand die Haltung der bürgerlichen Reaktion im Allgemeinen und der Sozialdemokratie im Besonderen gegenüber dem Faschismus darin, von Ausnahmen abgesehen, nur zu schwätzen anstatt zu kämpfen, sich auf den bürgerlichen Staat und seine Organe zu verlassen und dem Faschismus den Weg zur Macht zu erleichtern.

In Italien verharmlosen die SD die Faschisten, als sie noch lediglich 35 Abgeordnete im Parlament hatten, und sprechen sogar vom Zusammenbruch und der Auflösung des Faschismus. In Deutschland verhält es sich genauso, und nachdem seine Stimmen bei den Wahlen von 1932 gesunken waren, schreiben sie in ihrem Zentralorgan: „Wir haben den Zusammenbruch des Nationalsozialismus schon vor zehn Jahren kommen sehen“. Doch in beiden Ländern lassen die faschistischen Milizen die ausgebeuteten Massen und ihre Kämpfer Blut kotzen.

Angesichts des Vormarschs des Faschismus verteidigen die SD in beiden Ländern die bestehende Ordnung, die dem Faschismus den Weg ebnet, und flehen in Italien den König und in Deutschland den Reichspräsidenten und die Armee an, die Macht nicht den Faschisten zu überlassen. Später jedoch, als sie in Italien im Jahr 1924 noch auf die Wahlen setzen und einen guten Wahlkampf als Lösung sehen, beschließt der von ihnen kontrollierte Gewerkschaftsbund CGL, der von Mussolini verlangt, den Gräueltaten der faschistischen Banden Einhalt zu gebieten, sich an den staatlichen Beratungsgremien und Debatten zu beteiligen und erklärt, dass „die Politik des Gewerkschaftsbundes nicht vorgefassten Meinungen folgen darf“ [Übers. d. Verf.] (d’Aragona 1923, zitiert nach Guérin 2014: 148). Mussolini hingegen spottete über die SD-Opposition in der Versammlung: „Wie sind unsere Gegner, was machen sie? Organisieren sie Generalstreiks oder gar Teilstreiks? Organisieren sie Straßendemonstrationen? Versuchen sie, eine Revolte innerhalb der Armee zu provozieren? Nichts von alledem; sie begnügen sich mit Pressekampagnen!“ [Übers. d. Verf.] (Mussolini 1924, zitiert nach Guérin 2014: 146)

Die SD rufen in Deutschland zur Ruhe auf. Im Februar 1933, nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, sagte der Großberliner SPD-Bezirksvorsitzende Künstler: „Lasst euch vor allem nicht provozieren. Das Leben und die Gesundheit der Berliner Arbeiter sind zu wertvoll, um leichtfertig aufs Spiel gesetzt zu werden; sie müssen für den Tag des Kampfes bewahrt werden.“ [Herv. d. Aut., Übers. d. Verf.] (Künstler 1933, zitiert nach Guérin 2014: 147)

In der Nacht der Wahlen vom 5. März, die Hitler organisiert hatte, um sich die absolute Mehrheit zu sichern, kamen die Stadtführer des Reichsbanners, der Milizorganisation der SPD, auf ihren Motorrädern in Berlin an und baten darum, kämpfen zu dürfen. Die Antwort, die sie erhielten, lautete: „Nur die Ruhe! Vor allem kein Blutvergießen!“ (Guérin 1983: 100)

Dabei ist doch der Faschismus Blutvergießen!

Angesichts des Aufstiegs des Faschismus und der Errichtung der faschistischen Diktatur begnügt sich die Sozialdemokratie, wie auch heute, mit leerem Geschwätz!

WAS IST DIE ALTERNATIVE?

Es ist beileibe nicht möglich, die faschistische Herrschaft der Monopole, die die offen terroristische Form des bürgerlichen Staates ist, loszuwerden, indem man die Perspektive der Rückkehr zu anderen (parlamentarischen usw.) Formen derselben Herrschaft einnimmt.

Der Faschismus ist im Schoß des Parlamentarismus erblüht; und sowohl der Parlamentarismus als auch der Faschismus sind Formen der Monopolherrschaft und desselben bürgerlichen Staates. Deshalb ist es unmöglich, einen konsequenten Kampf gegen Faschismus und faschistische Diktatur zu führen und den Faschismus zu zerstören, ohne das Finanzkapital und die Monopole, ihre Klassenherrschaft und den bürgerlichen Staat als Instrument dieser Herrschaft ins Visier zu nehmen.

Die Alternative zur faschistischen Diktatur, die nicht aus dem Widerspruch, der Konkurrenz und dem Kampf innerhalb der Bourgeoisie (in erster Linie der Monopolbourgeoisie, einschließlich der Großgrundbesitzer) erwächst, sondern aus dem Widerspruch und dem Kampf zwischen den Monopolen und der Arbeiterklasse und dem werktätigen Volk, und zu der die Monopole als Lösung greifen, um den Widerstand der Arbeiter und des Volkes zu unterdrücken und ihre Herrschaft zu sichern, kann außerhalb und jenseits der Herrschaft der Monopole mit ihren verschiedenen Formen gesucht werden. Außerhalb und jenseits des Monopolkapitalismus, der höchsten Stufe des Kapitalismus, liegt keine andere Zwischenstufe wie der „soziale Kapitalismus“ usw., sondern der Sozialismus.

Daher kann eine Rückkehr zum parlamentarischen System – egal welche Adjektive wie „gestärkt“ etc. ihr verliehen werden – politisch nicht angestrebt werden; die Alternative zur faschistischen Diktatur kann zweifellos die Diktatur des Proletariats und die Formen des Übergangs zu ihr sein, wie die „Volksfrontregierung“ und die Volksdemokratien.

Dies liegt auch daran, dass der Sturz der faschistischen Diktatur, wie auch ihre Errichtung, nicht einfach als Regierungswechsel verstanden werden kann. Der Kampf gegen den Faschismus mit der Perspektive, ihn durch eine andere Form der Monopolherrschaft und eine bürgerliche Regierung zu ersetzen, wird, auch wenn er zu zeitweiligen und partiellen Erfolgen führen mag, nicht zur Ausrottung des Faschismus führen, sondern dem Faschismus die Tür offen lassen, die die als unantastbar betrachteten Monopole unter günstigen Bedingungen wieder öffnen können, wenn sie ihn brauchen. Richtig ist, sich das Ziel zu setzen, den Faschismus und die Monopole, die seine Basis sind, für die Vertiefung der Abhängigkeitsverhältnisse vom Imperialismus mit ihrer Ausplünderung, Korruption und Tyrannei zur Rechenschaft zu ziehen und die Errichtung der Volksherrschaft anzustreben, um dies zu verwirklichen, ohne sich auf den Widerstand gegen den „einen Mann“ usw. zu beschränken.

Die Tatsache, dass der antifaschistische Kampf auf die Volksherrschaft und nicht auf die Wiederbelebung des Parlaments abzielt, kann jedoch kein Grund für Gleichgültigkeit gegenüber der Tendenz des Faschismus sein, die demokratischen Rechte und Freiheiten zu verletzen und das Parlament funktionsunfähig zu machen und abzuschaffen; im Gegenteil, die Erlangung der politischen Freiheiten gehört zu den Zielen des Kampfes, und dieser Kampf kann sich entwickeln, indem das Parlament als bürgerlich-demokratische Institution gegen den faschistischen Angriff verteidigt wird.

Andererseits können die Verbrennung der faschistischen Diktatur und der Übergang zur Demokratie, wie ihre Errichtung, „in den verschiedenen Ländern je nach den historischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen, je nach den nationalen Besonderheiten und der internationalen Stellung des betreffenden Landes verschiedene Formen annehmen“.

Es ist unbestreitbar, dass die Errichtung der faschistischen Diktatur eine Frage der Konterrevolution ist, ebenso wie ihre Verbrennung eine Frage der Revolution (Herrschaft) ist und dass der antifaschistische Kampf mit dieser Perspektive für einen handfesten Sieg geführt werden muss. Daraus folgt jedoch nicht, dass es keine liberalen, sozialdemokratischen antifaschistischen Annahmen mit reformistischem Inhalt geben wird, die auf die Wiederbelebung der bürgerlichen Demokratie und des Parlamentarismus abzielen, die sich nicht gegen die Monopole und ihre Herrschaft richten und sie nicht zum Gegenstand des Kampfes machen, die keine Abrechnung mit dem Faschismus, geschweige denn mit seiner Widersprüchlichkeit beinhalten und die ihm die Tür offen lassen, um unter günstigen Bedingungen wieder zu einem Unheil zu werden, und dass der Kampf gegen den Faschismus ohne jede Beziehung zu denen geführt werden muss, die diese Ansichten vertreten.

Die Perspektive eines revolutionären Kampfes, der auf den Sozialismus gegen den Faschismus und die Monopolherrschaft abzielt, zu haben und die Vereinigung des Volkes mit dieser Perspektive als Grundlage zu nehmen, schließt nicht die Möglichkeit von lang- oder kurzfristigen Zusammenschlüssen und Aktions- und Machtbündnissen mit denjenigen aus, die den „Kampf“ auf inkonsequenten und systemkonformen Plattformen vorschlagen, im Gegenteil, sie schließt es mit ein, vorausgesetzt, dass sie dazu dienen, das werktätige Volk gegen den Faschismus zu vereinigen.

Andererseits kann aus der Tatsache, dass der Sturz der faschistischen Diktatur eine Frage der Revolution ist und dass der Kampf gegen den Faschismus als revolutionärer Kampf geführt werden muss, der auf den Sturz der Monopolherrschaft abzielt, nicht gefolgert werden, dass der Faschismus ohne Revolution nicht gestürzt und z.B. durch bestimmte Formen des demokratischen Staates nicht ersetzt werden kann.

Auch wenn der antifaschistische revolutionäre Kampf, der sich auch gegen die Herrschaft des Finanzkapitals richtet, nicht in der Lage ist, einen Machtwechsel herbeizuführen und/oder unter Hinzunahme anderer Faktoren, die außerhalb seiner selbst liegen – wie die nationalen und internationalen Bedürfnisse der Bourgeoisie -, kann er als Nebenprodukt zum Sturz des Faschismus führen. Dies geschah in Frankreich, Italien und Griechenland gegen Ende des Zweiten Weltkriegs.

Andererseits kann ein spontaner Volksaufstand zu einem ähnlichen Ergebnis führen. Das ist zum Beispiel in Ägypten geschehen.

Es ist auch nicht völlig ausgeschlossen, dass unter günstigen Bedingungen der systeminterne antifaschistische Kampf der Nichtmonopolbourgeoisie, des mittleren und vor allem des Kleinbürgertums mit den Massen im Rücken einen gewissen Erfolg erzielen kann.

Und schließlich ist eine andere Form des Verschwindens der faschistischen Diktatur, die nicht nur möglich, sondern auch zu beobachten ist, in Form des „Rückzugs“, in den Beispielen des 12. März und des 12. September, Pinochets in Chile usw. zu sehen, als die faschistischen Diktaturen durch beschnittene Demokratien ersetzt wurden: Wenn der sich massenhaft entwickelnde Kampf der Arbeiterklasse und des Volkes beginnt, Breschen in die Peripherie der faschistischen Diktatur zu schlagen und die Diktatur funktionsunfähig zu werden, in dem Zuge demokratische Rechte ausgeübt zu werden beginnen, zunächst de facto und allmählich auch gesetzlich – wie die Abschaffung der Artikel 141 und 142 des türkischen Strafgesetzbuches -, und wenn der Zusammenbruch der Einheit zwischen den bürgerlichen Cliquen die Anwendung faschistischer Methoden erschwert, auch wenn die Armee und ähnliche Stützen noch stabil erscheinen, kann ein relativ „friedlicher“ Übergang zum – wie im Fall des 12. Septembers durch die von ihm geschaffenen Institutionen vom Typus des Hochschulrats und die neue faschistische Verfassung und Gesetze verstärkten – bürgerlichen Parlamentarismus stattfinden. Das einzige Kriterium, das die Form der Vertreibung des Faschismus von der Bühne bestimmen wird, sind die Klassenmachtverhältnisse.

Es gibt kein Rezept; aber der Ansatz der revolutionären Partei der Arbeiterklasse ist klar und unverzichtbar: Der Kampf gegen den Faschismus als Bestandteil der proletarischen Revolution kann nicht vom Kampf gegen den Imperialismus und die Herrschaft der Monopole getrennt werden.


[1] „Nachdem der Krieg dann ausgebrochen war – wofür beide Krupps, sowohl Gustav von Bohlen als auch Alfried, unmittelbar verantwortlich sind – führten sie die deutsche Industrie, unter Verletzung von Verträgen und dem Internationalen Recht, an. Sie beschäftigten Zwangsarbeiter, die aus beinahe allen von Deutschland besetzten Ländern gepreßt und von dort herbeigeschleppt worden waren; sie zwangen Kriegsgefangene, Waffen und Munition, die gegen ihre eigenen Länder eingesetzt wurden, herzustellen. Es sind reichliche Beweise vorhanden, daß diese Arbeiter in Krupps Gewahrsam und in Krupps Diensten unterernährt und überanstrengt, mißbraucht und unmenschlich behandelt wurden. Erbeutete Aufzeichnungen zeigen, daß im September 1944 54990 ausländische Arbeiter und 18902 Kriegsgefangene in den Krupp-Werken beschäftigt waren.“ (Internationaler Militärgerichtshof 1945)

[2] Die nichtmonopolistische Bourgeoisie ist als nicht ausgebeutete Klasse immer noch eine ökonomisch dominierende, ausbeutende und besitzende bürgerliche Schicht; doch genauso, wie die Monopole ihre zusätzlichen Monopolgewinne vermehrt haben, indem sie ihnen durch nicht außerökonomischen Zwang wie Monopolpreise, Kredite, Kontrolle über Rohstoffe und Märkte usw. einen Teil des Mehrwerts abpressen, versuchen sie sie nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch an sich zu binden.

[3] Wie Wilhelm Pieck in seinem Arbeitsbericht des EKKI an den 7. Kongress der Komintern feststellte, beging die Kommunistische Partei Deutschlands einst diesen Fehler: In Deutschland vertraten die Kommunisten lange Zeit die Auffassung, dass die sozialdemokratische Regierung Hermann Müller eine Faschisierung durchführte, dass die Regierung Brüning bereits eine Regierung der faschistischen Diktatur war. [Übers. d. Verf.; „In Germany, the Communists for a long time held the view that the Social-Democratic Hermann Mueller government was carrying out fascization, that the Bruening government was already a government of fascist dictatorship.”] (Pieck 1939: 35)

[4] An dieser Stelle gehen wir weder auf die Veränderungen ein, die durch die technologischen Entwicklungen im Bankensektor hervorgerufen werden, z. B. die Entwicklung neuer Systeme, die als „Plattform-Banking“ mit digitalen Währungen wie „Bitcoin“ bekannt sind, noch auf die Tendenzen oder gar auf die Vorstöße der sogenannten „neuen Technologieunternehmen“ die ausschließlich mit digitalen Transaktionen arbeiten und z.B. ihre eigene „Apple Card“ herausgegeben haben, wie Apple und Microsoft, Amazon, das zwar noch keine eigene „Bankkarte“ herausgegeben hat, aber kassenlose Amazon Go Läden betreibt und alle Informationen über Ihr Online-Browsing in diesen Stores oder auf seiner Website speichert, und Facebook, der Online-Riese, der gerade WhatsApp übernommen hat, ins Bankwesen einzusteigen, ein.


Literaturverzeichnis

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